»42. Kapitel

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Zuerst geschah gar nichts.

Der Bildschirm in meinen Händen war total schwarz. Dann, nach ein paar Sekunden, wurde etwas sichtbar. Verwundert legte ich den Kopf schief und verfolgte gespannt die Aufnahme. Das vorherige Schwarz formte sich zu zwei braunen Augen, die prüfend in die Linse der Kamera sahen, mit der das ganze aufgenommen wurde. Zu meinem Erschrecken identifizierte ich die Augen mit Liams.

Verblüfft über die unerwartete Feststellung sah ich zu, wie er sich auf das Bett zubewegte, dass sich hinter ihm befand. Die Person, die darauf zu sehen war, kam mir nur zu bekannt vor. Ich konnte förmlich spüren, wie mein Herz einen gewaltigen Rutsch in Richtung Hose machte. Die Farbe in meinem Gesicht, schien sie gleich mitgenommen zu haben.

Oh nein.

Mir wurde schlecht, als sich die Personen in dem Video anfingen, sich auszuziehen. Die freigelegte Haut wurde gründlich erkundet, auch nicht einmal ein Zentimeter blieb unberührt. Und das schlimmste daran war, dass alles zu sehen war. Der Winkel der Kamera gab jedem, der sich dieses Video ansah, einen genauen Ausblick auf alles, dass sie zu bieten hatte.

Meine Finger klammerten sich so feste um mein Handy, dass die Knöchel hervortraten. Mir wurde warm und kalt zugleich, ich fing an zu schwitzen. Da ich mir die Aktivitäten der beiden nicht noch länger mit ansehen wollte, schloss ich das Fenster wieder und drückte oben auf dem Kopf. Mit schnellem Atem warf ich es in meine Schultasche.

Das konnte doch jetzt nicht wirklich wahr sein.

Erst jetzt erkannte ich auch die Intention, die hinter den ganzen Andeutungen und merkwürdigen Schauspielchen gelegen hatte. Sie hatten es alle gesehen. Meine ganze Schule. Und wahrscheinlich auch noch Zayn.

Bei dem Gedanken an dem immer noch wichtigsten Menschen in meinem Leben, drehte mein Magen sich regelrecht einmal vollständig herum. Wenn er es wirklich gesehen haben sollte, stand eines fest; unsere Freundschaft war endgültig vorbei. Vor lauter Panik spürte ich, wie meine Handflächen zunehmend feucht wurden.

Ohne auf die ganzen hämische Blicke zu achten, die förmlich an mir klebten, sowie das permanente Getuschel hinter mir, erhob ich mich ruckartig aus meinem Stuhl, der krachend nach hinten kippte, und quetschte mich aus meiner Sitzreihe heraus. Ich musste hier weg. Sofort. Und es war mir egal, was die anderen nun von mir dachten.

„Miss Hudson, würden sie bitte hierbleiben? Ich habe ihnen nicht erlaubt den Raum zu verlass-“

 „Mir ist schlecht.“

Mr. Parker konnte sagen und denken was er wollte. Ich würde keine Sekunde länger in diesem verruchten Klassenzimmer verbringen. Rasch stolperte ich zur Tür und riss sie auf. Vereinzelte Schüler in den ersten Reihen fingen erneut an aufgeregt über mich zu reden (was ich daraus schloss, da mein Name fiel), was mich in meiner Absicht nur noch mehr verstärkte. Mit einem Knall schlug ich die Tür hinter mir zu und rannte den leeren Korridor entlang.

War ich wirklich so naiv gewesen zu denken, dass da kein tieferer Hintergedanke hinter Liams Angebot gewesen war? Dem Anschein nach schon. Ich hätte mich nie auf diese schwachsinnige Sache einlassen dürfen. Doch jetzt war es wohl zu spät dafür.

Zu meiner eigenen Verwunderung, weinte ich nicht. Das einzige, das ich in diesem Moment verspürte, war ein unglaublicher Zorn, der in meinem Magen brodelte und nur darauf zu warten schien, endlich ans Licht zu kommen. Hervor gerufen wurde er durch die mächtige Erniedrigung. Ich war zur Schlampe der ganzen Schule geworden, wahrscheinlich bekam ich parallel dazu noch die Krone als neue Lachfigur aufgesetzt.

„Warte!“

Eine große Hand an meiner Schulter brachte mich dazu, stehenzubleiben. Sichtlich erschreckt und in der Erwartung einen weiteren, gehässigen Spruch an den Kopf geworfen zu bekommen, wirbelte ich herum und...blickte geradewegs in die Augen, die mich gerade noch auf meinem Handy angesehen hatten. 

Rock meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt