Kapitel 20

30 3 0
                                    

Luna POV

Das Leben hätte wirklich so schön sein können... hätte Jo, dieses verdammte Schwein, uns in Ruhe gelassen.
Die Tage ohne Louisa zu verbringen, das war nicht ganz das, was ich mir vom Internatsleben und von meinem neuen Schwarm erhofft hatte. Die Pausen verbrachte ich mittlerweile in der Schulbibliothek und steckte dort meine Nase in irgendwelche Lehrbücher, anstatt mit meiner Schwester auf dem Schulhof zu tratschen. Klar, auf meine Noten hatte das gute Auswirkungen, aber auf meine Psyche? Nicht wirklich, denn nun wusste ich, was es hieß, allein sein zu müssen. Noch vor einer Weile hatte ich völlige Einsamkeit in den Himmel gepriesen und mich jedes Mal gefreut, wenn ich ein bisschen Zeit für mich hatte. Mittlerweile fragte ich mich, was mich zu diesem Denken veranlasst hatte. Wahrscheinlich war es Egoismus, Verträumtheit und einfach meine gesamte, grottige Weltanschauung.
Ich war wohl jetzt offiziell bei Selbsthass angekommen.

Nichts wollte ich gerade mehr, als alles zu ändern. Ich wollte meine Fehler ausbügeln, noch einmal von vorne anfangen. Mich bei meiner Zwillingsschwester entschuldigen, und am liebsten meine gesamte Persönlichkeit auf den Kopf stellen.

Da Claire sich gerade nur mit ihrem Tablet beschäftigte, bemerkte sie gar nicht, wie ich langsam durch unser einparfumiertes Zimmer schlich und ins Bad ging. Anstatt einer aufgeweckten, jungen Frau guckte mich im Spiegel eine blasse Heranwachsende mit schmalen Augen und einer braunen Mähne an. Nicht nur ich hatte in letzter Zeit eine negative Veränderung durchgemacht, sondern auch mein Äußeres. Ich sah aus wie eine schwache, wandelnde Leiche...

"Mir reicht's. Ich hab genug von mir gesehen. Wenn ich gleich zurückkomme, wird hier eine völlig neue Person stehen."
Mit diesen Worten stakste ich schnellen Schrittes aus dem Badezimmer, griff mir meine Tasche und lief schnurstracks aus dem Zimmer. Ich wollte endlich einen Schlusstrich ziehen, und zwar jetzt!

Kaum hatte ich das Wohngebäude verlassen, hüllte mich ein kühler Wind ein und ließ mich frösteln. Ich hätte wohl besser meine Jacke mitgenommen, mein Vorhaben konnte - besonders in meinem Fall - schließlich länger dauern.
Mit langsamen, im Kies knirschenden Schritten näherte ich mich dem See. Am Ufer angekommen setzte ich mich hin, nahm einen Kugelschreiber aus meiner Tasche und notierte die aktuelle Uhrzeit und das heutige Datum auf der Rückseite meines Collegeblocks. So würde ich immer wissen, wann mein Leben eine Wende bekommen hatte.

Nun folgte der wirkliche Teil meiner Veränderung. Langsam zog ich eine große Schere aus meinem Schulmäppchen und strich ein paar Mal mit dem Finger über das Metall. Schön scharf. Genau wie beim Friseur eben.

Also tat ich, was ich tun wollte: Ich löste meine Haare aus dem Haargummi, legte sie über meine Schulter, setzte die Schere an und... wurde gestoppt.

"Louisa, was machst du hier?"

"Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Luna, denn in spätestens zwanzig Minuten würdest du deinen Haarschnitt arg bereuen."

Liebe Hoch 2- Zwillingschaos Am InternatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt