Kapitel 12

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'Es ist schwer, jemanden zu lieben, den man hasst.
Aber noch schwerer ist es, jemanden zu hassen, den man liebt.'

Justin verstand sofort was ich meinte und kam langsam auf mich zu. Er schnappte nach zwei großen Wundenpflaster, drehte mich vorsichtig zu sich und hob mich hoch. Seine eine Hand unter meine Kniekehlen, wo die andere an meinem Rücken ruhte. Ich war erschrocken über das ganze, weil ich noch nicht dazu bereit war so über rempelt, mit Berührungen zu werden. Ich zuckte zusammen und stöhnte vor Schmerz. Je mehr Luft gegen die Wunden kamen, desto mehr stechenden Schmerz empfand ich. Sanft legte er mich auf dem Bett ab und zog dem einen Wundenpflaster das Schutzpapier ab, woraufhin er es auf eine der Wunden klebte. Danach folgte das andere Wundenplaster, bis er fragte: „Alles wieder okay?“ Nachdem auch das andere Pflaster aufgeklebt war, versuchte ich mich wimmernd aufzusetzen und ihm zu antworten. „Ja, danke! Mir war nur etwas schlecht...“, antwortete ich, versuchte die Blauen Flecken mit meinen Händen zu verdecken und fuhr mir mit der einen Hand durchs Gesicht. Ich war so erschöpft, doch war mir sicher nach alldem nicht schlafen zu können. Mir schwirrte echt viel durch den Kopf, dass mit meinem Vater und dann das mit Justin... Keine Ahnung warum ich mir über die Sache mit Justin so sehr den Kopf zerbrach, aber ich schätze ich hätte ihn vielleicht doch küssen sollen, nicht weil ich in ihn verliebt war, sondern weil ich ihm echt viel schuldig, nach allem was er für mich getan hatte, war. Wer weiß, vielleicht hatte diese Aktion, mit ihm auch nur meine Gefühle die ich gegenüber ihm empfand, zum Vorschein gebracht. Er nickte verständnisvoll und sah zu Boden. „Stimmt etwas nicht?“, fragte ich verwundert. „Alles gut, bin nur etwas durcheinander...“ „Justin, wenn es wegen mir ist, dann-“ „Herrgott, nein es ist nicht wegen dir!“, wütend stand er auf und fuhr sich durch die Haare, wobei ich zusammenzuckte, wegen seines schnellen Stimmungsschwankes. Jap, eindeutig bipolar. „Wegen was denn dann?“, fragte ich eher zu mir wie zu ihm. Ich hatte gerade ziemliche Angst vor ihm, denn seine Brust hob und senkte sich schneller als gedacht, während sein Kiefer angespannt aussah. Wütend ging er auf seine Kommode zu und fuhr einmal mit beiden Händen die ganze Platte nach. Eine Schatulle, ein Bild, Zigaretten und Feuerzeug flogen niederschmetternd zu Boden, was mich auf kreischen ließ. Verfluchte Scheiße, was zur Hölle ist mit ihm los? Er stützte sich jeweils an den Seiten der Kommode ab, während ich ins Badezimmer flüchtete, Justin's Klamotten nervös zusammen suchte und mir überzog. Als ich wieder vom Bad zurück in das Zimmer von eben wollte, sah ich wie jemand die Tür aufriss und Justin's genervter Blick auf den unerwünschten 'Gast' fiel. Jetzt wird’s kritisch! „Was zur Hölle Justin?“, bellte einer der Jungs, an den ich mich noch erinnerte. Er war der, der neben mir und Logan, während der Rettungsaktion im Auto saß. „Verpiss dich Jonas!“, spuckte Justin ihn gereizt an. Jonas also. Er trug nur eine Boxershorts, wobei mir sein gut trainierter Körper förmlich ins Gesicht sprang. „Verdammt Justin, es ist 6 Uhr morgens, da möchten manche Leute noch schlafen!“, er betrat wütend den Raum, trotzdem verließ sein Blick nicht den von Justin. Ich stand immer noch im Türrahmen des Badezimmers, da ich nicht weiter wusste, er hatte mich echt erschreckt. Justin ließ von der Kommode ab und stellte sich gegenüber von Jonas hin. Das ließ das ganze in ein „Wer hat hier mehr macht, du oder ich?“ Spiel versinken. „Geh mir einfach nicht auf die Nerven Jonas und Verpiss dich wieder in deinen verfickten Raum!“ „Ach fahr doch zur Hölle Bieber!“, spuckte dieser, drehte sich um, verließ den Raum – während er mich keines Blickes würdigte und schlug die Tür wütend hinter sich zu. Justin's körperliche Anspannung ließ nach und vorsichtig taumelte ich in seine Richtung. Ich begab mich zu den Sachen die er runter geschmissen hatte und beugte mich zu dem zersprungenem Bild. Justin war darauf abgebildet mit einer wunderschönen Frau. Sie hatte braunes Haar und lachte in die Kamera genauso wie Justin, der sie elegant um die Hüfte fasste. Wunderschöne blaue Augen ließen ihr markantes Gesicht leuchten. Unglaublich, dass so ein schönes Bild nun kaputt war! Ich hob es auf und stellte es wieder an seinen richtigen Platz. „Tut mir Leid!“, entschuldigte sich Justin und senkte seinen Blick, wobei er immer noch an der gleichen Stelle stand. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und hielt deswegen lieber meinen Mund. „Gott, ich weiß einfach nicht was zur Zeit mit mir los ist!“, sprach er aufgebracht und kickte eine der Scherben, die von dem Bild zersprungen war, gegen die Wand. „Schon okay.“, meinte ich schnappte mir die Schatulle und den ganzen anderen Rest und stellte diese auch auf ihren Platz. „Wer ist diese Frau, auf dem Foto?“, fragte ich mit ruhiger Stimme. Er drehte sich zu mir und meinte: „Meine Mutter.“ Ich nickte, als ein Zeichen das ich es Verstanden hatte. „Sie ist hübsch!“, meinte ich und sah zu dem Bild rüber. „Ich weiß.“ „Habt ihr den noch Kontakt?“ „Wieso interessiert dich das?“, spuckte er gereizt, doch ich ließ mir nichts anmerken. „Ich... ehm... vergiss es...“,, ich versteckte angespannt meine Lippen in meinen Mund und sah zu Boden. Seufzend lief Justin zur Kommode, nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel, welche er sich zwischen seine Lippen klemmte und daraufhin anzündete. Der Rauch flog mir direkt ins Gesicht, wobei ich versuchte auszuweichen. „Hör mal Justin...“, ich sah vom Boden in seine Augen, „Ich möchte einen Spaziergang machen, ich brauche echt mal eine Auszeit. Kelsey hat lange nichts mehr von mir gehört und ich möchte auch sie besuchen gehen, schließlich ist Wochenende und ich denke mal Patienten dürfen da auch nach Hause!“ „Madi, du wirst bestimmt schon von den Bullen gesucht, ich meine wem würde nicht auffallen, dass eine Patientin fehlt?“ „Ich werde aufpassen, wirklich. Und ich hab da noch einiges zu regeln.“ Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und starrte mich ungläubig an. Er hatte es wohl geschnallt, was ich eigentlich vorhatte. Fuck! „Es geht hier nicht um Kelsey, richtig?“, genervt ließ er einen Seufzer, „Es geht um deinen Vater. Und Madi, der Mann ist Alkoholiker, du weißt nicht was er in der nächsten Sekunde vorhat, wenn du vor ihm stehst?“ „Er hatte mir vor kurzem eine SMS geschrieben, er will umziehen und dies ist die letzte Chance. Wenn ich diese Chance nicht entgegen nehme ist der Zug abgefahren, Justin!“, während ich sprach versuchte ich mit meinen Händen artikulierende Bewegungen zu machen, „Ich will es endlich hinter mich bringen. Wie lange muss ich den Scheiß den noch mitmachen, um endlich zu erreichen was ich will?“ „Willst du ihn etwa umbringen?“, mit verengten Augen und einem Blick der sagen sollte: „Bist-du-total-irre?“ sah er mich an. „Verdammt ja Justin! Das versuche ich dir die ganze Zeit zu sagen!“ Höhnisch seufzte er und zog einmal kräftig an seiner Zigarette. „Zur Hölle Madi, ich bringe Menschen um aber du? Ich bezweifle, dass du dem standhalten kannst! Es wird dich verfolgen Madi! Das ist kein Spiel! Nicht mal ich mache das gerne und jetzt kommst du mit dieser Aussage. Dann kannst du dich gleich wieder einweisen lassen, glaub mir, es ist nicht sehr einfach damit klar zu kommen!“ Ich sah zu Boden. Er hatte Recht, aber ich wollte ihn endlich aus meinem Leben haben, endlich das Gefühl wieder zu erlangen wieder Spaß am Leben zu haben, von was er mich die ganze Zeit abhielt. Es musste aufhören! Tränen stiegen mir in die Augen. „Bitte Justin, lass mich gehen.“ Er seufzte und ich sah wie seine Augen funkelten, da ein paar Tränen sich auch bei ihm sammelten. Er ging einen Schritt zur Seite – so das die Tür nun offen lag, um mir zu signalisieren, dass ich gehen konnte. Ich schniefte, sah ein letztes Mal in seine Richtung, wobei mich sein verletzter Blick traf. Verdammt Madi! Weinend rannte ich die Treppe runter, wo ich vorbei an Logan rannte, der sich gerade Milch in seine Cornflakes kippte. Schniefend wischte ich mir die Tränen von der Wange, öffnete die Eingangstür und stürmte nach draußen. Ich wusste das Logan's Blicke auf mir lagen, doch ich würdigte ihm keines Blickes, obwohl ich ihm dankbar war das ich noch lebte! Ich rannte den Vorhof entlang, bis auf die mit Auto befahrene Straße. Mittlerweile hatte es aufgehört zu Regnen, trotzdem war der Himmel immer noch bewölkt. Ich riss mich zusammen und begab mich in Richtung mein zu Hause. Komisch es noch 'Mein Zu Hause' zu nennen.

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