Kapitel 5.1 - Nadja in der Bar.

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Seit ungefaehr 2 Jahren arbeitete ich an Wochenenden oder gelegentlich auch abends in einer kleinen Bar in unserer Stadt. Meistens putzte ich eigentlich nur oder arbeitete hinten im Getraenkelager, doch seit ich 18 war durfte ich ab und zu auch an der Bar aushelfen oder die Gaeste bedienen. Die Tochter der Barbesitzer verschaffte mir die Gelegenheit, dort ein paar Mal zu arbeiten, um nebenher ein bisschen Geld zu verdienen, was fuer mich ziemlich praktisch war, da ich von meinen Eltern nicht einen Cent bekam fuer Klamotten oder Schulzeug. Die Tochter der Besitzer war in meinem Alter und ich kannte sie schon seit Jahren. Ihr Name war Malija, sie kam aus Bosnien, wodurch wir uns noch besser verstanden, da meine Eltern aus Kroatien kamen. Wir mochten die selbe Musik und teilten auch das selbe Hobby, Kickboxen. Dadurch lernten wir uns kennen. Eigentlich war sie ein echt tolles Maedchen - rein freundschaftlich natuerlich - aber trotzdem hatten wir leider nur noch selten Kontakt.

Meine Eltern wussten nichts davon, aber es interessierte sie sowieso nicht, wo ich mich rumtrieb, solange es jedoch keinen Stress mit der Polizei gab. Nadja wusste es, ich erzaehlte es ihr, als sie noch meine Lehrerin war und mir half, als es mir nicht gut ging. Sie bat mir damals ihre Hilfe an, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie war die einzige, die sah, wie es mir wirklich ging und die sich auch ernsthaft dafuer interessierte und um mich sorgte. Nadja war nichteinmal Vertrauenslehrerin an der Schule und trotzdem nahm sie sich nach dem Unterricht immer wieder die Zeit, um mir zuzuhoeren und mich zu ermutigen. Stundenlang haben wir teilweise geredet und ich habe ihr wirklich unglaublich viel zu verdanken. Sie verstand mich und ich fuehlte mich vom ersten Moment an wohl bei ihr. Normalerweise fiel es mir unglaublich schwer mich vor anderen zu oeffnen und eigentlich kam das auch nie vor, doch bei ihr war das anders. Da war von Beginn an keine Barriere in mir, die es verhinderte, dass ich mich ihr gegenueber oeffnen konnte. Keine Aengste und keine Zweifel. Und sie war der erste Mensch, der mich - nachdem ich ihr zeigte, wie ich wirklich bin - nicht anders ansah als vorher. Sie behandelte mich genau so wie davor auch, mit Respekt und Verstaendnis. Kein bemuttern, kein Mitleid, einfach nur reine Menschlichkeit. Sie wusste immer genau, was sie sagen musste, damit es mir besser ging. Nadja hatte einfach ein Haendchen dafuer. Egal wem ich mich bisher anvertraute, seien es Therapeuten, Freunde oder Familie, Nadja war und wird auch immer die Einzige sein, die es geschafft hat, hinter meine Fassade zu blicken. Sie kannte mein wahres ich und akzeptierte mich trotzallem, sie unterztuetzte mich in jeder Hinsicht und gab mich nie auf. Obwohl sie das alles nicht haette tun muessen und mich laengst haette fallen lassen koennen, blieb sie stets an meiner Seite und zeigte mir, dass ich nicht alleine war. Ich werde ihr dafuer immer unendlich dankbar sein, da nichts von all dem selbstverstaendlich war und ich das mehr als nur zu schaetzen weiss.

Aber zurueck zum eigentlichen Thema: Ich war nun wirklich schon lange nichtmehr im Laden, bestimmt schon ein halbes Jahr nichtmehr, wenn nicht sogar laenger. Seit das alles mit Nadja anfieng war ich allgemein kaum noch draussen. Zuerst schon, da ich dachte, ich koennte mich dadurch ablenken, aber egal wo ich auch hinging, ich suchte immer nach ihr. Und das tat mir nicht gut, deswegen verkroch ich mich. Das war jedoch weniger schlimm fuer Darko und Milena, die Eltern von Malija und die Besitzer der Bar, da sie sich zeitweise eine zweite Barista einstellten, damit Joži nichtmehr alleine bedienen musste, oder falls sie mal krank wurde, trotzdem noch jemand da war. Nun musste sie jedoch zurueck in ihre Heimat nach Italien aus familiaeren Gruenden, deswegen riefen sie mich an, ob ich eventuell fuer ein paar Abende einspringen koennte, bis sie jemand neues auf Dauer finden. Etwas Geld und zusaetzlich Ablenkung wuerden mir sicher nicht schaden, also sagte ich zu. Es machte mir sogar Spass und man traf dort auf die unterschiedlichsten Arten von Leuten. Ich lernte viele huebsche junge Frauen dort kennen, auch einige Kerle versuchten ihr Glueck, doch da waren sie bei mir an der falschen Adresse. Der Standarttyp sind allerdings nach wie vor verletzte, verzweifelte Frauen, deren Herz frisch gebrochen wurde und die sich nun all ihren Kummer an der Bar ausschuetten, also bei mir. Ich haette ein Buch schreiben koennen mit all den Geschichten die ich bisher schon zu hoeren bekam.

Es waren nun zweieinhalb Wochen vergangen, seit ich bei Nadja im Krankenhaus war und ich wusste nichteinmal, ob sie bereits entlassen wurde, oder wie es ihr eigentlich ging, da ich seither auch nicht mehr in der Schule war. Ich wollte sie besuchen, am liebsten sogar jeden Tag, doch ich hielt es fuer keine gute Idee, speziell wegen Katja. Wie wuerde es denn aussehen wenn jeden Tag eine Schuelerin ihre Lehrerin besucht? Und vorallem wollte ich die beiden nicht wieder zusammen sehen.

Es war Donnerstag, das bedeutete normalerweise nicht viele Gaeste, also konnte Joži an der Bar sein und ich hatte meine Aufgaben im Lager.

Ich rief Milena an um nachzufragen, ab wieviel Uhr ich ungefaehr da sein sollte, da sie schon ab 17 Uhr offen hatten, aber es normalerweise immer erst um 20 Uhr so wirklich los ging. Milena erzaehlte mir, dass sie seit einigen Monaten ein neues Wochenprogramm hatten und Donnerstags immer ein Special-Guest kam und dort auftritt. Es gab schon eine kleine Buehne, die bisher jedoch nur fuer Karaokeanende genutzt wurde. Heute kam wohl eine junge Jazz-Saengerin aus Schweden. Also, Planaenderung. Ich musste frueher da sein und neben meinen Lageraufgaben auch an der Bar aushelfen. Das bedeutete: anderes Outfit, aber dafuer mehr Trinkgeld. Wenn ich wusste, dass ich den ganzen Abend nur im Lager war, erschien ich immer wie der letzte Penner zur Arbeit. Dort hinten haette mich eh keiner zu Gesicht bekommen, also wozu dann schick machen? Doch wenn ich an der Bar arbeitete war das ganz anders: Skinny Jeans, etwas mehr Ausschnitt - aber nicht zu viel - und natuerlich Make Up on fleek.

17:30 Uhr. So unpuenktlich wie immer, aber das nahm mir keiner uebel, sie waren es gewohnt und nahmen es eher mit Humor. Ich band mir die Schuerze um und stellte mich zu Joži hinter den Tresen. Von ihr bekam ich erstmal eine sehr lange und feste Umarmung. Sie fehlte mir wirlklich und es tat mir so leid, dass ich es momentan nicht schaffte, den Kontakt zu halten, aber trotzdem war sie mir nie boese, sondern umso gluecklicher, wenn wir uns dann wieder sahen. Joži war etwas aelter als ich, doch sah mit ihren 28 Jahren unglaublich gut aus. Ich war groesser als sie, aber vom ersten Tag an nannte sie mich immer "moja mala" (=meine Kleine).  Und obwohl wir ausserhalb der Arbeit nie wirklich viel miteinander zu tun hatten, war sie wie eine grosse Schwester fuer mich.

Ich merkte erst jetzt wie sehr mir die Arbeit dort eigentlich fehlte. So langsam fuellte sich der Laden und der Stress ging los. In einer Stunde sollte die Jazz Saengerin auftreten und es war meine Aufgabe, die Buehnenausstattung aufzubauen. Ich freute mich wirklich darauf und es half mir sehr auf andere Gedanken zu kommen. Die Zeit verging wie im Flug, bis ich aufeinmal eine mir sehr vertraute Stimme hoerte. Ich drehte mich um und blickte zum Eingang: Es war Nadja. Mein Herz began zu rasen und mir wurde aufeinmal extrem kalt. Sie sah unglaublich schoen aus. Nadja trug ein graues Top und eine schwarze skinny jeans, die ihre perfekten Beine noch perfekter aussehen lies. Ihre Figur war bombastisch. Sie war dezent, aber trotzdem unbeschreiblich schoen geschminkt und sie trug ihre Haare offen. In der Schule hatte sie immer einen Dutt, deswegen war es sehr ungewoehnlich, sie so zu sehen, aber es stand ihr so gut. Sie sah bezaubernd aus und ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Nadja stand immernoch dort und sah sich um, als wuerde sie jemanden suchen. Sie war alleine, aber vielleicht wartete sie auf eine Freundin... oder etwa auf Katja. Bei dem Gedanken sank meine Laune in den Minusbereich. Ich schlich mich hinter der Buehne vorbei in Richtung Bar und beobachtete Nadja waehrenddessen immernoch. Sie wuehlte in ihrer Tasche herum und griff nach ihrem Handy. Ich ging zu Joži und bevor ich anfangen konnte zu reden, sagte sie etwas.

,,Siehst du die junge Frau dort drueben? Die rothaarige, mit den Locken, die gerade an ihrem Handy ist?", fragte sie und deutete unaeuffaellig auf Nadja.

,,Ehm ja, wieso? Was ist mit ihr?", fragte ich dezent schockiert und gleichzeitig verwirrt.

Ich konnte ihre Antwort kaum erwarten, was sie wohl ueber Nadja sagen wollte, aber gleichzeitig hatte ich auch ziemliche Angst davor. Kannte Joži Nadja etwa? Oder wollte sie ueber sie laestern?

Und in diesem Moment wusste ich noch nicht, dass Jožis Antwort - die ich niemals erwartet haette - so ziemlich alles veraendern wuerde..

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Naa was denkt ihr, was passiert? Wie wird es weiter gehen?
& wie findet ihr die Story bisher?
Freue mich ueber jede Nachricht, jedes Like und jede Art von Feedback/Kritik!:) xx

Loving Teacher. [girlxgirl]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt