Facebook und Gratulationen

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Becca:

Das Schuljahr vergeht wie im Flug und in sechs Wochen steht unser Schulabschluss vor der Tür. Gage und ich sind immer noch zusammen. Ich muss zugeben, dass wir am Anfang ziemliche Schwierigkeiten hatten. Aber nun sind wir das perfekte Paar. Wir streiten uns oft. Immer noch und auch ziemlich heftig. Er ist ein Hitzkopf und genauso, reitet er diese verdammten Bullen. Schon eine Woche nach dem bevorstehenden Abschluss wird er mit der PBR auf Tour gehen. Es wird sein erstes Jahr als PRO werden, aber ich werde dann nicht mehr da sein. Mein Visum wurde nicht verlängert obwohl Jason und Ricky alles versucht haben, daran etwas zu ändern. Aber da war nichts zu machen. Außerdem freue ich mich irgendwie auf Deutschland. Es ist schließlich mein Zuhause. Aber diese Freude ist im Grunde verschwindend gering, denn auch meine Beziehung zu Gage wird damit zu Ende gehen. Wir reden kaum über meine Abreise und schieben es immer vor uns her. Wir gehen dem, praktisch aus dem Weg, weil wir beide damit nicht konfrontiert werden wollen. Tyler redet inzwischen wieder mit mir und auch mit Gage. Er war ziemlich angefressen aber nicht unschuldig an unserer Beziehungspause. Er hat sich eigentlich dazwischen gedrängt, und uns so, das Leben schwierig gemacht. Jetzt ist aber alles in Ordnung, weil Gage weiß, dass ich ihn nicht für Tyler verlassen werde. Diese Sicherheit gibt ihn die nötige Gelassenheit mit seinem Kumpel halbwegs wie früher umzugehen. „Was wirst du tragen auf dem Abschlussball". Ich habe die Frage erst gar nicht wahrgenommen und Sarah sieht mich genervt an. Jo, Paige, Sarah und meine Wenigkeit sind nach Missoula gefahren um ein passendes, Kleid für den Abschluss zu kaufen. Alle haben schon eines, aber meines war nicht unter diesen schillernden Farben. Ich hasse Apricot und Rosa. Lila und Mintgrün mag ich auch nicht. „Ich weiß nicht, vielleicht bestelle ich es mir im Internet". Sarah verdreht ihre Augen. „Du kannst dir doch nicht einen Fetzen aus dem Internet bestellen. Sind sie dir etwa zu teuer oder was hast du für ein Problem". Am Geld scheitert es mit Sicherheit nicht. Ich verdiene genug bei Brady und außerdem schicken mir meine Eltern mehr Taschengeld als ich ausgeben kann. „Nein sie sind mir schlichtweg zu schrill". Die Mädchen schnappen sich eine Auswahl an diesen raschelnden Clownskostümen und verschwinden in verschiedenen Kabinen. Ich fahre mit der Rolltreppe in die obere Etage, da sie dort auch etwas teurere Modelle führen. „Kann ich ihnen helfen". Die Verkäuferin sieht mich herablassend dennoch mit gespielter Freundlichkeit an. „Sie brauchen sicherlich ein Kleid für den Abschlussball. Die finden sie unten. Dort haben wir eine Auswahl günstiger Kleider genau für diesen Zweck". Ich kratze mich verlegen am Kopf und ziehe eine spezielle Kreditkarte aus meiner Tasche. Meine Mutter hat sie mir geschickt, weil ich die Schule geschafft habe ohne sitzen zu bleiben und jetzt meinen Abschluss so gut wie in der Tasche habe. Das war ihr wichtig und dafür darf sie jetzt teuer bezahlen. „Nehmen sie diese Karte auch als Zahlungsmittel". Die Verkäuferin schürzt ihre grell geschminkten Lippen, senkt ihren Blick und nickt zufrieden. „Natürlich. Man täuscht sich immer so in den Jugendlichen. Ich vergesse immer ganz, dass zerrissene Jeans zum Alltag gehören und für euch chic sind". Sie deutet auf die Abteilung in die ich gehen soll und verspricht mir in wenigen Augenblicken nach zu kommen. Schätzungsweise lässt sie die Kreditkarte überprüfen. Vielleicht denkt sie, dass ich sie gestohlen habe. Ich finde die Abteilung sofort und bin von der Auswahl begeistert. Die Farben in diese Abteilung sind viel edler und eleganter und ich komme mir damit nicht vor wie ein Paradiesvogel. Die Stoffe rascheln auch nicht so furchtbar wie die billigen von unten. Sie fließen ganz wunderbar und fühlen sich unter meiner Hand geschmeidig und teuer an. Mein Blick fällt auf ein Preisschild und ich schlucke. Davon kaufen sich manche Leute ein Auto. „Das sieht dir wieder gleich", sagt Paige grinsend und setzt sich auf einen der weißen Sessel die überall herumstehen. „Ich weiß nicht. Ich glaube mir reicht dann doch eine Jeans". Sie schüttelt heftig ihren Kopf und legt die Füße über die Lehne. „Jetzt sei kein Spielverderber. Du feierst nur einmal deinen Abschluß und auch nur einmal mit uns." Ich seufze und wandere mit der Hand über die vielen Kleider. Paige springt hoch und hüpft praktisch in die benachbarte Abteilung. Dabei quitscht sie vergnügt und klatscht in die Hände. „Brautkleider". Ohje. Ich verlasse die Abteilung mit den Abendkleidern um Paige davon abzuhalten, Brautkleider anzuprobieren. Das würde ich der verrückten Henne sogar zutrauen. „Paige komm zurück, das ist nicht lustig". Sie taucht hinter einem mannshohen Ständer auf und rückt ihre Brille zurecht. „Das ist wirklich nicht lustig. Das ist mega,turbo,-... hammergeil". Die Verkäuferin stöckelt heran und ich rechne schon damit aus dem Laden geworfen zu werden. „Meine Damen, sie haben hier nichts verloren. Abendkleider sind da drüben". Paige taucht hinter dem Ständer auf. „So, wie kommen sie darauf, dass wir ein Abschlusskleid brauchen". Die Verkäuferin schürzt wieder ihre Lippen und rückt ihren Blazer gerade. „Oh, ich hatte nur gedacht, weil sie noch so jung aussehen". Sie wackelt hinüber zu Paige und nimmt ihr das Kleid aus den Händen. „Das ist nicht die richtige Größe. Ich denke, dass wir da hinten schauen müssen. Wer von Ihnen ist die Braut". Ich deute auf Paige, weil ich keine Lust habe bei dem Scheiß mitzuspielen. Aber Paige war schneller und schiebt mich zu den kleineren Größen. „Jetzt spiel endlich mit, sonst werfen die uns raus", zischt sie und stellt mich in einer verdammten Kabine ab. „Ich werde ihnen erst mal ein paar Kleider bringen, von denen ich denke, sie könnten zu ihnen passen", erklärt die Verkäuferin auf einmal fröhlich. „Aber ich brauche keines"-, versuche ich zu entgegnen. Doch Paige schneidet mir einfach das Wort ab und übernimmt lachend. „in beige wollte Becca sagen. Sie ist der Meinung, dass ihr weiß nicht so gut steht". Paige wirft mir einen bitterbösen Blick zu, damit ich meinen Mund halte. Ich höre wie die Verkäuferin davon stöckelt und nebenbei erklärt, dass die Brautkleider nicht beige, sondern cremefarben sind. Sie wirkt ziemlich genervt. Ein paar Sekunden später wird ein Kleid zwischen dem Vorhängen durchgeschoben. „Das ist wirklich reizend mit Perlen und einer romantischen Stickerei im Rücken. Es ist armfrei und hat ein sehr stabiles Corsage". Die Verkäuferin geht wieder um ein anderes zu holen. „Anziehen" faucht Paige mir zu und grinst wie ein kleiner Teufel. „Aber ich-". Sie reisst den Vorhang überraschend zurück und quetscht sich mit in meine Kabine. „Du musst schon mitmachen sonst rufen sie die Polizei und das wird dann sehr ungemütlich". Ich fluche verhalten und reiße mir das T-Shirt über den Kopf. „Das wirst du mir büßen". Paige lacht völlig unbeeindruckt und geht nach draußen. Sie hat mich offenbar noch nicht wütend erlebt. Ich werfe meine Jeans auf den Stuhl der in der Ecke steht und schlüpfe kopfüber in den Seidentraum mit Stickerei. Ich reiße den Vorhang zurück und trete missmutig aus der Kabine. „Toll" ruft die Verkäuferin und fordert mich auf, mich herumzudrehen. Das Kleid ist weit ausgestellt und ich sehe zugegeben aus wie eine Prinzessin. Paige bringt mir eine kleines Diadem, das eher altmodisch wirkt aber perfekt zu dem Kleid passt. Es verläuft spitz in meine Stirn und hinten ist ein bodenlanger Schleier angebracht. „Sie könnten ihre Haare in Locken legen lassen und nur ein paar davon auf dem Hinterkopf feststecken", rät die Verkäuferin. Ich sehe in den Spiegel und lächle bei der Vorstellung, wie perfekt das aussehen könnte. Genau in diesem Moment klickt der Auslöser von Paiges Telefon und sie macht ungehindert Aufnahmen von mir. „Ich habe es mir anders überlegt" schnauze ich die Verkäuferin an. „Ich möchte den Typen doch nicht heiraten". Dann reiße ich mir das Kleid in der Kabine vom Körper und werfe es über die Stange. Ich höre wie die Verkäuferin auf Paige einredet. Sie erklärt ihr, dass wir jungen Dinger immer so impulsiv reagieren und dass das normal sei. „Lass uns gehen", sage ich zu Paige und reiße sie an den Schultern im Gehen mit, damit sie sich nicht zu sehr mit der Verkäuferin anfreundet. „Gib mir dein Handy", sage ich und strecke meine Hand danach aus. „Wir löschen die Bilder sofort". Dass sie es mir so freiwillig gibt, gefällt mir gar nicht und macht mich tierisch nervös. Ich lösche die vorhanden zehn Bilder von mir und gebe ihr das Gerät wieder. „Warum grinst du so dämlich", frage ich Paige dann. Sie schüttelt ihren Kopf und versucht meinem Blick auszuweichen. „Paige, hast du jemanden die Fotos geschickt". Sie bebt am ganzen Körper. „Paige" wiederhole ich schreiend. Ein paar Leute auf der Rolltreppe drehen sich zu uns um. „Nur einer einzigen Person". Ich spüre, dass eine Ader an meiner Stirn hervortritt. „Wem". Sie grinst wie ein bescheuertes Honigkuchenpferd. „Gage". Am liebsten würde ich sie packen und von der Rolltreppe stoßen. Sarah und Jo grinsen genau so blöd, als wir unten ankommen. Sie warten am Fußende der Treppe und ich bin mir sicher, dass auch sie ein Bild auf ihrem Handy haben. „Löscht es", fahre ich sie an „sofort und vor meinen Augen!" . Sarah verdreht ihre Augen. „Dafür ist es jetzt auch schon zu spät. Die ganze Schule hat sie schon". Ich möchte im Erdboden versinken und zu allem Überfluss zwitschert mein Handy. „Ach ja, auf Facebook ist es auch", erklärt Jo lachend. „Das ist gemein...ihr seid gemein". Ich schalte den Bildschirm ein und drücke auf den Button für Facebook. Ich habe sechs neue Nachrichten und eine Freundschaftsanfrage. Sie haben es an jede Chronik unserer Schulkameraden gepostet und auch an meine. Unter meiner stehen schon die ersten Kommentare. „Herzlichen Glückwunsch" und „davon wussten wir na noch gar nichts" und „danke für die Einladung" und noch viele mehr. Ich gehe auf Nachrichten und schaue, wer mich auf diese Weise hochnehmen möchte. Auch darunter befinden sich persönliche Glückwünsche auch schon aus Deutschland obwohl es dort mitten in der Nacht ist. Mir wird speiübel. Wie wird Gage darauf reagieren. Vermutlich denkt er ich habe das eingefädelt. Damit er fast schon gezwungen ist, mich zu heiraten. Mist, ich möchte nicht, dass er sich gezwungen fühlt. Auf einmal ist mein Shirt schweißnass. Nur gut, dass wir schon fast ganz unten sind und ich renne praktisch vor die Türe um frische Luft zu schnappen. „Jetzt warte doch Becca. Das war doch nur ein Joke". Paige holt mich noch vor der Türe ein. „Ich finde das nicht witzig und ganz nebenbei bemerkt, denke ich, dass Gage das genau so wenig lustig sieht. Es war Scheiße von Euch. Wer hat das geplant". Ihr weicht sofort sämtliche Farbe aus dem Gesicht. „Hey Becca. Ich biege das wieder gerade und lösche alle Fotos auf Facebook. Wirklich". Ich nicke halbwegs zufrieden und setzt mich in das kochend heiße Auto.

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