Die Lüge aufdecken

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Gage:

„Wir sind schon eine Weile zusammen", lüge ich und ich spüre Becks Hand, die meine fester umschließt. Sie weiß genau, dass ich die anderen nach Strich und Faden verarsche. Wer blöde Fragen stellt, bekommt von mir noch blödere Antworten. „Seit letzter Woche, wissen wir nun mit Sicherheit, dass Becks schwanger ist. Wir wollten es euch eigentlich noch nicht so bald sagen, aber das wäre nicht Richtig. Ihr seid schließlich unsere Freunde". Am Tisch wird es mucksmäuschenstill und alle halten die Luft an. Alle außer Paige, die den Braten schon gerochen hat und lauthals loslacht. „Findest du das Witzig", fragt Sarah verärgert. „Gage wirft sein ganzes Leben weg und kann jetzt Windeln wechseln". Ich lehne mich vor, wobei ich Becca loslassen muss. „Mal ganz ehrlich, habt ihr etwas anderes von mir erwartet". Sarah schnaubt wütend. „Du hättest erfolgreicher Calf Roper werden können. Das ist jetzt vorbei". Tyler ist ungesund bleich im Gesicht und ich bin gezwungen, die Lüge aufzudecken, bevor noch einer von denen stirbt. „Keine Sorge, ich habe euch nur verarscht. Niemand ist schwanger". Dann lege ich wieder meinen Arm um meine Freundin und ziehe sie an mich. Tyler bekommt wieder etwas Farbe, aber richtig glücklich sieht er noch nicht aus. Vermutlich macht ihm Becks Verhalten zu schaffen. Sie behandelt ihn wie Luft, was ich durchaus verstehen kann. Tyler ist mein bester Freund und wir verbringen viel Zeit miteinander. Dass ihn meine Freundin nicht mag ist natürlich ein Problem. Gar keine Frage. Aber ich bin mir sicher, dass ich das schon irgendwie gerade biegen kann. Während die anderen frühstücken, beschäftige ich mich mit Becca. Sie spielt mit meinen Fingern und verhakt sie ineinander. Ab und zu küssen wir uns lange und behutsam. Wir haben nur Augen füreinander und lassen kaum jemanden in unsere Atmosphäre eindringen. Es ist, als ob jemand eine Kuppel über uns gelegt hat und noch nicht einmal die Stimmen unserer Freunde hindurchdringen können. Ihr Stimmengeschwirr vernehme ich nur am Rande und vermute, dass es Becca genauso geht.

Auf der Rückfahrt, teile ich die Leute anders auf und quetsche Sarah und ihre bissigen Bemerkungen über unsere frische Beziehung in Paiges Honda. Dort sitzt sie nun auf dem Beifahrersitz und bestraft mich mit bösen Blicken. Allerdings schere ich mich einen Scheiß darum. Tyler fährt meinen Mustang und Jo sitzt auf dem Beifahrersitz, während Andy mit uns auf der Rückbank hockt und sich an die Tür quetscht, damit er uns nicht zu nahe kommt. „Das ist voll ekelig mit euch. Ständig diese schlabbernden Schmatzgeräusche. Könnt ihr euch kein Zimmer nehmen". Ich beachte ihn gar nicht, aber Becks Wangen glühen und ich verliebe mich jede Sekunde noch stärker in sie. Verlegen streicht sie sich einer dieser widerspänstigen Haare aus dem Gesicht. „Er hat recht, wir sollten jetzt brav sein". Ich möchte nicht, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Deshalb nicke ich und streiche nun selbst diese Strähne aus ihrem Gesicht. Aber auch bei mir will sie nicht hinter ihrem Ohr bleiben.

Am Nachmittag sind wir wieder Missoula. Dort hat es keinen Tropfen geregnet und wir beschließen, Party bei Bradys Weiher zu machen, weil wir noch jede menge Bier haben und alle noch in Feierlaune sind. Aber nachdem es gegen Abend zuzieht und fette Wolken Regen ankündigen, blasen wir die Party am Weiher ab und verlegen sie in mein Haus. Wir machen einen Filmabend und Tyler nimmt die DVD's mit. Ich weiß schon jetzt, dass nicht ein Streifen dabei sein wird, dessen Altersbeschränkung über Vorschulalter hinausgeht. Aber eigentlich ist es mir egal. Vermutlich werde ich meine Finger eh nicht von Becca lassen können. Sie kommt mit Paige um halb fünf, viel zu früh. Das stört mich nicht, ganz im Gegenteil. Es sind zwar erst zwei Stunden vergangen, seit ich sie bei Jason abgeladen habe, aber trotzdem habe ich sie vermisst. Das ist nicht neu. Es war schon die ganze Zeit so. Wenn ich sie nicht um mich habe, vermisse ich etwas und ich bereue diese Wochen, bei denen ich ihr aus dem Weg gegangen bin. Sie hat sich umgezogen und ihr Duft lässt mich erahnen, dass sie auch Duschen war. Ich bin gerade in der Küche zugange, als sie hinter Paige ins Haus kommt und mir verschlägt es die Sprache. Becca hat ein Kleid an, dass ich noch nie an ihr gesehen habe. Es ist ein schwarzes Wollkleid, ziemlich kurz und tief ausgeschnitten. Vermutlich trägt sie einen Push up BH, weil ihre Brüste unnatürlich weit nach oben gequetscht werden. Mir gefällt der Anblick, gar keine Frage. Aber er wird den anderen genauso gefallen und ich möchte nicht, dass Andy, Ben oder Tyler so viel von ihr sehen. Sie sieht rattenscharf aus und sie gehört mir. Eigentlich möchte ich sie bitten, dass sie sich umziehen soll, aber ich weiß genau, dass sie das nicht tut und lasse es um keinen Ärger herauf zu beschwören. Ich werde eben gut auf sie achtgeben und meine Freunde gegebenenfalls erwürgen müssen, falls sie Becks nur ansehen. Paige verschwindet im Wohnzimmer und macht es sich auf der Couch gemütlich, sodass ich mit Becca alleine bin. „Du machst Nachos", fragt sie mich und schaut mir auf die Finger. „Das sind Taccos Becks. Nachos sind eher so eine Art Kartoffelchips". Sie grinst bis zu den Ohren. „Weiß ich doch. Ich wollte nur sehen, ob du das auch weißt". Ich lache laut über ihren lahmen versuch sich heraus zu reden. „Du hast Glück Becks. Dein Freund ist nicht gerade der dümmste". Ich deute mit dem Kochlöffel auf mich und sie nimmt in mir ab. Dann leckt sie diesen anzüglich ab und ich keuche auf, als ich mir vorstelle, was diese Zunge noch alles kann. Seit wann ist sie so versaut. Schlagartig bin ich geil und würde sie am liebsten über meine Schulter werfen um sie in mein Schlafzimmer zu bringen wie ein Neandertaler. Becca stellt den Löffel in die Spülmaschine und fängt an, die Töpfe zu spülen. Von jetzt auf gleich, hat sie sich von dem bösen Mädchen in eine Art Hausfrau verwandelt. Becks ist einfach unberechenbar. Kopfschüttelnd wende ich mich wieder meinen Vorbereitungen zu und hacke Salat klein. Es soll wirklich Leute geben, die Salat klein reißen. Blatt für Blatt. Ich nicht. Ich hacke die Salatkugel in der Mitte mit einem großen Küchenmesser in zwei Hälften und entferne dann den Strunk und die welke Blätter. Dann hacke ich ihn klein. Das spart viel Zeit und schmeckt auch nicht anders als mühseelige Handarbeit. Es ist ja nicht so, dass ich ihn in den Mixer werfe um ihn klein zu häckseln. Wie das ausgeht, weiß ich schon und ich habe keine Lust, es noch einmal zu wiederhohlen. Mit Zwiebeln, funktionert das ganz gut. Aber ganz Gewiss nicht mit Salat. Er wird zu einem ekeligen, grünen Brei. Becca behaupt, ich könne gut kochen. Ich glaube, dass sie lügt um nett zu mir zu sein. Zwar behauptet sie das schon seit ein paar Wochen, genau genommen seit ihrer Ankunft, aber ich kaufe ihr das nicht ab. Für mich und meine Freunde reicht die Kochkunst. Ich habe das eigentlich soweit selbst beigebracht. Schließlich wohne ich nun seit einiger Zeit, komplett alleine. Das Haus sieht auch ganz in Ordnung aus, für einen Junggesellen im Teenager- Alter. Schätze, dass andere Haushalte, bei weitem schlimmer aussehen. Bei mir ist es ordentlich und vor allem sauber. Vielleicht liegt das aber daran, dass ich selten zu Hause bin und auch keinen Dreck mache. Meine Hunde habe ich draußen in ihren Zwingern. Es ist eher selten, daß ich einen von denen ins Haus lasse. Dass Becks ein wenig Angst vor ihnen hat, ist ein weiterer Grund. Meine Hunde sind keine Kuscheltiere. Genau genommen sind sie das genaue Gegenteil. Ganz anders als Rickys Bernhardiner. Den hat sie schon ins Herz geschlossen und umgekehrt verhält es sich genau so. Der häßliche, fette Köter ist ganz vernarrt in sie. „Bleibst du heute Nacht hier", frage ich sie irgendwann. Gina dreht sich über ihre Schulter und hebt eine einzige Augenbraue in die Höhe. „Bist du auch anständig oder hast du andere Absichten". Ich kratze die Salatfetzen vom Schneidebrett und beginne, die Paprika zu würfeln. „Das entscheidest ganz du Becks. Ich werde tun, was du willst".

Der Abend wird ganz unspektakulär. Zuerst essen wir, dann spülen die Mädchen ab und die Jungs rauchen Gras. Alle außer Tyler. Er hat das noch nie getan und wir zwingen ihn auch gar nicht. Ich glaube Becks ist froh, sich ablenken zu können. Sie war beim Essen ziemlich still, während wir anderen herumalberten. Tyler hat die DVD vergessen und eigentlich sind wir alle erleichtert. Wir sind mittlerweile aus dem Disneyalter heraus gewachsen. Trotzdem wechseln wir ins Wohnzimmer um dort ein paar Biere zu trinken. Irgendjemand, ich glaube Sarah, kommt dann im angeheiterten Zustand auf die blödsinnige Idee, Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Ich hasse dieses Spiel, weil immer Streit vorprogrammiert ist. Die anderen sind jedoch dafür und ich gebe mich geschlagen. Jo holt eine leere Whiskey Flasche aus der Küche und legt sie auf meinen Couchtisch. Sarah dreht als erst, weil sie das Spiel vorschlug. Das sind unsere Regeln. Sie reibt sich theatralisch die Hände und gibt der Flasche Schwung. Paige verdreht die Augen, als der Hals auf sie Zeigt. „Wahrheit", sagt sie. Paige hat keine Probleme immer alles preiszugeben. Weder von sich noch von sonst jemanden. Sie ist ein Klatschmaul. „Ok. Hast du schon jemanden unter der Tribühne geküsst". Paige wird knallrot und wirft Ben einen flüchtigen Blick zu, der alles erklärt. Sie nickt. „Wen", fragt Sarah, als ob sie das nicht wüßte. „Nur eine Frage", erkläre ich ihr die Regeln. Paige grinst mich an und bedankt sich stumm für die Rettung. Dann nimmt sie die Flasche in die Hand um sie zu drehen. Wie durch Zufall, zeigt sie auf mich. „Pflicht", sage ich gelangweilt. Meistens muss man einen Shot vernichten. Ich könnte gut einen gebrauchen. „Du musst Becks küssen". Alle stöhnen genervt auf. „Das tut er doch neuerdings den ganzen Tag. Ich finde das langweilig", sagt Jo. Ich küsse meine Freundin und nehme die Flasche in die Hand. Der Hals bleibt bei Andy stehen. „Pflicht". Ich mache eine Fingerbewegung, die Shot bedeutet, weil ich meine Lippen immer noch auf Beccas gepresst halte. Manchmal frage ich mich, ob Sarah eine Art Abwehrmechanismus gegen den Flaschenhals entwickelt hat. Der Hals deutet selten bis gar nicht auf sie. Wir alle, sind schon zum dritten mal dran, als er immer noch nie auf sie gezeigt hat. „Wir wechseln die Plätze" sage ich. Sarah zuckt gelangweilt mit der Schulter und Paige dreht die Flasche. Ich bin dran und trinke einen Shot. Dann ist Tyler dran mit trinken und er schafft es, dass der Hals auf Sarah zeigt. Sie trinkt auch einen Shot. Ich möchte gerade aufgeben und ein anderes Spiel vorschlagen weil es langweilig wird und Becca schon ziemlich betrunken, als Sarah protestiert. „Nur noch einmal Gage. Es ist doch gerade so lustig". Becca lehnt sich an meine Schulter und der Flaschenhalt zeigt auf sie. „Nimm Wahrheit, du hattest schon so viele Shots", ermahne ich sie leise. Sie stimmt zu und gerade als Sarah den Mund aufmacht, erkenne ich die böse Absicht der Frage. „Sie nimmt Plicht", sage ich laut und bestimmend. „Her mit dem Shot". Ich strecke meine Hand aus, doch Sarah schüttelt ihren Kopf. „Keinen Shot, sie soll Tyler küssen, so richtig mit Zunge. Eine Minute lang, vor uns allen". Ich würde sie am liebsten hinauswerfen, aber das ist nicht meine Art. Vor allem bei meinen Freunden. „Sie macht das nicht", sage ich. „Keine Chance". Ich lege Becca, die zu einer Säule erstarrt ist, den Arm um die Schultern. „Das sind die Regeln", ruft Jo beleidigt. „Wir haben uns alle schon einmal geküsst. Sogar du Gage. Letzten Sommer hast du Tyler geküsst, weißt du nicht mehr". Becca dreht sich zu mir und schaut mich mit großen Augen an. „Danke Jo und nein, ich habe das erfolgreich verdrängt. Das war eine einmalige und nicht gerade angenehme Sache". Tyler verschränkt lachend seine Arme vor seiner Brust. „Sag bloß, ich bin nicht dein Typ". Ich klimpere mit meinen Wimpern und verstelle meine Stimme. „Sorry Kleiner, du bist wirklich nicht mein Typ. Ich stehe nicht auf Texaner". Nachdem alle Gelacht haben, denke ich, dass Plicht jetzt vom Tisch ist und alle vergessen haben, dass Becca noch meinen besten Freund küssen soll. Aber Sarah ist weder dumm, noch betrunken. „Küssen", ermahnt sie böse. Beccas Hände zittern. „Du musst das nicht tun". Meine Freunde sind alle lautstark dafür, dass sie Tyler küsst. Sogar Paige. Ich muss mit ihr morgen ein ernstes Wort reden. Als Becca sich aufrichtet, weiß ich, dass sie es durchziehen wird um nicht als Lusche dazustehen. „Wie wäre die Frage denn ausgefallen", fragt Paige. Blöde Kuh rufe ich in Gedanken. Sarah wirft sich arrogant die blonden Haare zurück. „Ich hätte gerne gewußt, ob sie den Push up wegen Tyler trägt. Du weißt schon, weil er sie doch als"-. Ich werfe ihr einen vernichtenden Blick zu und Sarah verstummt augenblicklich. „Setzt dich wieder Becca", fordere ich sie auf und nehme ihre Hand. „Nichts da", rufen die anderen. Wir sind alle Freunde, eine Clique. Wenn sie dazugehören will, muss sie das tun". Ich schließe meine Augen um meine aufsteigende Wut zu unterdrücken


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