22.

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So kann man sich täuschen. Völlig verheult fuhr ich nach hause. Bevor ich die Tür auf schloss, wischte ich mir die letzten Tränen auf dem Gesicht. Zögerlich machte ich die Tür auf. Papa war noch nicht da. Zumindest war sein Auto nicht da.
"Papa?" Rief ich leise durch das Haus. Keine Antwort kam. Phu. Papa war noch nicht da.
"Äh Leo." Sagte Lena, die gerade aus dem Wohnzimmet kam. Hinter ihr kam jemand vor. "Papa?!" Entgegnete ich überrascht.
"Danke Lena." Sagte er und streichelte ihr über den Kopf. Empört guckte ich zu Lena. Sie grinste mich nicht an, wie ich es erwartet hätte. Sie versuchte sich mit ihrem Blick bei mir zu entschuldigen. Ich kniff meine Augen zusammen und schüttelte meinen Kopf. Ich war echt enttäuscht von ihr.
Papa kam auf mich zu.
"Wie soll das nur mit dir weiter gehen?" Fragte er mich. Ich ertrug es nicht ihm in die Augen zu gucken und senkte meinen Blick.
"Tut mir leid, Papa." Sagte ich kleinlaut. Er guckte mich enttäuscht an und schüttelte seinen Kopf. Ohne noch etwas zu sagen ging er in sein Arbeitszimmer.
"Wir reden nachher weiter." Sagte er noch und zeigte mit dem Finger auf mich. Die Tür fiel ins Schloss und Lena und ich standen allein im Flur.
"Warum hast du das gemacht?!" Ich ging wütend auf Lena zu und sprach auch so mit ihr. Sie zuckte mit ihren Schultern. Am liebsten hätte ich ihr eine geknallt, aber das kann ich nicht machen. Für so wenig Respekt hätte ich früher Hausarrest bekommen.
"Was habe ich dir getan, dass du mich so ins offene Messer rennen lässt? Ich bin immer die Böse. Immer bekomme ich den Ärger. Sogar für Sachen, die du getan hast. Weil ich die größere von uns beiden bin, hat Papa immer gesagt. So ein Dreck." Meine Frage formulierte ich noch lautstark, den Rest sggte ich leise. Dabei setzte ich mich auf die zweite Treppenstufe und rieb mit meinen Fingerspitzen über die Stirn.
"Es war ein Versehen." Fing Lena leise an. Aufmerksam guckte ich sie an. Sie senkte ihren Kopf.
"Papa kam schon früher nach Hause, weil Barbara einen Anruf von ihrem Ex-Freund bekommen hat. Sie musste los und Papa kam wieder her. Ich habe noch versucht dich zu decken, aber irgendwann wurde ich schwach und Papa kam hinters Licht. Es tut mir leid." Immernoch guckte sie mich nicht an. Sie guckte zwar in meine Richtung, aber an mir vorbei. "Das wusste ich nicht. Aber hättest du mir nicht schreiben können?" Fragte ich sie.
"Guck mal auf dein Handy." Sagte sie und zeigte auf meine Tasche. Ich stand auf, ging zu ihr und nahm mein Handy raus. Ich machte es an und guckte auf den Startbildschurm: drei verpasste Anrufe und zehn Nachrichten.
"Die sind die ganze Zeit nicht angekommen." Sagte Lena schuldig.
"Das ist doch nicht deine Schuld. Aber warum er hat Papa "Danke Lena" gesagt?" Fragte ich sie verwirrt.
"Dass ich nicht gelogen habe und ihm gesagt habe wo du bist." Sagte sie traurig. Sie tat mir schon ein bisschen leid. Ich rutschte an die ran und legte einen Arm um sie.
"Hey, ist schon gut. Es ist besser du bist ehrlich, als eine lügnerin." Versuchte ich sanft zu sagen, obwohl noch ein bisschen Wut in mir steckte. Natürlich war ich trotzdessen sie die Wahrheit gesagt hat, noch sauber, weil ich dachte Schwestern halten zusammen.
Ich stand auf und ging in mein Zimmer. Den Schritten, die ich gehört habe, zu Urteile, ist Lena kurz nach mir auch in ihr Zimmer gegangen.
Weil in zwei Tagen Heiligabend ist, lernte ich schon meinen Vortrag auswendig. Denn wenn ersteinmal die Feiertage begonnen haben, bleibt mir dazu keine Zeit mehr. Natürlich muss ich ihn vor dem ersten Schultag nochmal auffrischen, aber so fällt es mich leichter ihn wieder aufzufrischen.

Die Zeit verging wie im Flug und Papa rief uns zum Abendessen. Langsam trottete ich die Treppe runter. In der Küche angekommen saßen Papa und Lena schon und guckten mich genervt an.
"Ja. Alte Frau ist kein D-Zug." Sagte ich und setzte mich. Ich versuchte es möglichst lange hinauszögern, bis ich meine Ladung Ärgern gekomme. So machte ich ganz langsam und in Ruhe. Als ich dann endlich saß fingen alle an zu essen. Bestimmt wartet Papa bis nach dem Essen. Und ich hatte Recht.
"Seid ihr fertig?" Fragte er. Lena nickte und er räumte ihren Teller weg.
"Nein." Sagte ich und aß weiter. Auf meinem Teller lag noch ein Spiegelei, das ich mit extra bis zum Schluss aufbehalten habe. Als ich mir gerade ein Stück von meinem Spiegelei angeschnitten habe und es mit der Gabel zu meinem Mund führte, räumte Papa auch meinen Teller ab.
"Dann ist ja gut." Sagte er und stellte das Geschirr klimpernt neben die Spüle. Wie aufs Stichwort verließ Lena den Raum. Verwundert guckte ich mich um. Papa stand neben mir und stützte sich auf der Amateur ab, den Blick auf mich gewendet.
"Ich verstehe, dass es in letzter Zeit nicht so einfach für dich war. Erst Barbara, dann der du weißt schon was von deiner Mutter und danach Oma. Aber ich kann dir nicht mehr vertrauen. Du lügst mich nur noch an. Wo soll das denn noch enden?" Hielt er seine Prädikat leicht aggressiv.
"Ach und du? Du bist, seit Barbara an deiner Seite ist, nur noch gemein zu mir. Ich darf gar nichts mehr machen. Und sie nutzt dich nur aus!" Sagte ich ebenfalls ein bisschen lauter. "Jetzt lass Barbara aus dem Spiel. Sie kann nichts dafür. Es liegt einzich und allein an dir." Schrie er.
"Na klar. Du bist doch nur wegen ihr so schlecht drauf heute. Weil du ganz genau weißt, dass ihr Ex sie heute noch richtig durch nimmt." Schrei ich voller Wut. Eigentlich meinte ich es nicht so, aber Papa mussten die Augen geöffnet werden. Anders will er es doch gar nicht begreifen.
"Ab in dein Zimmer, Leo! Ich will dich den Rest des Tages, hier unten,  nicht mehr sehen!" Brüllte er und zeigte mit dem Finger die Treppe hoch.
"Dito!" Schrie ich und rannte weinend die Treppe hoch.
Mir jeder einzelnen Stufe, die ich hoch rannte, vermisste ich Mama mehr. Hinter mir schmiss ich die Tür zu und fiel hinter ihr zusammen. Ich schaffte es nicht einmal mehr auf mein Bett. Mitten in meinem Zimmer lag ich auf dem harten Boden und verzweifelte. Ich zweifelte an Papa, an Weihnachten, ja sogar an Lena. Aber das schlimmste war: Ich zweifelte an mir. War es wirklich meine Schuld, dass Papas und mein Verhältnis so auseinander gegangen war? Aber wieso sollte es meine Schuld gewesen sein? Ich meine: seit Barbara das erste mal in diesem Haus war, ist nichts mehr wie es mal war.

*Eriks Sicht*

Ich sah nur noch, wie sie die Straße runter ging und dann war sie weg. Ich guckte nochmal zu ihrem Ex-Freund rüber. Er guckte mich wütend an. Und auf sowas steht Leo? Ich musste grinsen. Dann beachtete ich ihn nicht mehr und ging richtung Circus zurück. Zur Entspannung hörte ich Musik über meine neuen Kopfhörer. Das war auch der Grund, warum ich nicht bemerkte, dass ich verfolgt wurde. Als ich in eine nicht sehr gut beleutete Straße abbog, fasste mir jemand auf meine Schulter. Ich erschrak und drehte mich um. Ich konnte ihn nicht gleich erkennen, aber ich war ziemlich sicher, dass es Leos Ex war.
"Wer bist du und was willst du von mir?" Fragte ich ganz normal.
"Und wer sollst du sein?" Fragte er mit einem komischen Unterton.
"Ok dann fange ich halt an. Ich bin Ingo, 21 Jahre alt und komme ursprünglich aus Bremen. So und jetzt du." Sagte ich ironisch.
"Du hälst dich wohl für besonders witzig, was?" Fragte er aggressiv.
"Na ja. Das liegt immer im Auge des Betrachters. Mache sagen so, die anderen so." Antwortete ich ihm auf seine Frage.
"Heute wirst du dein Lachen verlieren!" Drohte er mir. Nach diesem Satz holte er aus und schlug mir, mit seiner Faust, in den Magen. Ich krümmte mich vor Schmerz. Der hat gesessen.
"Na willst du noch mehr oder lässt du Leo jetzt in Ruhe?!" Fragte er aggressiv und kam mir näher. Troz des Schmerzes musste ich mich verteidigen. Ich rammte ihm mit dem Kopf in den Bauch und schupste ihn um. Natürlich fiel ich mit um, denn ich um klammerte ihm dabei. Wir beide lagen am Boden. Er drehte sich um und lag auf mir. Wieder ballte er seine Hand zu einer Faust und schlug auf mich ein. Ich schupste ihn von mir runter und drehte mich auf ihn. Jetzt schlug auch ich auf ihn ein, doch er wehrte sich und schupste mich wieder von sich runter. So schnell wie ich konnte stand ich auf und rannte weg. Nach zwanzig Metern holte er mich ein. Er sprang nach mir und wir stürzten wieder zu Boden. Er schlug dreimal kräftig auf mich ein, bis ein Licht im Haus neben uns an ging und eine Frau am Fenster stand.
"Herbert! Herbert schnell!" Rief sie und guckte auf uns runter. Er schlug noch einmal auf mich ein. Ich bekam nur noch mit, wie er sich aus dem Staub machte. Ein Leises "Hallo, wer sind sie?" Habe ich noch vernommen. Ich versuchte zu sprechen, doch es ging nicht. Meine Augen vielen zu und ich bekam nichts mehr mit.

*Herberts Sicht*

"Herbert." Hörte ich meine Frau rufen. Das passte mir gar nicht. Gerade hat das Fußballspiel Deutschland gegen Frankreich angefangen.
"Herbert schnell!" Rief sie erneut. Genervt stand ich von meinem Sessel auf und ging ins Schlafzimmer. Ute guckte aus dem Fenster. Ich tat es ihr gleich. So schnell wie möglich rannte ich runter. Unten fand ich einen Jugendlichen vor, der mitten auf dem Gehweg lag. Ich kniete mich neben ihn und versuchte ihn bei Bewußtsein zu halten.
"Hallo, wer sind sie?" Fragte ich ihn, doch es kam keine Ahnwort. Seine Augen vielen zu und sein Kopf knallte auf den Boden. Ute kam hinter mir hervor.
"Was is..." wollte sie fragen.
"Ute, geh ins Haus zurück!" Rief ich ihr laut zu. Der Junge bewegte sich nicht mehr. Er lag regungslos auf dem Boden, sein Gesicht war blutverschniert und er hatte blaue Flecken am ganzen Körper. Zumindest an den Stellen, die man sehen konnte.
Ute hat in der Zeit, in der ich draußen war, einen Krankenwagen gerufen. Nach zehn Minuten kam er endlich an. Sie nahmen den Jungen und hieften ihn auf eine Trage. Zwei Ärzte versuchten ihn anzusprechen. Allerdings reagierte er wieder nicht. Ich hoffe für ihn nur, dass er durch kommt.

The circus boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt