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Genervt guckte ich auch mein Handy.

11.58 Uhr

Wann kommt denn dieser blöde Bus? Ich wollte einfach nur hier weg. Schwach sah ich zwei Personen auf dem Platz. Sie unterhielten sich kurz, dann kam die eine Person angerannt. Das verschwommene wurde immer klarer und aus dem kleinen Fleck wurde Erik. Auf mich zu rannte. Nervös stand ich auf und guckte nach links nach dem Bus. Gerade als Erik an der Straße angekommen ist, kam der Bus um die Ecke. Erik guckte auch nach links. Er kam trozdem auf mich zu, doch der Bus war schneller. Sollte ich jetzt wirklich in den Bus einsteigen? Ich zögerte. Der Bus hielt vor mir an und die Türen öffneten sich. Ich drehte mich nochmal um, dann setzte ich meinen Fuß in den Bus. Ich stieg ein und setzte mich ganz nach hinten an das Fenster. Ich guckte nicht raus, denn ich wusste ganz genau, dass Erik dort stand und den Bus anguckte.
Die Türen gingen zu und der Bus fuhr los. Es fühlte sich an, als ob mir irgendetwas, was ich nicht sehen konnte, die Luft abschnürte. Mit jedem Meter, den der Bus weiter weg von Erik fuhr, wurde es schlimmer. Mein Magen zog sich zusammen und ich schnappte leise nach Luft. Der Bus kam nach zwei Minuten an der nächsten Haltestelle an. Eine Frau stand draußen und wollte einsteigen. Die Türen gingen auf und sie kam rein. Ich packte meine Tasche und rannte aus dem Bus.
Es war so eine Aktion, die man aus dem Bauch heraus macht. Man weiß nicht warum man es macht, man weißt nur, dass es sich richtig anfühlt.
Draußen blieb ich vor der Tür stehen und der Bus fuhr wieder los. Ich habe mir den Weg, den der Bus gefahren ist, gemerkt. Ich lief zurück zum Circus. Zögerlich ging ich in die letzte Ecke.

*Eriks Sicht*

Der Bus fuhr ab und Leo ist eingestiegen. Allerdings guckte ich nicht dem Bus hinterher, sondern an die Stelle, an der Leo gerade noch stand.
Ich stand immer noch mitten auf der Straße. Sie war leer und kein Auto kam. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich wollte von der Straße runter, doch ich konnte nicht. Drei Minuten verbleib ich noch auf der Straße, dann realisierte ich, dass sie weg war. Sie wird nie wieder zurück kommen und das nur weil ich so ein Vollidiot bin.
Nach diesen drei Minuten drehte ich mich langsam um und ging wieder zu meinem Wagen. Zumindest hatte ich das vor, aber ich hörte eine bekannte Stimme.
"Erik?" Sagte Leo leise. Ruckartig drehte ich mich um. Sie stand an der selben Stelle, wo sie vorhin auch stand.
"Was war denn dringend?" Fragte sie ganz lässig, als ob sie nie in den Bus eingestiegen wäre.
"Du musst nicht weg. Ich habe eine Idee wie du bei mir...äh uns bleiben kannst." Sagte ich aufgeregt, versuchte aber auch lässig zu klingen. Ihr gelang das irgendwie besser.
"Nun erzähl schon." Sie kam über die Straße, auf mich zu. Als sie bei mir war und wir zusammen zu meinem Wohnwagen liefen, erklärte ich es ihr.
"Du könntest singen. Hier bei uns im Circus. Dann könntest du bei uns bleiben. Du könntest mit uns reisen und eine neue Showsensation werden." Sagte ich begeistert und voll von der Idee überzeugt.
"Ich soll singen?! Nein, niemals! Das kannst du vergessen. Ich singe doch nicht vor anderen Leuten." Sagte sie und fuchtelte wild mit ihren Armen herum.
"Komm mit." Sagte ich und nahm ihre Hand. Ich zog sie hinter mir her und wir gingen in die Manege.

*Leonies Sicht*

Er nahm meine Hand, was sich gut anfühlte und er rannte los. Wir rannten in das große Zelt, in die Manege.
"Los. Jetzt sing." Sagte er und zeigte auf die Manege.
"Was? Ich kann nicht singen. Nicht jetzt und auch nicht hier." Sagte ich und versuchte mich da irgendwie raus zu reden. Doch Erik wollte nicht locker lassen.
"Vertrau mir. Es macht Spaß..." Er ging in die Manege. Ich blieb neben der Manege stehen und guckte ihn misstrauisch an. Er drehte sich zu mir um.
"

Warum denn nicht? Es ist das schönste auf der ganzen Welt." Er drehte sich in der Manege. So wie er dich dort bewegte, sah er glücklich und frei aus.
" Es ist toll, wenn dich die kleinen Kinder, mit ihren großen Augen angucken und die Großen natürlich auch." Sagte er und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte schmunzelnd meine Augen. Er bewegte sich so elegant in der Manege.
"Sie himmeln dich an und für einen kleinen Augenblick bist du ihr Vorbild, ihr Idol und vielleicht sogar ihr Held. Es ist das tollste Gefühl, was man haben kann. Und ich würde das nicht hergeben wollen." Er sprach voller Überzeugung.
"Was würdest du nicht hergeben wollen?" Ich blieb immer noch misstrauisch stehen. Er drehte sich zu mir um.
"Mein Leben in einem Circus. Es ist großartig." Nach diesen Worten drehte es sich wieder um und guckte auf die leeren Plätze.
"Ich kann es ja mal versuchen." Sagte ich, war aber nicht von meiner Idee überzeugt. Schnell drehte er sich um, als hätte ich ihn aus seinem Traum gerissen.
"Ja! Komm her." Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich ging auf ihn zu und nahm seine Hand. Er zog mich an sich ran. So nah, dass ich seinen Atem hören konnte. Er war ruhig und gleichmäßig.
"Bleib genau hier stehen." Flüssterte er, da wir nur Millimeter von einander entfernt waren.
Mein Herz klopfte so schnell, ich hoffte er bemerkt es nicht, und ich bekam leicht schwitzige Hände.
Langsam ließ er meine Hand wieder los. Wir entfernter uns wieder und er verließ die Manege. Ich fragte mich was er jetzt vor hatte. Ich verfolgte ihn noch bis er hinter einem Vorhang verschwand.
Es dauerte nicht lange und mich blendete er riesiger Scheinwerfer. Vor Schreck zuckte ich zusammen und hielt mit meine Hand vor die Augen.
"Das ist hell." Sagte ich ins Licht. Sofort wurde es angenehmer. Erik stand über dem Eingang und dämmte das Licht. Er richtete den großen Scheinwerfer auf mich.
"Jetzt sing." Sagte er.
"Muss das wirklich sein? Mach den Scheinwerfer aus." Sagte ich ungeduldig.
"Warum denn so empfindlich? Später wird das auch so sein." Sagte Erik lachend von oben.
"Jetzt mach' ihn schon aus." Leicht genervt guckte ich ihn an. Er machte den Scheinwerfer aus und kam wieder zu mir runter. Er stellte sich vor mich hin. Nachdenken musterte er mich von oben bis unten. Ich fand das ziemlich unangenehm. Schützend nahm ich meine Arme vor meinem Körper zusammen.
"Was ist?" Fragte ich. Erik ging um mich rum und guckte nachdenklich.
"Da fehlt irgendwas." Er stellte sich wieder vor mich und musterte mich erneut. Ich lachte nur spöttisch.
"Ich habe es" Sagte er und schnippste mit den Fingern. Ich lauschte interessiert.
"Zieh deine Bluse aus." Sagte er und zeigte auf meine Bluse.
"Äh aber es geht schon noch um das Singen oder?" Fragte ich verwirrt. Ich hatte keine Ahnung was er machen wollte.
"Na dann knöpf' sie erstmal auf...Dann sehen wir weiter. Ich machte, was er von mir verlangte und knöpfe meine Bluse auf. Unter meiner Bluse trug ich ein Top mit einem tiefen Ausschnitt.
"Perfekt." Sagte er und grinste mich an.
"Und was sollte das jetzt?"
"Du musst sexy aussehen. So wird dein Kleid auch später sein." Bei diesen gut gewählten Worten drehte er sich um und holte etwas von einen Stuhl. Er reichte mir ein Mikrofon.
"Oh nein. Ich ziehe kein Kleid an." Ich nahm das Mikrofon in die Hand.
"Was möchtest du gerne Singen?" Fragte er mich. Noch bevor ich etwas sagen konnte, schlug er mir ein Lied vor.
"Titanium?" Fragte er mich und lächelte dich an.

*Eriks Sicht*

"Oh nein. Ich ziehe kein Kleid an." Sie nahm mir das Mikrofon aus der Hand. Sie sträubte sich, dennoch würde sie später doch ein Kleid anziehen.
"Was möchtest du gerne Singen?" In diesen Moment viel mir ihr super Auftritt im Center ein. Ich erinnerte mich noch gut. Sie stand auf der Bühne und sang "Titanium". Ihre Stimme war so klar und sanft. Gleich bei dem ersten Ton bekam ich Gensehaut. Sie sah mich aber nicht. Ich stand hinter einer Wand und lauschte ihrer Stimme. Nach ihrem Auftritt wollte ich zu ihr gehen, doch sie ging gezielt auf einen anderen Jungen zu.
Da ich es damals so schön fand, wollte ich es nochmal hören. Das war meine Chance.
"Titanium?" Fragte ich und lächelte voller Vorfreude. Sie guckte mich erschrocken an.
"Sagen wir, ich habe so ein Gefühl, dass du das echt gut singen kannst." Ich lächelte und klickte auf meinen Computer auf die "Play"-Taste.

Die Musik setzte ein, aber Leos Stimme nicht. Ich sag zu ihr rüber. Sie atmete extrem schnell. Man konnte sehen, wie ihr Brustkorb größer und kleiner wurde.
"Was ist los?" Fragte ich besorgt und ging zu ihr.
"Ich...ich. Ich kann das nicht..." Sagte sie mit zittriger Stimme. Ich stand vor ihr und nahm ihr das Mikrophon aus der Hand.
"Hey alles gut, es ist alles gut. Ich bin hier." Ich versuchte sie mit einer sanften Stimme zu beruhigen. Ich nahm meine Hand weg.
"Jetzt atme einmal tief ein und wieder aus." Sagte ich und legte meine Hand auf ihren Bauch. Sie begann ruhig zu atmen.
"Jetzt sing erstmal leise, ohne Mikro." Sagte ich und guckte ihr tief in die Augen.
Erstaunlicher Weise fing sie an zu singen. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Sofort bekam ich Gensehaut. Ihre Stimme ging durch meinen ganzen Körper. Es fühlte sich warm und herzlich an.
"Wow. Du bist echt großartig. Also deine Stimme...Ich meine wie du singst...Das ist echt...Wow." Versuchte ich zu sagen, wobei ich stotterte. Mir fehlten einfach die Worte. Sie war so wunderschön.
"Dankeschön." Sie strahlte über beide Ohren.
"Bitte versuch' es." Flehte ich sie an.
"Ich weiß nicht. Ich habe ja sogar Panik bekommen, obwohl hier niemand ist. Nur du und ich." Sie fuchtelte wild mit ihren Armen herum.
"Überdenk es bitte noch mal." Sagte ich und ging auf die Knie.
"Komm hoch." Sie lachte. "Ja ich denk nochmal darüber nach."
Luca und Daniel kamen ins Zelt und stellten den Tisch für das Mittag auf. Leo und ich halfen ihnen mit den Stühlen.

Das Mittagessen verlief soweit ruhig. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Leo mich öfter mal anguckte.
Als Nadine in das Zelt kam, guckte sie Leo verwirrt an. Es war so eine Mischung zwischen verwirrtem und Killer Blick. Leo lächelte sie provokant an. Nadine setzte sich hin und sagte keinen Ton. Ich grinste vor mich hin.

Die Frau hat irgendwas an sich. Sie lässt sich von nichts und niemandem einschüchtern, solange es kein Publikum ist. Sie ist so taff und schlagfertig.

Nach dem Essen gingen wir, auf meinen Wunsch, auf das Dach meines Wohnwagens. Leo saß dieses Mal nah an mir und wir unterhielten uns, bis dieses Thema aufkam.
"Ihr müsst doch bald alles zusammen packen, oder?" Fragte sie traurig.
"Ja wir fahren morgen früh los." Sagte ich auch traurig.

Früher habe ich mich immer darauf gefreut. Ich konnte andere Städte sehen und ich habe mit Luca und Daniel immer coole Spiele gespielt. Aber jetzt ist es anders. Leo hat mir so den Kopf verdreht. Alles dreht sich nur noch um sie. Soll ich ihr es sagen, bevor ich sie für immer verliere...?

The circus boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt