Millionen Lichter

72 11 3
                                    

Die Woche ging zu schnell vorüber und Sonntagabends setzte ich mich auf das Dach der Halle und betrachtete nachdenklich die leuchtende Stadt.

Millionen von Lichtern erhellte das Ungetüm aus Beton und Stahl.

Die Stadt leuchtete, hatte aber ihren Glanz verloren.

Sie war gefährlich und böse geworden.

Ein tödliches Abendteuer.

„Raven?"

„Ja?" ich drehte mich um. Lino stand hinter mir und hielt zwei Tassen mit dampfendem Tee in der Hand.

„Darf ich mich zu dir setzten?"

„Gerne. Ist eh ein bisschen einsam hier oben" sagte ich gleichgültig.

Er reichte mir die Tasse und setzte sich neben mich.

Eine Weile schauten wir gemeinsam auf die Stadt und schwiegen.

„Was macht Jayden eigentlich den ganzen Tag über?" fragte ich irgendwann.

Er hatte mit mir nicht darüber geredet.

Warum nicht?

„Er macht Botengänge und beobachtet die Stadt" erklärte er.

Lino schaute mich aufmerksam an.

„Du bist dir nicht sicher, warum er dich hergeholt hat, oder?"

„Ich weiß es nicht, aber das könnte irgendwie hinkommen." Ich lächelte schief und ich nahm einen Schluck des leckeren Tees.

„Er hat ständig von dir gesprochen Raven. Jayden mag dich wirklich."

Ich weiß.

„Er sagte, dass er für mich wiedergekommen sei, aber eigentlich bin ich doch wegen dieser Aufgabe hierhergekommen" murmelte ich und nahm noch einen Schluck von dem Tee.

„Er wollte nicht, dass du kommst, aber du warst unsere einzige Chance, die einzige, die diesen Job hätte machen können.

Jayden hat Angst um dich, wirklich. Von ihm aus wärst du niemals hergekommen."

Er nahm einen großen Schluck.

„Wir hätten dich aber auch so gefragt. Deshalb ist Jayden zu dir gekommen. Für dich" erklärte Lino sanftmütig.

„Na ihr beiden." sagte auf einmal jemand hinter uns.

Erschrocken drehten wir uns um.

Jayden.

Er stand da und lächelte uns beide an.

Es schien ihn zu belustigen, dass wir über ihn geredet hatten.

So war Jayden halt.

Er hatte bestimmt schon die ganze Zeit zugehört.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.

„Du böser Spion" sagte ich gespielt beleidigt.

„Ich geh mal wieder rein" sagte Lino und verließ das Dach.

Jayden setzte sich neben mich und legte einen Arm um mich.

Ich schmiegte mich an ihn.

„Raven. Ich bin so froh, dass du da bist, aber ich habe auch so verdammt Angst um dich. Bis jetzt hast du noch gar nicht gesehen, wie grausam diese Stadt sein kann.

Auf dem vergessenen Land kommt ja kaum etwas an."

Das war wahr. Von den meisten Dingen hatte ich bisher nur etwas gehört.

„Lino sagte, dass du Botengänge machst, aber ich wüsste gerne, was du wirklich machst. So etwas Triviales hättest du nicht verschwiegen."

Jayden Blick wanderte in die Stadt.

„Das kann ich dir erstmal nicht sagen. Falls du gefangen und gefoltert wirst, könntest du es verraten. Dafür ist es zu wichtig. Wer weiß, ob dein Arbeitgeber dir vertraut...wenn alles klappt erfährst du es in wenigen Wochen. Verstehst du?"

„Ja. Ich verstehe." sagte ich und ich verstand es wirklich.

Ich hatte das Gefühl, grade erst zu lernen, wie meine Realität wirklich aussah...

Das war kein Spiel.

Das war es wirklich nicht.

Schweigend sahen wir uns die Stadt an und genossen unseren gemeinsamen Abend, bevor mein Job begann.

Morgen begann der Anfang vom Ende.

Ab morgen war ich eine richtige

Rebellin!


VogelFreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt