Seite an Seite

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Der Zug ruckelte über die Gleise vor sich hin und brachte uns in Richtung Stadt.

In die Höhle des Löwen.

Ins Verderben.

In den Tod.

Die Hölle.

Und vielleicht in die Freiheit.

Vielleicht.

Seite an Seite lehnten wir an der Wand des leeren Güterwagens.

Jayden schlief.

Ich starrte in die Dunkelheit.

Wir hätten uns so viel zu erzählen gehabt.

Doch wir hatten geschwiegen.

Seite an Seite.

Ich hatte das Gefühl, dass sich zwischen uns etwas geändert hatte.

Früher hatte Jayden immer etwas verloren gewirkt. Vielleicht, weil er nicht wusste, wo er hingehört hatte.

Das war jetzt anders. Jayden wirkte noch selbstbewusster als noch vor einen halben Jahr und hatte eine anziehende, für sich gewinnende Ausstrahlung.

Vielleicht, weil er jetzt wusste, was er tat, warum er es tat?

Ich wusste es nicht.

Wir waren ein super Team gewesen. Er hatte mich immer zu allem überredet, aber ich hatte mir die Texte, die Parolen ausgedacht. Ich war die, die mit „Sprache Zaubern konnte"...noch so ein Formulierung von Jayden.

Wir waren ein super Team gewesen.

Seite an Seite.

Jayden bewegte sich und wachte auf. Verschlafen nahm er den Kopf von meiner Schulter und blickte zu mir.

„Hey, du schläfst ja gar nicht. Was ist los?"

Noch so eine Sache, die nur Jayden konnte. Er sah immer, wenn mich etwas bedrückte. Wahrscheinlich, weil er ständig beobachtete.

Ich zuckte die Schultern.

Jayden setzte sich schräg neben mich und legte den Kopf schief.

„Was ist los Hm...?"

Ich blickte den Boden an und schloss die Augen.

„Jayden, was machen wir hier überhaupt? Was soll das bringen?"

Jayden rückte wieder zu mir und nahm mich in den Arm.

„Du hast Angst, das verstehe ich. Aber in er Stadt wirst du alles verstehen."

„Du bist so anders geworden" sagte ich zögernd.

„Da hast du auch Recht. Ich weiß jetzt, was ich machen soll. Ich habe ein Ziel. Das hat mich verändert. Du bist aber auch nicht mehr die, die verlassen habe." Er sagte es liebevoll.

„Wie habe ich mich verändert?" fragte ich in die Dunkelheit hinein.

„Du bist blasser geworden. Wirkst oft alleine, traurig und nachdenklich. Du bist so Still und das Feuer in deinen Augen lodert nicht mehr."

Ich schloss stumm meine Augen. Wie Recht er doch hatte.

Das traurige war, dass ich es nicht einmal gemerkt hatte.

„Aber keine Sorge, das bekommen wir schon wieder hin! Ich weiß, dass die Zeit schwer für dich war."

Ich seufzte. „Vielleicht schlafe ich jetzt doch ein bisschen"

„Schlaf gut mein Vogel" flüsterte er und ich lehnte mich an seine starke Schulter.

Meine Augen fühlten sich auf einmal schwer an und ich ließ sie zufallen.

Vielleicht war doch nicht so viel anders zwischen uns.

VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt