Wir singen die Lieder, die Lieder der Freiheit

116 17 2
                                    

Der nächste Morgen verstrich nur langsam und ich war froh, als die Schule vorbei war.

Ich hatte mich kein bisschen konzentrieren können, stumm und zusammengesunken auf meinem Platz gesessen.

Ich war froh, als ich das karge Klassenzimmer endlich verlassen konnte.

Wie immer warfen mir die anderen Schüler komische Blicke zu. Teilweise abstoßend, aber auch mitleidig.

Amy, einst meine beste Freundin lief an mir vorbei, so als gäbe es mich nicht mehr.

Es war interessant, wie manche Menschen so schnell ihr wahres Gesicht zeigten, wenn es riskant wurde.

Gleichgültig verließ ich den grauen Gang mit den zerbeulten Schließfächern und trat auf den Schulhof.

Es war mir schon lange egal, was die anderen dachten.

Gras überwucherte die eins große Betonfläche auch hier hatten sich viele Schlaglöcher gebildet.

Klar, wenn seit etwas weniger als 30 Jahren nichts mehr investiert wurde.

Warum konnte nicht jetzt schon Abend sein?

Das Kribbeln in meinem Bauch wurde stärker.

Schnell guckte ich nach unten, damit niemand mein Lächeln sah.

Niemand hatte es verdient, an einem Glück teilzuhaben!

Ich überquerte die Betonfläche und setzte mich auf die Steinmauer, die den Hof begrenzte. Hier hatten Jayden und ich unsere erste Botschaft hinterlassen. Das war vor zwei Jahren gewesen.

„Wir singen die Lieder, die Lieder der Freiheit" hatten wir geschrieben und darunter einen Vogel gemalt. Der Vogel war das Zeichen der Rebellen.

Von der Botschaft war nichts mehr übrig.

Mein Blick fiel auf die Feder auf an meinem Handgelenk.

Ich fühlte mich wie ein gefallener Vogel.


Mein Blick blieb an dem Schulgebäude hängen. Es hatte schon vor vielen Jahren seinen Glanz verloren.

Alles schien trostlos und triest zu sein.

So als sei mit Jayden die Farbe aus meinem Leben verschwunden.

Fast zumindest, denn mein Vater und meine Schwester verhinderten, dass alles schwarz und weiß wurde.

Meine Schwester hatte noch wenige Minuten Unterricht und ich wartete auf sie. Allerdings hatte sich der Himmel zugezogen und verdeckte die Sonne. Es würde bald regnen und ich hatte keine Jacke dabei.

In diesem Moment ertönte die Schulglocke und meine Schwester kam kurz darauf über den Schulhof angerannt.

„Da bin ich" sagte sie ganz außer Atem.

„Na dann" ich lächelte „Wir sollten uns ein wenig beeilen, es sieht nach Regen aus"

Mia nickte und wir gingen los.

„Ich habe eine eins geschrieben" verkündigte nach einigen Minuten stolz.

„Hey, das ist doch toll! In welchem Fach denn?"

„Mathe."

„Uh, das werde ich nie schaffen!"

„Es ist gar nicht so schwer."

„Sagst du" neckte sie mich.

Sie lachte verschmitzt „Ja genau."

Wir lachten beide los.

In diesem Moment fing es an zu regnen und wir begannen zu rennen.

Völlig durchnässt kamen wir Zuhause an und flüchteten in den warmen Flur.

„Das ist ja ein Vogel!" sagte meine Schwester auf einmal.

Ich fuhr zusammen und blickte auf mein Handgelenk. Die schwarze Farbe war völlig verlaufen und der Falke war deutlich zu erkennen.

„Ja. Ich mag Falken" antwortete ich schnell.

„Warum versteckst du ihn?"

„Ich...es ist ein Geheimnis. Bitte versprich mir, es niemandem zu verraten. Es könnte gefährlich werden."

Ernst nickte sie.

Ich lachte. „Ich weiß, dass du das Geheimnis gut behüten wirst!"

„Ehrenwort" sagte sie und hielt ihre Finger hoch.

Ich wuschelte ihr durch die Harre und sagte „Was meinst du, sollen wir uns etwas zu Essen machen?"

Essen...Naja....entweder Suppe oder Spiegelei.

Mehr gab es hier in dem ärmsten Teil des Landes eben nicht.

Zumindest für uns.


VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt