5.

316 16 4
                                    

*Leonies Sicht*

"Ich muss nochmal los. Bin in einer Stunde wieder da." Ich Schloß die Tür hinter mir, schnappte mir mein Fahrrad und fuhr, wenn auch ungewollt, zum Circus. Marie ließ ich lieber zu Hause. Sie nahm es mir auch nicht übel. Im Gegenteil. Sie war sogar froh. Sie wollte nichts versauen. Im Circus angekommen wartete ich vor dem Ticket-verkauf auf ihn. Ich nahm an er kommt vor und ich muss kein Eintritt bezahlen. Nervös guckte ich auf meine Uhr. Noch fünf Minuten bis es anfängt.
Auf einmal fingen die Tanten hinter der Kasse an zu gichern. "Was ist denn?" Fragte ich genervt. Erik kam um die Ecke. Schlagartig schoss mir die Röte ins Gesicht. Er hielt mir mein Handy hin. "Hier." Ich nahm es ihm ab. "Danke." Ich grinste. "Hast du das eingestellt?" Ich zeigte ihm meinen Bildschirm, wo er Oberkörper frei zu sehen war. Er fasste sich an den Hinterkopf. "Das waren meine Brü...Ja. Ich hoffe du lässt es." "Mal sehen." Sagte ich frech.
"Wir müssen jetzt." Rief die eine Tante zu ihm. "Ich komme gleich." Rief er zurück. Sie guckte ihn böse an. "Nein, jetzt!" Er guckte mich wieder an. "Tschüß." Sagte er kurz. Ein leises "Tschüß." Kam auch von mir.
Er verschwand hinter dem Zelt und ich stieg auf mein Fahrrad auf.
Zuerst dachte ich, ich hätte mich verguckt, aber das Auto meiner Eltern fuhr auf den Parkplatz. Lena stieg aus und kam auf mich zu gerannt. "Du musst mit mir nochmal in den Circus. Ich fand ihn so toll. Hier ich habe auch Geld." Meine Mutter machte ihre Scheibe runter. "Tut mir leid Schätzchen. Du hast echt was gut bei uns. Hab dich lieb. Und viel Spaß." Ich nahm sie an die Hand und nahm das Geld. "Na komm."

*Eriks Sicht*

Wir liefen hinters Zelt. Zum Glück guckte sie nicht zu. Ich trug das Piercing an der rechten Brust. Dort warteten schon Daniel und Luca auf mich. Sie winkten mich zu sich rüber. "Ja ich habe das Piercing an." Sagte ich verschämt. Sie mussten lachen. "Nein darum ging es uns nicht." Er legte seine Schulter um mich und wir gingen richtung Zelteingang. "Du darfst nicht so eine Pussi sein..." Fing er an. Ich unterbrach ihn "Was?" "Du musst wie ein Mann wirken. Zeig ihr, dass du nichts von ihr willst. Renn nicht hinter ihr her. Lass sie hinter dir her rennen." Er haute mir mit seiner Hand auf meine Brust und zwinkerte mir zu.
"Es geht los..." flüsterte unser Vater. Und die Show begann.
Endlich kamen wir dran. Wir treten immer nur zu dritt auf. Wir gingen also in die dunkle Manege. Ein Herzschlag war zu hören und dann ging das Licht an. Wir fingen ganz normal an. Alles lief gut. Dann kam ich an die Reihe.
Ich ging zu den Ringen, die von der Decke kamen.
Von hinten hörte ich Lucas Stimme. "Ausziehen, ausziehen,..." Er versuchte sich das Lachen zu verkneifen. Ich hörte auf ihn und zog meine Jacke aus. Plötzlich hörte ich nur ein leises Lachen. Das Lachen kam mir gekannt vor. Ich guckte verwirrt ins Publikum und versuchte irgendwas zu erkennen. Doch nichts. Ich erkannte einfach gar nichts.
Ahnungslos machte ich einfach weiter. Nach der Show gingen wir ins Vorzelt und verabschiedeten alle und sie lief an mir vorbei.

*Leonies Sicht*

Alles wurde dunkel, wie beim ersten Mal als wir hier waren. Man hörte einen Herzschlag und dann ging das Licht wieder an. Die drei Jungs standen in der Manege. Ich wartete nur auf den Moment, wenn Erik seine Jacke auszieht.
Er ging zu den Ringen vor und fasste sie an. Ich sah nur wie Luca irgendwas sagte. Erik ließ die Ringe wieder los und ich sah es. Er hat ein Nippelpicing. Ich ließ ein leises Lachen von mir. Sofort hielt ich mir den Mund zu. Das ist mir im Wohnwagen gar nicht aufgefallen. Luca musste sich das Lachen auch verkneifen.
Nach der Show liefen sie an uns vorbei und ich konnte es nochmal richtig betrachten. Es war ein silberner Ring, der nicht all zu groß war. Wir gingen ihnen nach, in Richtung Ausgang, natürlich an ihm vorbei. Ich guckte auf den Boden. Von der Seite kam nur ein leises "Na Süße." Ich guckte ihn an. Er hat seinen Schlafzimmer-Blick aufgesetzt. Verwirrt guckte ich ihn immer noch an, ging dann aber weiter. Ich sah nur im Augenwinkel, wie Lena mich anstarrte. "Spar dir dein Kommentar." Wir liefen einfach weiter Richtung Parkplatz.
Anscheinend habe ich mich in ihm getäuscht. Er ist doch nicht anders als sie anderen. Er ist genau so schlimm und angeberisch.
"Was ist mit deinem Fahrrad?" Fragte Lena besorgt. "Das hole ich morgen. Du kannst vorne Sitzen." Ich machte die hintere Tür auf und stieg ins Auto. Lena guckte mich von draußen verwirrt an. "Jetzt komm schon rein." Sagte ich aggressiv. Ein leises "Ich will nach Hause." Kam noch hinterher.
"Ich alles gut bei dir, Leo?" Fragte mein Vater, der mich durch den Rückspiegel anguckte. "Ja, es ist alles bestens." Sagte ich leicht sarkastisch und drehte mich richtung Fenster. Lena war ausnahmsweise, die Fahrt über, mal ruhig, was man natürlich genießen musste. Ich glaube sie weißt, dass ich keine Lust auf Späße habe, sonst hätte sie schon längst was gesagt. Papa war auch ganz ruhig. Das war komisch, denn sonst erzählte er immer was er so gemacht hat, oder fragt uns Löcher in den Bauch. Warum verhalten sich heute alle so komisch? Zu Hause angekommen stieg ich sofort aus dem Auto und ging ins Haus. Ich steuerte auf die Küche zu, da ich mörderischen Hunger hatte. Erfreut machte ich micht darauf gefasst Mama in der Küche anzutreffen, doch keine Spur von ihr. "Papa?" Rief ich ihn und ging dabei zurück in den Flur. "Wo ist denn Mama?" Verwirrt blickte ich mich um. Lange Zeit antwortete er nicht. "Papa?" Erneut rief ich ihn. "Sie ist bei Oma." Kam es leise aus dem Schlafzimmer meiner Eltern zurück. "Und wann kommt sie wieder?" Ich ahnte, das Papa mir was verschwieg. Langsam ging ich ins Schlafzimmer. "Weiß ich nicht." Kam trocken von ihm. Bei Papa angekommen, sah ich wie er Mamas Klamotten in eine Tasche stopfte. Er sah dabei ziemlich wütend aus. "Äh, was machst du da?" Ich stand in der Tür und guckte erstaunt zu Papa. "Wir wollen es dir noch sagen." Er legte die Tasche weg und kam langsam auf mich zu. "Papa?!" Sagte ich jetzt leicht panisch. "Wir haben und gestritten und Mama schläft erstmal bei Oma. Wir müssen gucken wie es weiter geht." Seine Stimme zitterte ein bisschen. "Ihr lasst euch doch nicht..." Sofort floss mir eine Träne die Wange runter. Papa wünschte sie mir weg. "Nein. Erstmal gucken wir wie es weiter geht." Jetzt setzte er sich aufs Bett. "Weiß Lena es schon?" Ich setzte mich neben ihn. Kurz atmete er tief durch. "Ich glaube nicht. Sie hat nur den Streit mitgehört." Ich nahm ihn in den Arm. "Egal was passiert, ich werde immer für euch da sein. Soll ich es ihr erzählen." Er nahm mich jetzt auch in den Arm. "Das wäre nett." Kurz verharrten wir so aus, dann stand ich auf und ging raus. Hinter mir schloss ich die. Lena sollte es nicht sehen.
Langsam ging ich zu ihr rüber. Ich klopfte leise an ihre Tür. Ein zartes "Ja." Kam durch die Tür. Ich öffnete sie und sah Lena mit ihren Puppen spielen. "Wo ist Mami denn?" Fragte dieses kleine, süße Wesen. Mir schossen die Tränen wieder in die Augen. Ich konnte es ihr nicht sagen. Sie war zu zart, zu klein, zu Jung um es zu verstehen. Aber ich habe es Papa gesagt. Also Leo! Reis dich zusammen und sag es ihr.
"Du Lena? Ich muss mal mit dir reden." Sie legte ihre Puppen aus der Hand und ich setzte mich neben sie. Zum Glück ist sie nicht dumm und wusste worum es ging. "Mama kommt erstmal nicht wieder, oder?" Ich guckte in ihre Knopfaugen und nickte. "Hör zu. Mama und Papa hatten einen kleinen Streit und Mama schläft erstmal bei Oma." Sie schwieg eine Weile. "Hey aber sie kommt bestimmt bald wieder." Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und stand dann wieder auf. "Bist du dir da ganz sicher?" Sie fragte zögerlich nach. Ganz sicher war ich mir nicht. Kurz guckte ich sie noch an, ging dann aber einfach aus ihrem Zimmer.
Ich konnte sie nicht anlügen. Das tat mir zwar auch weh, aber es war besser als sie anzulügen.
Im Nachhinein bereute ich es ein bisschen. War sie doch noch zu klein um ihre Frage einfach unbeantwortet zu lassen? Warscheinlich schon, aber daran konnte ich eh nichts mehr ändern.
Lange machte ich mir noch Gedanken was passieren könnte und was ich dagegen machen könnte, dass sie sich nicht scheiden lassen. Doch egal wie lange ich überlegte oder oft ich nachdachte, ich fand einfach keine Lösung.

The circus boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt