Jeder Moment tut unendlich weh

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Am nächsten Morgen brachen sie auf.

Jayden sollte in drei Tagen hingerichtet werden.

Sie wollten keine Zeit verlieren.

Es wirkte so unrealistisch.

Schon vor anderthalb Wochen hatte Jayden mich verraten.

Es kam mir vor, wie zwei Tage.

Ich achtete nicht auf sie, als sie die Station verließen, sondern ging zu Julien. Ich musste etwas fragen.

Vorsichtig klopfte ich an seine Bürotür.

„Herein" rief er und ich trat ein.

„Raven, schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?"

Ich nahm Platz. „Gut, danke der Nachfrage. In ein paar Tagen werde ich wohl wieder einigermaßen Fit sein."

„Das ist schön zu hören. Was kann ich denn für dich tun?"

„Kelu sagte mir einmal, dass ich eine Freiheitsrede halten solle. Ich verstehe das nicht ganz."

„Ja ich weiß, Frühling gab mir den Mitschnitt. Es ist so, dass Jayden meinte, dass du gut reden und schreiben könntest. Manchmal ist Sprache eben mehr als eine einzelne Waffe, dann wird Sprache zur Waffe.

Wir wollen in der nächsten Zeit Propaganda machen, übers Fernsehen und Radio. Aber wenn wir im Palast sind und die Regierung dort stürzen, wollen wir, dass du dich an die Menschen wendest und sie ermutigst.

Alleine ist die Revolution nicht möglich, wir brauchen alle.

Das ist die Freiheitsrede, von der Kelu gesprochen hat. Keine Ahnung, woher sie diese Information nun schon wieder hat."

„Ich mache das" antwortete ich sofort. Wenn ich etwas für diese Revolution tun konnte, dann das. Körperlich war ich sowieso nicht rechtzeitig fit. Angeblich sollte es in den nächsten Wochen schneien.

Ich verkrümelte mich wieder in meinem Zimmer, dass eigentlich ein Krankenbett war.

Meine Gedanken fingen an, sich zu formen und eine Rede zu bilden.

Aber es gab etwas, was mich immer wieder innehalten ließ.

Jayden.

Was tat ich wohl, wenn er wieder zurückkam?

Er hatte mich verletzt, enttäuscht und verraten.

Ich konnte und wollte ihm das nicht verzeihen.

Würde ich ihm überhaupt noch in die Augen sehen können?



Den Nachmittag über schrieb und arbeitete ich an meiner Rede und merkte gar nicht, wie ich bei der Arbeit einschlief.

Mitten in der Nacht wurde ich von einem heftigen rütteln geweckt.

Müde schlug ich meine Augen auf blickte in die entsetzten Augen meines Vaters.

„Was ist los?" fragte ich, plötzlich hellwach.

„Die Rettungsaktion..."

„Ist Jayden wieder da?" fragte ich, doch der Blick meines Vaters sagte etwas anderes.

Entsetzt schlug ich mir die Hand vor den Mund.

Flo.

„Ist Flo...?"

Mein Vater schüttelte den Kopf.

Meine Augen füllten sich mit Tränen.

Nicht sie. Nicht dort. Nicht so.

VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt