Kapitel 21

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Unsicher spazierte ich am Ufer entlang. Ich wollte mich doch nie mit ihr streiten! Sie war ein Teil von mir, und nicht gerade ein kleiner. Ich liebte sie so sehr, wie man seine Schwester nur lieben konnte. Jeder Schritt ohne sie schmerzte, jeder Schritt ohne sie fühlte sich falsch an. Jeder Schritt ohne sie war einfach ein Schritt zu viel...

Langsam hob ich den Blick. Ich merkte, wie weit ich schon gelaufen war. Vollkommen alleine... Es fühlte sich so falsch an, was ich tat. Es fühlte sich an, als würde ich mich von meinem alten Leben als Zwilling  entfernen. Ich musste das einfach wieder geraderücken! Es war vielleicht meine letzte Chance!

Doch plötzlich waren alle Vorsätze wie weggeblasen, denn mir fiel ein Mädchen am anderen Ufer auf. Und als ich erkannt hatte, wer es war, rannte ich los. Immer schneller, ich wollte augenblicklich meine Schwester in die Arme schließen. Meine Schwester, die ich eigentlich doch so sehr liebte.
Durch mein chaotisches Hin- und Hergerenne blieb die Hälfte meiner Jacke im Wald an einem Baum hängen. Die andere Hälfte flatterte nun munter an meiner einen  Körperseite herunter und freute sich ihres jämmerlichen Jackenlebens. Als Gegenleistung  bekam ich immer mehr Schlamm bei jedem weiteren Sturz über eine Wurzel an meine Hose. Ein fairer Tausch, wenn man so wollte...

Je näher ich kam, desto unsicherer wurde ich. Was würde sie sagen, und vorallem beschäftigte mich die Frage, ob sie mir verzeihen würde. Verzeihen für... Ja, für was eigentlich?
Doch dann kam der Zeitpunkt zu dem ich kapierte, dass, wenn wir weiter auch vom Aussehen her Zwillinge bleiben wollten, hier mein Turbomotor gefragt war.

Luna kniete am Ufer. Die Haare offen und in der einen Hand, in der anderen eine Schere, mit der wir schon so einigen Blödsinn zuvor veranstaltet hatten.

"Louisa, was machst du hier?", fragte sie, sobald sie mich bemerkt hatte.

"Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Luna, denn in spätestens zwanzig Minuten würdest du deinen Haarschnitt arg bereuen."

Langsam nahm sie die Schere runter und blickte beschämt zu Boden. Dann schaut sie mir mit tränenerfüllten Augen direkt in meine und flüsterte:
"Es tut mir alles so leid! Bitte verzeih mir! Placere dimitte me! S'il vous plaît pardonnez-moi!"

"Verdammt nochmal, Luna, wenn du dir die Haare abgeschnitten hättest, hätten auch meine Haare dran glauben müssen! Wir haben beide Fehler gemacht, aber das trennt uns nicht! Niemals!"

Sie lächelte mich dankbar an, bevor sie aufstand und mich in den Arm nahm.

Ein paar Minuten später hatte sie den Lachflash ihres Lebens, ich stand lediglich bedröppelt daneben. Es war auch einfach zu göttlich, wie ich nun aussah... Doch das Wichtigste: Wir schienen uns jetzt endlich wieder vertragen zu haben!

Liebe Hoch 2- Zwillingschaos Am InternatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt