Mensch

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Am Abend, nach meiner Arbeit war ich ganz aufgewühlt.

Ich dachte an Kelu in unserem Keller.

Durfte man einen Menschen einfach so einsperren?

Nein!

Aber war das einfach so?

Was wusste ich schon über Kelu?

Nichts.

Aber ich wollte etwas über sie herausfinden.

Sie besser verstehen.

Verstehen, wer sie war und was sie machte.

Warum sie es machte.

Ich nahm einige Scheiben Brot, einen Becher voll Wasser und ging zu dem Teppich.

Man musste einen Menschen immer komplett sehen, bevor man sich ein Bild über andere machen durfte.

Ich hob den Teppich an.

Ich zögerte.

Ich hielt inne.

Es steht niemandem zu, über andere zu urteilen oder zu werten, dafür kennen wir sie niemals gut genug"

Ich schüttelte die Worte meiner Mutter aus meinem Kopf.

Das hatte ich ja auch gar nicht vor!

Ich wollte sie einfach nur kennenlernen.

„Was machst du?" fragte mich Jayden auf einmal.

Ich zuckte und ließ den Teppich wieder fallen.

„Ich wollte mit Kelu reden."

„Okay, aber nimm ihr auf gar keinen Fall die Augenbinde ab! Sie darf uns unter gar keinen Umständen sehen!" es behagte ihm gar nicht, dass ich mit ihr reden wollte.

„Ja gut" antwortete ich und rollte den Teppich erneut beiseite.

Warum hatte Jayden so eine Angst?

Wovor?

Ich sah sie. Die Angst.

Sah sie in seinen grünen Augen.

Etwas, was nur ich konnte.

Unter dem Teppich kam die Luke zum Vorschein und ich klappte sie hoch.

Eine dunkle Treppe kam zum Vorschein.

Ich schluckte.

Und stieg sie hinab.

Unten war es kalt und dunkel.

Unangenehm.

Ich tastete nach einem Lichtschalter und machte eine kleine Lampe an.

Vor mir war eine massive Türe aus dunklem Holz.

Ich öffnete sie.

Vor mir im Dunkeln lag Kelu zusammengekauert und schlief.

Sie war mit einer Kette an die Wand gefesselt.

Verstört schlug ich die Türe wieder zu.

Das war grausam.

„Raven, die Regierung ist grausam"

Ja.

Nein.

Wir waren nicht die Regierung.

„Wir wollen nicht, dass sie abhaut und uns verrät" erklärte hinter mir eine sanfte Stimme.

Erschreckt wirbelte ich herum und ließ den Becher mit Wasser fallen.

Ich hatte ihn nicht kommen gehört.

Lino.

Er merkte, wie aufgewühlt ich war und blickte mich intensiv an.

Die Glühbirne flackerte.

„Raven, wir machen das doch nur, weil wir Angst haben. Angst um unser Leben. Wir kennen Kelu. Sie verkauft Informationen. An jeden und Kelu ist schlau. Sie merkt sich alles und weiß viel. Viel zu viel. Sie verknüpft Dinge, auf die niemand kommt und das schlimmste ist, sie steht auf keiner Seite. Sie ist ihre eigene Seite. Eine dritte Seite und die ist gefährlich."

„Woher weißt du das alles?" fragte ich verwirrt.

„Weil sie die ist, die meine Familie verkauft hat."

VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt