»36. Kapitel

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Es gab schon unendlich viele Situationen in meinem Leben, in denen ich mir einfach nur nichts anderes gewünscht hatte, als einfach nur auf der Stelle im Erdboden zu versinken und den anderen Personen, die daran beteiligt gewesen waren, am besten nie wieder zu begegnen.

Anfangs waren meine Versuche irgendwie unauffällig zu verschwinden schrecklich, und die dazu gehörigen Ausreden sehr denkwürdig gewesen, doch von Zeit zu Zeit hatte ich immer wieder aufs neue dazu gelernt und mich stets gebessert, sodass ich inzwischen mit Stolz sagen konnte, das ich Meisterin in diesem Bereich geworden war.

Doch auf die Situation, in der ich mich momentan befand, hatte ich eindeutig keine Ausrede parat, denn das hatte ich noch nie erlebt.

Es war komplett naiv zu denken, das diese Begegnung zwischen meinem ehemaligen besten Freund und einem Bad Boy, der sich zwischendurch mal bösartig und knallhart,  dann aber wie ein pubertierender Junge benahm, auf irgendeine Weise möglichst ohne eine Prügelei enden würde, aber ich beschloss einfach mal nicht allzu pessimistisch zu denken.

Bleibe einfach cool und verhalte dich so, als hättest du Liam gerade zum Abschied nicht geküsst, riet mir mein Gewissen und brachte mich ungewollt dazu meinen Herzschlag wenigstens etwas zu senken. Sage einfach irgendwas um die Spannung aufzulösen.

Und kurioser Weise hatte ich mit diesem Gedanken mal einen richtig guten gehabt, denn mit den Blicken, die die beiden nun inzwischen schon wie beim Ping Pong hin und her warfen, während Karen und Geoff nichts ahnend von allem dem, was sich hier gleich wahrscheinlich abspielen würde, von meinem Vater freudestrahlend empfangen wurden, hätte man jemanden glatt umbringen können.

„Also Weihnachtsmänner sind doch irgendwie echt pädophil, oder?“

Mit einem schiefen Grinsen auf den trockenen Lippen (Das waren sie immer, wenn ich total aufgeregt war), strich ich mir durch die Haare und wartete mit aller Hoffnung darauf, dass einer der beiden auf den wohl so ziemlich dümmsten Gesprächseinstieg, den die Menschheit je gehört hatte, reagierte.

Aber bei meinem Glück was ich immer hatte, drehte sich der Spieß einmal rum.

„Rachel, würdest du bitte ins Haus gehen?“

Ohne auch nur eine Emotion zu zeigen, wanderten Liams braune Augen zu mir herunter. Mit einem stummen Befehl, der durch ein leichtes Kopfnicken in Richtung Haustür deutlich wurde, wies er mich an mich aus dem Staub zu machen. Doch da hatte er sich mal mächtig getäuscht.

„Nein.“

So stur wie ich nun mal war, machte ich mich so groß wie möglich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Als Liam meine klare Antwort auf seine Anweisung sah stöhnte er genervt auf.

„Rein jetzt.“

befahl er mir wieder und hob nun den Arm, um drohend mit dem Zeigefinger auf das schmuddelige Haus zu deuten. Irgendwie erinnerte er mich an meinen Vater, wenn er versuchte sich einmal durchzusetzen, aber auch hier würde ich knallhart genau das nicht tun, was ich gerade eben machen sollte.

„Es ist wirklich besser, wenn du jetzt zu deinem Vater reingehst. Das hier ist nichts für dich.“

Instinktiv fuhr mein Kopf herum, als ich die zweite, leisere Stimme hinter mir wahrnahm. Die dunklen Augen musterten mich kurz ernst, bevor Zayn seinen Kopf wieder senkte und auf einen Zigarettenstummel vor seinen Füßen schaute. Im Gegensatz zu Liam kam er mir eher eingeschüchtert als angespannt vor.

Mit geröteten Wangen drehte ich mich abermals herum.

„Meine Güte, mir reicht es jetzt!“

rief ich kurz nachdem ich mich wieder auf Liam konzentriert hatte, und stemmte die Hände in die Hüfte. Keiner von den beiden hatte auch nur einen einzigen Grund sich jetzt wieder aufzuspielen und sich an den jeweils anderen zu messen.

Rock meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt