Sie werden fliegen, in die Köpfe der Menschen

30 7 0
                                    

Da stand ich nun.

Hoch über den Dächern der Stadt.

Das vertraute Ungetüm aus Beton und Stahl lag leuchtend unter mir. Die Stadt war nur noch ein Mittel zum Zweck...

„Hey, wir müssen weiter" riss mich Frühling aus meiner Betrachtung.

„Natürlich, Sorry" antwortete ich und lief ihm weiter hinterher.

Hoch über den Dächern der Stadt rannten wir über dunkle Stege und bahnten uns unseren Weg, ungesehen von den Wachen unter uns.

Jayden lief dicht hinter mir.

Zu dritt rannten wir durch die tiefe Nacht.

Wir hatten mit den Vorbereitungen begonnen.

Nicht die, um den Stick zu besorgen, sondern die, um die Revolution ganz langsam einzuleiten.

In dieser Nacht waren wir Boten.

Die Rucksäcke, die wir drei trugen waren schwer.

Wir liefen weiter.

Ich würde froh sein, wenn ich ihn los war.

Die schmalen Stege waren rutschig und wir mussten aufpassen.

Endlich erreichten wir unser Ziel.

Die kleine Vorrichtung am Rand des Hochhauses war unauffällig und doch wirksam.

„Okay, die Rucksäcke bitte" sagte Jayden und hatte sich schon hingekniet.

Frühling und ich streiften sie ab und stellten sie neben ihn.

Jayden öffnete seinen und zog einen Packen Blätter heraus. Schnell spannte er sie ein und tat dies mit unseren Blättern auch.

*

Müde ging ich über den Vorplatz des Palastes zur Arbeit.

Die Temperaturen waren immer weiter gefallen.

Es fror jetzt jede Nacht.

Noch eine Minute bis acht Uhr.

Schnell unterdrückte ich ein Gähnen und verlangsamte meine Schritte.

Noch 30 Sekunden...

Fast schon blieb ich stehen, aber ich zwang mich, weiterzugehen.

Wer wusste schon, wer mich beobachtete.

20 Sekunden...

Mein Blick richtete sich in den bewölkten Himmel.

Es war bewölkt.

Ich erreichte die Mitte des Platzes.

10 Sekunden...

Neun, acht... zählte ich im Kopf mit.

Überall waren Menschen zu sehen, die den Platz benutzen, um zu ihrer Arbeit zu kommen.

Null...

Auf einmal, ohne einen Ton fing es an zu schneien.

Es schneite Papier.

Tausende Flugblätter flogen durch den Himmel.

Die Menschen blieben stehen und ich tat es ihnen gleich. Ein Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus. Überall in der ganzen Stadt schleuderten unsere kleinen Vorrichtungen Tausende Flugblätter in den Morgenhimmel und verkündigten folgende Nachricht:

„Es ist Zeit, endlich aufzublicken und der Wahrheit ins Gesicht zu schauen.

Steht auf und lernt fliegen.

Der Vogel"

Auf anderen stand:

„Erkennt die Lügen unseres Systems, oder geht es euch gut?

Der Vogel"

Hunderte dieser Nachrichten suchten sich ihren Weg zu den Menschen.

So poetisch sie auch waren, ihre Nachricht war deutlich.

Es war die größte Flugblattaktion in der Geschichte unserer Revolution.

Ich schnappte mir ein Blatt und ging weiter zum Eingang. Schnell war ich oben und ging in das Büro.

„Guten Morgen" grüßte ich meinen Chef und legte das Blatt auf seinen Schreibtisch.

Er hatte mir befohlen, ihm Flugblätter mitzubringen, wenn ich welche fände. Er las es sich durch, zerknüddelte es und war es in seinen Papierkorb. „So ein Drecksvolk. Ausgerottet gehören die" schnaubte er.

Ich nickte brav.

„Was hältst du davon?"

„Ich verurteile diese Ansichten" gab folgsam zurück.

Er nickte zufrieden und ich verstand das als Zeichen, zu meinem Schreibtisch zurückzukehren.

Mein Chef vertraute mir. Das war gut, denn über ihn würde ich an den Aufenthaltsort des Sticks kommen.

Ich spielte mit ihm ein perfides Spiel. Sollte er mir ruhig vertrauen.

Verlasse dich niemals zu sehr auf irgendwen, denn selbst dein eigener Schatten verlässt dich wenn es dunkel wird.

An dem Sprichwort meiner Mutter war etwas Wahres dran und sobald ich diese Information hatte, war ich weg.

VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt