»28. Kapitel

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Wind pfiff durch das geöffnete Fenster, als ich es ein wenig herunter kurbelte. Vorsichtig streckte ich Mein Gesicht nach draußen und ließ zu, dass mir die warme Luft direkt auf meine Haut prallte. Seufzend ließ ich den Kopf auf meinen Ellbogen sinken.

Wie wunderschön kann ein Ort eigentlich sein, fragte ich mich und sah der Sonne zu, die den Himmel gerade rot verfärbte. Ich hatte mich hier schon seit meiner Kindheit viel wohler gefühlt, als in England. Das Wetter war hier viel besser, die Menschen netter und das Meer war besonders abends wie eine Badewanne. Hier konnte man einfach abschalten.

Vereinzelte Menschen warfen uns aufgeschreckte Blicke zu, als der Taxifahrer wild hupend um eine Ecke fuhr und zwei kleine Kinder damit hinderte, nicht über die Straße zu rennen ohne sich vorher umzudrehen. Als sie jedoch sahen was passiert war, lachten sie und schenkten mir gut Gelaunte Lächeln. Am liebsten wäre ich für immer hier geblieben, doch erstens würde ich dann die wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht mehr um mich herum haben, und zweitens war mein Französisch einfach trés horrible.

„Madame? Pardon?“

Eine helle Stimme weckte mich aus meinen Überlegungen für immer bei meiner Mutter in dieser wunderschönen Stadt hier zu bleiben. Gähnend hob ich meinen Kopf an und setzte mich wieder aufrecht hin. Stechend graue Augen trafen mithilfe des Rückspiegels auf meine.

„Ja, bitte? Ähm, ich meine...Uoiii?“

„Pardon, mais-ihr andy at geklinelt.“

sagte er mit einem Mix aus Französisch und Englisch und deutete kurz mit seinem Zeigefinger über seine rechte Schulter. Automatisch folgte ich dem Wurstfinger. Mein Fokus fiel sofort auf dem kleinen, weißen Kasten, der halb unter meiner Handtasche verborgen lag, und fröhlich vor sich hin vibrierte.

Mit einem dankbaren Ausdruck im Gesicht drehte ich mich wieder nach vorne und fischte währenddessen mein Handy hervor.

„Märcie.“

„Pas problème.“

Ohne mich weiter mit dem gut gelaunten Taxifahrer zu beschäftigen, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den aufleuchtenden Bildschirm. Oh mein Gott. Unwirklich begann mein Herz etwas schneller zu schlagen, das kann doch jetzt nicht wahr sein. Ich zögerte nicht eine Sekunde, sondern drückte so schnell wie ich konnte auf den grünen Hörer.

„Hallo?“

„Rachel?“

Nur zögernd flüsterte die verrauchte Stimme am anderen Ende des Telefons meinen Namen. Nervös bohrte ich meinen Fingernagel in mein Bein.

„Ja?“

„Kann ich vielleicht kurz vorbei kommen?“

„Nein...“

War ja klar, dass du wieder vergessen hast es ihm zu sagen. Am liebsten hätte ich mich dafür selbst ohrfeigen können. Doch dann viel mir wieder ein, das Zayn und ich ja offiziell keine Freunde mehr waren, und ich also keinen Grund mehr dafür gehabt hatte, es ihm zu erzählen.

„Wieso?“

„Zayn, ich bin gerade in Frankreich, auf dem Weg zu meiner Mutter.“

erklärte ich so einfach wie möglich, und strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Für mehrere Minuten herrschte am anderen Ende komplette Stille. Damit gab er mir genau die passende Zeit mich selbst zu hinterfragen, wieso er mich genau jetzt anrief, und wieso er hatte vorbei kommen wollen.

Ungeduldig sah ich aus dem Fenster hinaus und beobachtete das Glitzern der abendlichen Sonnenstrahlen auf dem tiefen Blau des Meeres, das bereits zwischen ein paar Häusern hindurch zu sehen war. Vielleicht hätte ich ja doch die zweite Woche fahren sollen, und nicht die erste...

„Oh.“

Enttäuscht stieß Zayn, so wie ich ihn kannte, wahrscheinlich den Rauch einer Zigarette aus, die er immer rauchte, wenn er nervös oder sehr aufgeregt war.

„Wie lange bleibst du da?“

„Eine Woche. Aber das ist ja auch egal jetzt. Wieso wolltest du vorbei kommen.“

„Ich wollte dir etwas sagen.“

„Und was?“

Das du mich vermisst? Das du mit mir endlich alles klären möchtest und alles wieder so wie vorher wird? Das du mir sagst, das du mich nicht hasst?

„Das kann ich dir nicht über das Telefon sagen. Wenn dann schon muss es persönlich sein. Dafür ist es zu...wichtig.“

Erneut füllten sich seine Lungen mit Rauch, und pusteten ihn kurz darauf wieder aus. Wären wir in diesem Moment zusammen gewesen hätte ich ihn zweifellos dazu gezwungen mir zu verraten was er auf dem Herzen hatte, doch das konnte ich ja schlecht.

Mit großen Augen sah ich zu, wie der Mann hinter dem Steuer endlich in die, mir nur zu bekannte Straße einbog. Von weitem konnte ich schon das kleine Reihenhaus erkennen, wo meine Mutter wohnte.

„Ouh...Wel'che Nümer Madame?“

„Uhm...Jä pense vingt e dö?!“

„Was?“

„Ich meinte nicht dich, Zayn“

 „Pardon?“

„Ich meinte nicht sie, Monsieur.“

Schmunzelnd kurbelte ich das Fenster wieder zu. Der Franzose lachte leise über meinen leicht verwirrten Gesichtsausdruck, der Junge am anderen Ende hingegen gab kein einziges Wort von sich, weswegen ich beschloss noch schnell etwas zu sagen, bevor ich auflegen musste.

„Wollen wir vielleicht reden, wenn ich wieder da bin? Ich könnte dich dann anrufen und dann eventuell bei dir vorbei kommen, oder du bei mir?“

„Gute Idee.“

Ich spürte, wie das Auto immer langsamer wurde, je näher wir uns dem gelb angestrichenen Haus näherten. Dadurch, dass ich nur eine Hand frei zur Verfügung hatte, gelang es mir nur im Schneckentempo mich abzuschnallen und den Träger meiner Handtasche über die Schulter zu schwingen.

„Ich muss jetzt auflegen.“

„Okay, dann bis dann.“

Da es sich für mich so anhörte, als wolle er so schnell wie möglich auflegen, unterbrach ich ihn so schnell, das er noch dran bleiben musste.

„Zayn?“

„Ja?“

Der Motor wurde ausgeschaltet. Und mit ihm auch die Welt um mich herum. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend öffnete ich die Tür und schlüpfte mit den Beinen aus dem Auto heraus. 

Sollte ich es ihm wirklich sagen? Für den Bruchteil eines Momentes zweifelte ich an der, von mir erhofften Antwort seinerseits, doch dann tat ich es einfach.

„Ich-Ich vermisse dich. Sehr sogar.“

„Bis nächste Woche.“

Dann legte er auf.

Das mulmige Gefühl in mir verwandelte sich in Enttäuschung. Tiefe Enttäuschung. Ausdruckslos ließ ich das Handy in die Tiefen meiner Hosentasche gleiten und schlug die beige lackierte Tür so fest zu, dass der Mann darin erschreckt zusammen zuckte.

So schnell wie möglich tapste ich einmal um das Auto herum und öffnete den Kofferraum. Mit einem Ruck holte ich den großen, schwarzen Koffer heraus. Habe ich wirklich ernsthaft angenommen, dass er mich auch vermisste, fragte ich mich grummelnd und konnte über meine Dickköpfigkeit nur den Kopf schütteln.

Ich wollte gerade schnaubend mein Portemonnaie zücken, um den Fahrer zu bezahlen, doch eine große Hand, die sich auf meine legte hielt mich davon ab. Verwundert sah ich auf.

„Rachel? Was machst du denn hier?“

Eigentlich hatte ich angenommen, dass die Hand die meiner Mutter sein würde, doch da hatte ich mich wohl  gewaltig getäuscht.

Rock meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt