19.

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Die Sonnenstrahlen weckten mich schon früher als gewollt. Eigentlich schien es heute ein schöner Tag zu werden. Na ja. Für das Wetter zumindest. Für mich ehr nicht. Ich habe mir heute fest vorgenommen Lena alles zu sagen. Die Sache mit Mama und die darauf folgende Sache mit Oma. Ich weiß nur wie sie den Tod der Opa mitgenommen hat. Sie hat ihn nicht gut verkraftet. Tage lang blieb sie in ihrem Zimmer und hat mit niemandem Gesprochen. Sie konnte zwar noch reden, sttotterte aber am Anfang. Und jetzt zwei Menschen auf einmal. Und darunter ihre eigene Mutter. Trotzdem musste es ihr irgendjemand sagen. Auch wenn es ihr das Herz brechen würde. Und das drei Tage vor Weihnachten.
Unausgeschlafen und mit getrockneten Tränen stand ich auf. Mit nicht viel mehr Kraft als ich am Abend hatte, ging ich zu meinem Spiegel und sorgte dafür, dass ich wieder normal aussah. Ich wischte mir die angetrockneten Tränen aus dem Gesicht und machte mir einen lockeren Zopf. Ich hatte nicht einmal so viel Kraft, um meine Füße zu heben. Schliefend ging ich in die Küche. Papa und Lena saßen wie jeden morgen schon am Tisch und aßen. Ich sagte nichts und setzte mich neben die beiden. Papa wollte mir ein Brötchen holen.
"Nein danke. Ich habe keinen Hunger." Sagte ich und guckte ihn an. "Leo du musst..." Wollte er mich überreden.
"Nein Papa. Danke. Wirklich nicht." Unterbrach ich ihn und hielt seinem Blick stand. Ohne noch etwas zu sagen, legte er das Brötchen wieder hin. Ich guckte auf Lena. Sie aß ganz in Ruhe ihr Brötchen und würdigte mich nicht mal eines Blickes. Danach guckte ich wieder Papa an und machte eine Kopfbewegung. Er stimmt zu und zusammen verließen wir die Küche. Wir gingen in sein Arbeitszimmer und ich machte die Tür hinter mir zu. "Ich weiß es ist nicht schön, aber sollte Lena nicht schon von Anfang an wissen, was los ist?" Fragte ich Papa, der sich in seinen Stuhl gesetzt hat.
"Sie verkraftet das doch noch gar nicht." Sagte Papa.
"Aber irgendwann wird sie es erfahren müssen. Und sie wäre echt sauer. Sie hat ein rechte darauf es auch zu wissen! Und ich möchte dabei sein." Versuchte ich ihn zu überreden.  Er drehte seinen Stuhl zum Fenster und guckte nachdenklich raus.
"Nein Leo. Sie ist noch nicht so weit." Er wollte einfach nicht locker lassen.
"Wenn es dumm geht bin ich auch noch nicht dabei! Du kannst sie nicht darauf vorbereiten, Papa! Niemand kann das." Ich ging zur Tür und machte die schon leicht auf.
"Bitte Leo. Tu es nicht." Er drehte sich zu mir um und guckte mich flehend an. Ich nickte und verließ das Zimmer wieder. Obwohl ich es mir gestern so fest vorgenommen habe, zweifle ich jetzt wieder daran. Vielleicht hat Papa ja Recht und sie ist noch nicht so weit. Aber wann wird sie es sein? Irgendwann wird sie, wie ich, aber der Tür lauschen und alles mitbekommen. Alles auf einen Schlag. Ich ging zu ihr, in der Hoffnung sie würde mir zuhören. Ich ging zu ihr, in der Hoffnung sie würde mir zuhören. Lena war noch in der Küche. Sie räumte gerade ihr Brett weg. Einen kleinen Augenblick guckte sie mich an, dann aber wieder schnell weg.
"Bist du noch doll' sauer?" Fragte ich sie mit schlechtem Gewissen.
"Ein bisschen." Gab sie zu, guckte mich aber immernoch nicht an.
"Ich muss mit dir reden." Ich trat einen Schritt auf sie zu.
"Was ist denn?" Fragte sie neugierig und drehte sich langsam zu mir um. Leise schloss ich die Tür und schloss sie ab.
"Es ist nicht so leicht. Bitte sei nicht sauer und hör mir zu." Fing ich an. Ich guckte ihr direkt in ihre Rehaugen. Sie setzte sich sich hin.
"Die Sache mit Mama. Sie..." Wollte ich vorfahren, wurde aber unterbrochen.
"Leo nicht! Bitte!" Rief Papa durch die Tür und schlug mit seiner Hand dagegen. Die Türklinke ging runter, doch die Tür blieb zu.
"Leo was ist?" Fragte Lena ängstlich.
"Ich möchte dabei sein, wenn du es erfährst." Sagte ich und setzte mich neben sie an den Tisch. Durch das Klopfen von Papa musste ich immer lauter reden.
"Leo hör auf! Ich warne dich!" Rief er durch die Tür. Ich hätte Len anschreien müssen, um mit ihr zu reden. Der Lärm von Papa und das Gedrängle von Lena hallten in meinem Kopf. Leo nein! Was ist Leo? Tu es nicht! Geht es Mama nicht gut? Leonie, sie ist noch nicht so weit! Leo, Leo, Leo! Das Klopfen von Papa hämmerte sich zusätzlich in meinen Kopf, sodass ich Kopfschmerzen bekam. Ich hielt mir meine Ohren zu und schrie. Schrie so laut ich konnte, schrie den ganzen Lärm und zumindest für eine Minute alle schlimmen Gedanken von mir. Schnell schloss ich die Tür auf und rannte aus dem Haus.
"Leonie!" Rief Papa mir noch hinterher, doch schon war ich hinter einer Ecke verschwunden. Obwohl ich hätte weinen können, hatte ich keine Tränen in den Augen. Mir war zum weinen aber ich konnte nicht. Viel zu oft habe ich in der letzten Zeit geweint und jetzt war alles leer. Ich konnte einfach nicht mehr weinen.
Nach einer Weile kam ich im Stadtpark an. Der Park hat ein Eingangstor, vor dem immer der gleiche Mann sitzt und seine Zeitung verkauft. Ich stellte mir vor, wie ich in ein paar Tagen neben ihm sitze und auch Zeitung verkaufe. Ich ging durch das Tor, in den Park. Mir kamen viele glückliche Pärchen entgegen. Am liebsten hätte ich jeder weiblichen Person gesagt, dass er nur mit ihr spielt und sie die Augen öffnen solle. Doch dann kam mir ein älteres Paar entgegen. Er stützte sie auf dem steinigen Weg. Beide strahlten übers ganze Gesicht und er guckte sie vergötternt an. Er guckte sie so an wie die jungen verliebten Leute sich angucken. Sie verschwanden und ich ging weiter durch den Park. Nach einer Stunde kam ich wieder zu hause an. Ich ging durch alle Räume, doch weder Papa noch Lena waren da. Warscheinlich waren sie mich suchen. Bei dem Gedanke schnappte ich mir mein Handy und rief Papa an.
"Leonie, wo bist du?" Fragte Papa wütend, bevor ich überhaupt was sagen konnte.
"Zu Hause. Ich war..." Sagte ich kleinlaut.
"Wir kommen jetzt wieder und wir reden." Sagte er und legte auf.
Nach einer viertel Stunde hörte ich den Schlüssel in der Tür. Schnell stand in von der Couch auf und ging zur Eingangstür.
"Hallo." Sagte ich und wartete schon auf den aggressiven Ton von Papa. Er zeigte nur in die Küche und dort gingen wir auch hin. Ich vorran. Wir standen uns gegenüber. Mehrere Minuten sagten wir nichts. Er guckte mich wütend an. Verschämt guckte ich auf den Boden. Er entspannte sein Gesicht und plötzlich umarmte er mich fest.
"Machte sowas nie wieder. Was soll ich nur ohne dich machen?" Sagte er. Mir schossen die Tränen in die Augen.
"Es tut mir leid. Sowas wird nie wieder vorkommen." Sagte ich und wusste nicht, dass das nur leere Worte waren.

The circus boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt