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Ich hatte nie vor meine Heimatstadt Sunbridge, die in Michigan an einem der großen Seen lag, für so lange Zeit zu verlassen. Als ich vor fünf Jahren mit der High School fertig wurde und meine Sachen fürs College zusammen packte, hatte ich vor spätestens an Thanksgiving wieder zurück zu kommen. Wenn man sein ganzes Leben lang bis dahin am selben Ort verbracht hatte, war es komisch plötzlich so weit weg zu ziehen und in den letzten Tagen vor meinem Umzug klammerte ich mich daran, dass ich in drei Monaten wieder hier sein würde. Ich hatte Angst vor dem was mich erwartete und war traurig darüber, dass ich meine Freunde verlassen würde.

An Thanksgiving war ich dann nur drei Tage hier und hatte kaum Zeit jeden zu sehen, als ich ein paar Wochen später über die Weihnachtsferien zuhause war hatte ich mehr Zeit.

Dabei stellte ich vor allem fest, dass alle meine Freunde nun ein neues Leben hatten. Natürlich gab es immer noch die Clique, in der wir in der Schulzeit zusammen abhingen, aber jeder hatte plötzlich Lebensinhalte, von denen die anderen nicht wussten.

Neue Freunde, neue Gewohnheiten, neue Tagesabläufe.

Es war merkwürdig, dass wir uns teilweise fremd geworden waren, obwohl wir dachten, wir würden unser ganzes Leben lang die besten Freunde bleiben.

Am stärksten hatte sich die Beziehung zu Jen verändert. In der High School waren wir jeden Tag zusammen und nun war da plötzlich diese Distanz zwischen uns. Ich wusste nicht mehr über alles in ihrem Leben Bescheid und ich hatte das Gefühl, als würde sie mir alles, was bei ihr besser lief, unter die Nase reiben.

War ich am Ende der Schulzeit traurig darüber Sunbridge zu verlassen, freute ich mich nach Weihnachten wieder zurück nach Palo Alto zu können. Ich merkte auch, wie ich mich selber verändert hatte und wie die Stanford Universität mein neues Zuhause geworden war.

Trotzdem wollte ich die Sommerferien wieder bei meinen Eltern verbringen, aber daraus wurde nichts.

Nach den Ereignissen, die sich vor vier Jahren zugetragen hatte, fand ich die Vorstellung zurück nach Sunbridge zu fliegen als grauenvoll. In Palo Alto war alles so viel einfacher. Ich war weit weg von all den Dämonen, die bald zu meiner Vergangenheit wurden und somit keinen Platz mehr in meinem täglichen Leben hatten.

Die einzige Verbindung, die ich noch zu meiner Heimatstadt hatte waren meine Eltern, Sally und Cameron.

Sally war meine beste Freundin und die einzige von früher, die noch zu mir hielt, denn damals waren wir eine Gruppe von vier Mädchen.

Jen, Amber, Sally und ich.

Dabei war es schon immer so, dass Amber zu Jen und Sally zu mir hielt, weshalb es auch nicht erstaunlich war, dass ich auch zu Amber keinerlei Kontakt mehr hatte.

Sally lebte mittlerweile in New York. Sie hatte dort studiert und arbeitete bei einem Webdesinger, ihr Freund Zack, mit dem sie seit sechs Jahren zusammen war, zog nach dem College ebenfalls nach New York. Eigentlich dachte ich immer, dass die beiden die ersten wären, die sich das „Ja-Wort" gaben. Stattdessen war es nun Jen.

Sally war genauso schockiert wie ich und hatte zwei Wochen später dann ebenfalls eine Einladung bekommen. Und zwar eine richtige und keine, die heimlich vorbei gebracht worden war.

Es kränkte mich immer noch ein bisschen mehr, dass Jen sie einlud, aber mich nicht.

Als wäre ich diejenige die jetzt mit ihrem Ex zusammen war.

Die andere Verbindung war Cameron, denn er war mein bester Freund. Meine Mutter arbeitete im Autohaus seines Vaters und wir wuchsen gemeinsam auf. Allerdings hatten wir nur noch recht sporadisch Kontakt. Cameron war immer unterwegs und meistens schrieb er nur eine kurze Nachricht, ob alles in Ordnung sei und das war es dann auch schon. Deshalb wusste er auch nicht, dass ich gerade im Flieger nach Hause saß.

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