Happy End

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Ein Happy End hängt immer davon ab, wo man die Erzählung abbricht.

Richtig?

Aber was, wenn es kein Vorne und kein Hinten gibt?

Ich könnte hier aufhören zu erzählen, klar, aber das wäre unfair.

Es war noch immer Winter.

Es hatte weiter gescheit und ein Meter Schnee verhinderte, dass wir zur Schule gehen konnten.

Die fand im Moment sowieso nicht statt. Das Schulsystem wurde Reformiert.

Ich hatte Zeit, mir zu überlegen, wie meine Zukunft aussehen könnte, was ich werden wollte.

Glücklich war ich schon, also wollte ich mir einen Beruf suchen.

Ich lag also überlegend auf dem Sofa und starrte nachdenklich die Decke an, als Finn oder Hendrik auf mir landete. Ich konnte die Zwillinge nicht auseinander halten.

Seit fünf Leute mehr im Haus waren, war es richtig Laut und unruhig geworden.

„Hey" beschwerte ich mich und stieß ihn runter. Er lachte und warf mich mit einem Kissen ab.

„Ich kapituliere" seufzte ich und verließ fluchtartig das Wohnzimmer.

Im Flur zog ich mir schnell Schuhe und Jacke an und verließ das Haus.

Draußen war es kalt, aber es fühlte sich angenehm an. Irgendwie erfrischend.

Automatisch trugen mich meine Füße zum Wald.

Hier war der Schnee nicht ganz so hoch und ich suchte mir meinen Weg zwischen den kargen Bäumen hindurch, immer tiefer in den Wald hinein.

Irgendwann stand ich an unserem Kirchbaum und blickte in die Baumkrone.

Hier war ich also wieder.

Wie schon so oft.

Aber diesmal war es anders.

Ich hatte das Gefühl, dass es ein Abschied war.

Ein Abschied von Jayden.

Wo auch immer er grade war, ich hoffte, dass er glücklich war. Trotz allem hatte er das doch irgendwie verdient - oder?

Ich wollte grade wieder gehen, als ich im Schnee Fußabdrücke sah.

„Jayden?" rief ich in den Wald hinein, doch erhielt keine Antwort.

Enttäuscht ging ich wieder nach Hause zurück.


Die Wochen zogen sich dahin und der Schnee begann wieder zu schmelzen und irgendwann war er ganz weg.

Ich vergaß aber die Abdrücke im Schnee nicht wieder.

Jede Woche ging ich zu dem Baum und jede Woche sah ich die Abdrücke im Schnee.

Bis der Schnee weg war.

Dann waren Wahlen.

Es hatten sich mehrere Interessenverbände zusammengefunden und es sollte nun entschieden werden, welche die nächsten Jahre regieren sollte.

In der Schule hatte man uns erklärt, was eine zwei Drittel Mehrheit sei und was unsere Wahl bedeutete.

Eine Stimme, die entschied, was mit uns geschah.

Meine Lehrerin, sie war neu, sagte „Wer nicht wählt, wählt auch." Ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was sie meinte.

Der leere Platz neben mir blieb. Lino war schon fertig mit der Schule und war in die Stadt zurück, um zu studieren. Er wollte Arzt werden.

Den Platz neben mir füllte keiner auf. Es war ironisch, welche Doppeldeutigkeit diese Worte hatten.

Julien und die übrigen Rebellen achteten darauf, dass alles funktionierte und keine „böse" Partei an die Regierung kam. Sie wollten sich in fünf Jahren, wenn alles klappte, zurückziehen.

Ich wählte die Partei, die Frühling geründet hatte.

Sie wollten die Wirtschaft neu aufbauen und dafür sorgen, dass viel geforscht wurde, damit sich die Wirtschaft erholen konnte.

Da kein Öl mehr da war, eben in andere Richtungen.

Ich fand das gut.

Nach der Wahl machte ging ich wieder in den Wald. Auch, wenn keine Fußspuren mehr da waren, merkte ich dennoch, dass immer wieder jemand bei dem Baum war. Es hätte jeder sein können, aber an diesem Nachmittag merkte ich, dass es Jayden gewesen war.

Unter dem Blätterlosen Baum lag eine Kirchblüte.

VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt