Sick

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'Der, der dich gewarnt hat.'





Von jetzt auf gleich wurde mein Mund staubtrocken und ich stellte das Atmen ein. Was bedeuteten diese Worte? Der, der mich gewarnt hatte?
Hastig überlegte ich und meine Gedanken überschlugen sich. Mir kam sein Gesicht bekannt vor, das schon, aber ich konnte es nirgendwo zuordnen.
'W-wie..'
Egal, wie sehr ich mich auch anstrengte, mir fiel nicht ein, wo ich ihn schon mal gesehen hatte. Jedoch klärte er es Sekunden später von selbst auf.
'Erinnerst du dich an den Zettel, den du im Unterricht erhalten hattest? Das war ich.'
Er äußerte es ganz beiläufig, als wenn es das normalste der Welt gewesen wäre.
Was er meinte, war daraufhin wieder sofort präsent in meinem Kopf. Ich konnte damals niemanden ausmachen, der mir den Zettel geschrieben haben könnte, doch die Worte auf ihm waren es wert gewesen, hinter die Identität des Verfassers zu kommen und jetzt befand er sich direkt vor meiner Nase.
Ich atmete einmal kontrolliert aus, um meinen bebenden Körper wieder einigermaßen zu beruhigen.
'Dein Name..'
'Junhong. Aber hier an der Schule bin ich besser als Zelo bekannt.'
Im Gegensatz zu seinem Gesicht war mir sein Name unbekannt. In der Klasse hatte ich ihn bestimmt schon einmal gesehen, aber da musste er so unscheinbar gewesen sein, dass er sich bei mir nicht eingeprägt hatte.
Aber alles hier machte für mich gerade keinen Sinn. Wieso warnten mich wildfremde Leute vor einer Person, von der sie sahen, dass wir nicht schlecht miteinander umgingen? Das war das Ausschlaggebende für meine nächste Frage.
'Und wieso warnst du mich?'
Er lachte. Ein unangenehmes Lachen, was dafür sorgte, dass mir ein Schauer die Wirbelsäule hinabkroch.
'Ist das denn nicht offensichtlich?', fragte er rhetorisch und redete gleich weiter 'Min Yoongi ist kein guter Umgang Jimin. Weißt du, was er getan hat?'
'Nein.', murmelte ich. Das alles hier war mir nicht geheuer, und ich fühlte mich nicht wohl. Diesen Typen, Zelo, umgab etwas angsteinflößendes.
Mein Gegenüber setzte zu einem neuen Satz an 'Er hat ande-'
'Jimin!'
Ich erschreckte mich unglaublich durch die Stimme, die von den Wänden zurückgeworfen wurde und laut durch den Flur hallte, sodass mein Fokus jetzt nicht mehr auf dem Jungen vor mir, sondern dem dahinter lag, der sich uns rennend näherte und mir konnte man bestimmt ansehen, wie erleichtert ich war, als ich wusste, um wen es sich handelte.
Bobby kam angerannt, wobei er Zelo hinter sich ließ, ihm nicht mal das kleinste Bisschen Beachtung schenkte, und mit einem besorgten Gesichtsausdruck schlitternd vor mir zum Stehen kam.
'Geht es dir gut Jimin?'
Meine Anspannung lockerte sich etwas und ich fing an zu lächeln.
'Ja..ja mir geht's gut.', versicherte ich ihm und ich war wirklich glücklich über den Fakt, dass Bobby jetzt hier war.
Das bedeutete, dass mir nichts passieren würde.
Auch sein Gesicht hellte sich auf bei meinen Worten, doch dieser Gesichtsausdruck verschwand, als er sich zu Zelo umdrehte und ich nur noch Bobbys Rücken sah, weswegen ich neben ihn trat.
'Was willst du hier Junhong?', Bobbys Stimme war schneidend scharf wie ein Messer und sein Tonfall brachte mich dazu, leicht zusammenzuzucken. Ich hatte ihn sonst immer als viel lachenden Menschen erlebt, und so ernst wie jetzt hatte ich ihn noch gar nicht kennen gelernt.
'Jimin erzählen, was damals vorgefallen ist.', war seine simple Antwort. Wenn er Angst empfand, zeigte er sie Bobby gegenüber jedenfalls nicht, denn nicht mal ein Zucken konnte man in seinem Gesicht ausmachen. Es war, als wenn die Anwesenheit des Anderen ihn kalt lassen würde.
'Vergangen ist vergangen.', setzte er an 'Und man sollte die Vergangenheit ruhen lassen.'
Verwirrt sah ich zwischen den beiden hin und her. Bobby wusste also auch davon. Ich hatte das Gefühl, als wenn ich die einzige Person war, die eben nicht wusste, was hier abging.
Mit seinen Augen hatte mein Freund sein Gegenüber fixiert und ignorierte meine fragenden Seitenblicke, bekam sie nicht einmal mit – anders Zelo.
'Wir wissen doch beide, was Yoongi getan hat. Willst du unseren Freund hier denn wirklich ins offene Messer laufen lassen?'
Mein Kopf schoss gleich in seine Richtung und ich hoffte, dass zumindest er mir sagen konnte, was vorgefallen war. Aber da machte mir Bobby einen Strich durch die Rechnung.
'Ich warne dich. Verlier noch ein Wort darüber und ich breche dir alle Knochen.'
Ich bemerkte, wie er neben mir seine Hand zu einer Faust ballte und ich konnte deutlich seine Kiefermuskeln arbeiten sehen.
Seine Stimme war so bedrohlich, dass ich mich fragte, ob das hier neben mir tatsächlich der Bobby war, den ich kennen gelernt hatte und selbst mir wurde unbehaglich und das, obwohl er auf meiner Seite war.
Von der anderen Seite aus hörte ich nur ein leises Lachen, bevor Zelo zu seinem letzten Satz in der nächsten Zeit ansetzen sollte.
'Ihr könnt es ihm nicht ewig verheimlichen. Früher oder später wird er dahinterkommen. Und dann wird er Yoongi in einem ganz anderen Licht sehen.'
Bevor ich oder Bobby noch irgendetwas sagen konnten, drehte er sich um und ging davon. Keiner von uns machte Anstalten, ihm zu folgen und so blieben wir beide an Ort und Stelle stehen, aber kaum war er weg, fiel auch das letzte Bisschen Nervosität von mir ab und ich wagte es, mich wieder zu bewegen.
'Bobby, was war das eben?'
Mit jedem Tag, den ich hier verbrachte, wurde das ganze Geschehen seltsamer. Menschen, mit denen ich vorher noch nie ein Wort gewechselt hatte, warnten mich vor meinen Freunden, ich wurde zusammengeschlagen und gerade der Mund von denen, von denen ich meinte, dass sie meine Freunde sein würden, war versiegelt.
In dem Moment realisierte ich, dass mir wohl keiner jemals die Wahrheit sagen würde und Wut stieg ich mir hoch. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dem man nicht sagen wollte, dass sein Hund gestorben war und aus diesem Grund immer wieder der Frage auswich, wo dieser wäre. Machte es ihnen Spaß, mich im Dunkeln tappen zu lassen wie einen Blinden, der ohne Hilfsmittel komplett orientierungslos war?
Doch Bobby, der noch immer zu der Ecke starrte, um die Zelo verschwunden war, rührte sich nicht, blickte weiterhin stur auf diesen Punkt.
'Hör nicht auf ihn Jimin. Er ist dafür bekannt, Zweifel zwischen Freunden zu streuen und diese gegeneinander aufzuhetzen.'
Erst jetzt, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, wandte er sich mir zu, aber seine Augen wirkten so kalt, dass ich nicht mehr wusste, aus wen von all den Personen, auf die ich traf, die Wahrheit sprach und wer eine Lüge in meinen Kopf setzen wollte.
'Geh am besten dorthin, wo du hinwolltest. Wir sehen uns später.'
Direkt nach diesen Worten setzte auch er sich in Bewegung, drehte sich nicht noch mal zu mir um, als er in die andere Richtung als Zelo verschwand.
Doch auch, wenn der Gang daraufhin in Stille versank – meine Gedanken taten es nicht.


'Jimin ist alles in Ordnung? Du siehst so aus, als hättest du einen Geist gesehen.'
Ertappt schreckte ich aus meinen Gedanken hoch, hatte vergessen, wo ich eigentlich vor und vor allem mit wem.
'Was? Ja ja, alles in Ordnung.', auch wenn ich mich anstrengte, überzeugend zu klingen, sprach Jungkooks Blick, den er mir nach dieser Bemerkung gab, Bände, doch er beließ es dabei.
'Wie war dein Wochenende noch?', lenkte er das Gespräch in eine andere, für mich angenehmere Richtung, und ich fing an zu erzählen.
'Eigentlich ist nichts spannenderes weiter passiert. Taehyung war bei mir und wir haben zusammen gespielt, aber sonst. Und was hast du noch gemacht?'
Interessiert hatte er meiner kurzen Schilderung gelauscht und jetzt erhob er das Wort.
'Ach, bei mir ist sonst auch nichts los gewesen, außer, dass ich ein wenig gelernt habe.'
Da ich nicht genau wusste, was ich dazu groß sagen sollte, entschied ich mich dafür, schlichtweg zu lächeln, was Jungkook auch sogleich erwiderte.
'Aber Jungkook', kam es von mir, nachdem wir uns für einen kurzen Zeitraum angeschwiegen hatten 'würde es dir etwas ausmachen, nächste Pause wieder in die Cafeteria zu gehen? Ich habe so lange nicht mehr mit Namjoon und Yoongi gesprochen.'
Bei dem letzten Namen verkniff ich mir ein dämliches Grinsen, was ein verliebtes Mädchen im Gesicht hatte, wenn es von seinem Schwarm sprach. Insgeheim freute ich mich darauf, wieder mit Yoongi zusammenzusitzen und ihn beobachten zu können, auch wenn ich wahrscheinlich durch seine Präsenz irgendwas verschütten würde, aber das war nebensächlich und ich würde es ohne zu murren in Kauf nehmen.
Er blinzelte mehrmals 'Klar, können wir machen. Namjoon meinte eh zu mir, dass er gern mal wieder mit dir sprechen würde.'
Wir saßen uns in seinem Klassenraum, der so gut wie leer war, gegenüber und während er sprach rückte er etwas näher an mich heran, sodass sich unsere Beine berührten, was mich dazu brachte, ihn schüchtern anzulächeln.
Jungkook war zwar nicht so süß wie Yoongi, auch wenn das bei diesem eher unfreiwillig war, aber dennoch süß und ich schätzte seine Nähe, weswegen ich ihm als stumme Antwort meine Hand aufs Bein legte.
Doch manchmal muss man mit gewissen Dingen abschließen, um voranzukommen, und diese Erfahrung würde auch noch ich machen müssen.

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In der zweiten Pause machte ich mich allein auf zur Cafeteria und war auch verhältnismäßig schnell da. Als ich durch die Tür ging, konnte ich Namjoon, Hoseok und auch Jungkook schon an einem der Tische sitzen sehen, die schon fleißig am essen waren und ehe ich mich versah stand ich auch schon bei ihnen.
Mein Magen hatte sich bereits im Unterricht gemeldet und den Mädchen damit ein Kichern entlockt, wofür ich ihn verflucht hatte und dementsprechend war ich schneller als der Wind aus dem Raum gefegt und zur Mensa, Richtung Essen, gerannt.
Ich wollte mich gerade an den Tisch setzen und hatte mein Essen schon auf diesem abgelegt, doch auf einmal spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern, weswegen ich mich tierisch erschreckte und unmännlich aufquiekte.
Hinter mir hörte ich ein Lachen und mit pochendem Herzen drehte ich mich um, hielt mir die Stelle, an der es so aufgeregt schlug.
'Was war das denn?'
Hinter mir befand sich Yoongi, nur ein paar Zentimeter von mir entfernt und zu meinem Schock mischte sich nun auch die innere Unruhe, die ich aufgrund eben dieses geringen Abstandes empfand. Er klang herrlich amüsiert und ich spürte wieder diese allzu sehr bekannte Wärme in meinen Wangen.
'Mach das nicht noch einmal!', beschwerte ich mich und wollte einen Schritt zurücktreten, wobei ich aber gegen den Tisch stieß und Namjoon aufschrie, da ich dabei fast das gesamte Essen vom Tisch schmiss und er es festhielt, damit es nicht seinen Weg auf den Boden fand. Auch Hoseok reagierte schnell und sicherte das Essen, wobei er nur aufschaubte.
Was musste mich Yoongi auch so erschrecken, mir war das hier gerade mega peinlich und wäre ich nicht schon rot gewesen, dann spätestens jetzt.
'Du bist süß, wenn du wie ein Mädchen schreist.', meinte er lachend und jetzt waren es nicht mehr nur meine Wangen, die warm wurden.
'Yah!', schoss es auf mir heraus und ich wollte noch etwas nachsetzen, doch Yoongi hatte wohl keine Lust mehr auf mein – zugegeben – mädchenhaftes Geschreie, weswegen er mich kurzerhand umdrehte und neben Namjoon auf einen Stuhl drückte.
Und schon wieder brannten die Stellen, die er an mir berührte, wie Feuer, aber es wurde noch schlimmer, denn er setzte sich neben mich und packte in aller Ruhe sein Essen aus, während ich mir ein riesiger Tumult herrschte. Konnte er sich wenigstens ein BISSCHEN weiter von mir wegsetzen? Ich konnte ja nicht mal mehr meine Stäbchen richtig halten.
'Jimin, ich glaube, du solltest eine Cola oder sowas trinken, zu zitterst ja richtig heftig.'
..danke Namjoon, dass du das jetzt vor allen erwähnen musstest. Als wäre die Pause nicht ohnehin schon peinlich genug für mich gewesen.
Ich warf ihm nur einen genervten Blick zu und ignorierte die der Anderen so gut es ging, da ich für heute schon genug aufgefallen war. Gab es eigentlich noch eine Steigerung von meinen Fehltritten? Zu meinem Glück nicht, denn den Rest der Pause verbrachten wir nur mit essen, wobei sich alle bis auf Yoongi und ich sich angeregt unterhielten und mich mein Unglück verließ.
Doch Yoongi neben mir machte mich fertig. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich beim Essen beobachtete, und wenn ich sowas mitbekam, konnte ich nicht mal mehr richtig essen, aber wahrscheinlich war das alles nur Einbildung, wenn nicht sogar Wunschdenken und ich schob meine Bedenken beiseite, verfolgte Hoseok beim Essen, um mich ablenken zu können und wie aufs Stichwort klingelte es, als wir fertig waren und ohne Umschweife ging ich gleich wieder zurück zu meinem Klassenraum.


Was ich aber erst viel viel später erfahren sollte, war, dass ich mir das Gestarre nicht eingebildet hatte.



Die nächste Zeit war wieder allen beim Alten. Ich aß wieder mit den anderen zusammen zu Mittag und traf mich auch so wieder mit ihnen in der Pause und so hätte es auch bleiben sollen und können.
Bis zu dem Tag, an dem Yoongi krank wurde.
Es war nur ein paar Tage, nachdem ich wieder normal mit Yoongi geredet hatte, dass er mit einem Mal in der Schule abwesend war.
Ich glaubte, dass Yoongi nicht mal das kleinste Bisschen fertig machen konnte, und dann, von ein auf den anderen Tag, war er weg.
'Wo ist Yoongi eigentlich?', wollte Hoseok dann wissen, als wir in einer der Pausen in der Cafeteria saßen und zu Mittag aßen. Ich war froh, dass ich die Frage nicht stellen musste und um mir nichts anmerken zu lassen, konzentrierte ich mich weiter auf mein Essen, welches sich vor mir befand. Jungkook saß neben mir, während Hoseok zu meiner Rechten saß und Namjoon uns gegenüber.
'Der ist krank.', meinte er nur mit vollem Mund und schob sich die nächste Portion Reis in diesen, war allerdings im Gegensatz zu mir wirklich ins Essen vertieft.
'Keine Ahnung, was er genau hat. Aber er wird die nächsten Tage nicht in die Schule kommen.'
Hoseok starrte ihn nur an, schien zu überlegen, was er dazu sagen sollte, bevor er lediglich mit den Schultern zuckte und sich auch wieder seinem Essen widmete.
Doch in mir kam die Besorgnis hoch. Was hatte er, dass er nicht zur Schule kommen würde?
Yoongi erweckte den Eindruck in mir, dass er hart im Nehmen war, und gerade deswegen kam ich ins Stutzen. Ich wollte wissen, was mit ihm los war. Über SMS wollte ich es ihn nicht fragen, und deshalb überlegte ich.
Ich könnte als Vorwand, um ihn sehen zu können, seine Beanie bei ihm abliefern. Die wollte er eh seit einer ganzen Weile wieder haben und wenn ich mir noch länger Zeit damit lassen würde, würde ich wahrscheinlich demnächst selbst nicht mehr zur Schule kommen können.
Und so war es beschlossene Sache. Noch heute würde ich zu ihm gehen und ihm einen Besuch abstatten.

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Und so kam es, dass ich nun hier stand, vor der Tür von Yoongis Haus, unschlüssig darüber, ob ich denn jetzt nun klingeln sollte oder nicht, denn ich konnte nicht abschätzen, wie er auf meinen unangekündigten Besuch reagieren würde.
Da ich aber noch einen anderen Vorwand haben wollte, falls der erste nicht funktionieren sollte, war ich, kurz bevor ich zu Yoongi aufgebrochen war, in eine Apotheke gerannt und hatte ihm einen Erkältungstee gekauft, da ich der Meinung war, dass sowas nicht schaden und man ihn immer gebrauchen konnte.
In meiner anderen Hand befand sich seine Beanie, deren weicher Stoff sich an meine Hand schmiegte.
Der Geruch von Yoongi an ihr war schon verflogen und durch meinen eigenen ersetzt worden, was ich mehr als bedauerlich fand.
Vielleicht könnte ich mir ja eine neue von ihm erstehlen, sodass ich wenigstens ein neues Andenken von ihm hatte, denn ich merkte, dass mein Schlaf immer besonders erholend war, wenn ich sie mit in meinem Bett liegen hatte und ihren Duft inhalieren konnte.
Nur weiter als bis zur Tür war ich bis jetzt nicht gekommen, und ich stand bestimmt schon mindestens 10 Minuten vor ihr wie bestellt und nicht abgeholt und langsam wurde es mir zu blöd.
Selbst wenn Yoongi mich nicht bei sich haben wollte, wäre er wahrscheinlich nicht so fit, dass er mich gleich rauskicken könnte, und so ging ich das Risiko ein und betätigte die Klingel, die danach fröhlich vor sich hindudelte.
Es dauerte doch etwas länger, bevor ich Geräusche von der anderen Seite der Tür vernahm und sich ein Schlüssel im Schloss drehte.
'Was ist?!'
Vor mir tauchte ein schlecht gelaunter Yoongi auf, der aussah, als hätte er die letzten Tage nur mit Schlafen zugebracht. Seine Nase war rot, seine Lippen trocken und sein Gesicht war bleicher, als es ohnehin schon immer war – und doch war er für mich immer noch der schönste Mensch, und obwohl seine Stimme näselnd aufgrund seiner angeschwollenen Nase war, hatte sie nichts an ihrer Schärfe eingebüßt.
'Was willst du denn hier Jishit?', sein Tonfall, der eben noch mehr als genervt klang, wandelte sich schlagartig und wurde milder.
'Naja ich, ähm..wollte dir deine Beanie vorbeibringen und noch etwas gegen deine Krankheit.', schüchtern hielt ich ihm beides hin, woraufhin er nur auf meine Hände sah und keine Anstalten machte, sich zu bewegen und das verunsicherte mich ziemlich. Hätte ich vielleicht doch besser nicht kommen sollen?
Doch dann nahm er mir doch die Sachen aus der Hand und drehte sich um 'Komm rein.', und ich tat wie mir geheißen, nachdem er vorging.
Ausnahmsweise hatte er mal keine Musik an. Die Jalousien an den Fenstern waren zur Hälfte runterglassen und auch sonst wirkte alles sehr ruhig, aber anders als gedacht gingen wir nicht in die Küche oder das Wohnzimmer, sondern er lief die Treppen hoch und ich folgte ihm.
Oben angekommen sah ich mich erstmal um. Bis jetzt hatte ich diesen Teil des Hauses noch nicht gesehen und wollte mir alles genauer ansehen, aber Yoongi ging einfach weiter und so war ich gezwungen, ihm zu folgen und er hielt erst an, als wir durch eine Tür traten und in einem Zimmer – seinem Schlafzimmer – ankamen. Hier war es noch dunkler als es unten schon der Fall gewesen war und ohne auf mich zu achten legte Yoongi die Sachen auf einer Kommode ab und verkroch sich in seinem großen Bett.
Ein wenig hilflos blieb ich im Türrahmen stehen und wusste nicht so recht wohin mit mir, bis ich zaghaft auf das Bett zuging und mich neben Yoongis Gestalt niederließ.
Überall im Raum verteilt lagen Taschentücher und ich konnte mir gut vorstellen, dass Yoongi innerlich bestimmt tausend Tode starb, doch er sagte nichts dazu.
Nur das Ticken einer Uhr war die einzige Geräuschquelle im Zimmer und ich spielte mit meinen Fingern rum, da es mir trotz dessen zu still war.
Von Yoongi ging nur ein gleichmäßiges Atmen und hin und wieder ein Schnauben aus, sonst war er ruhig, doch nach ein paar Minuten, in denen er nur im Bett lag, setzte er sich auf und starrte mich aus seinen schläfrig wirkenden Augen heraus an, aber er sagte nichts.
Um zu verhindern, dass diese Situation ganz komisch wurde, fing ich an zu reden.
'Y-yoongi wa-'
Ich quietschte beinahe wie am Spieß, als er mich in einem wahnsinns Tempo zu sich runterzog, mich aufs Bett drückte und sich an mich kuschelte.
'Ruhig Jishit', befahl er mir müde, während er seinen Kopf auf meine Brust bettete und seine Arme um mich schlang 'ich will schlafen.'
Passierte das hier gerade wirklich? Ich wollte ihn schon wegdrücken, aber dann argumentierte nicht mehr nur meine Logik, sondern auch etwas anderes mischte sich mit ein – mein Herz. Und es schrie nach dieser Berührung, nach dieser Empfindung, die aufgrund von Yoongis Handlung entstand, lechzte förmlich danach. Deshalb wehrte ich mich nicht auch nicht mehr dagegen, sondern ließ es geschehen.
Doch mir wurde richtig heiß, und ob das jetzt an Yoongi lag, der aufgrund des Fiebers regelrecht glühte oder an der Tatsache, dass diese Nähe zu ihm etwas in mir bewirkte, vermochte ich nicht zu sagen.
Ich traute mich jedenfalls kaum zu atmen.
Dieses Gefühl – er so nah an mir – war zwar unbekannt aber..wunderschön. Es fühlte sich gut an. Als ich mich dazu überwinden konnte, meinen Kopf soweit nach unten zu bewegen, dass ich auf ihn herabsehen konnte, kitzelten seine blonden Haare mein Kinn und ein Geruch von Mango erfüllte meine Nase. Wieso roch er nur so gut?
Yoongi atmete gleichmäßig und sein Körper hob und senkte sich leicht auf meinem bei jedem seiner Atemzüge. Er wirkte so friedlich und ich nahm meinen Mut zusammen und legte meine Arme um ihn und auf Anhieb kuschelte er sich noch enger an mich, sodass so gut wie kein Abstand mehr zwischen uns herrschte und ich ließ meinen Kopf zurück in die Kissen sinken.
Tausende von Schmetterlingen ließen meinen Magen rumoren, mir wurde schwindlig und ich hatte Bedenken, ob Yoongi nicht meinen polternden Herzschlag hören würde.
Überall, wo er mich berührte, kribbelte es angenehm und ein Glücksgefühl nach dem anderen jagte durch meinen Körper.
..und ja ich denke, das war der Moment, in dem ich ihm endgültig mit Haut und Haaren verfallen war.


In den Stunden, die ins Land gezogen waren, hatte ich mich so gut wie nicht bewegt. Yoongi war inzwischen wohl eingeschlafen, denn er sagte nichts weiter, sondern lag einfach nur auf mir und schnarchte ab und an leise, was mein Herz jedes Mal zum Hüpfen brachte. Er war so unglaublich süß, wenn er schlief und ich bedauerte es, dass ich keinen freien Blick auf sein Gesicht hatte, aber das war wahrscheinlich besser so, denn ansonsten hätte ich noch komische Geräusche aufgrund seiner Niedlichkeit von mir gegeben.
Mir machte es nichts aus, dass mir so langsam die Muskeln wegen der fehlenden Bewegung schmerzten, denn das hier war es allemal wert und ich hätte es definitiv noch ein zweites Mal getan.
Am liebsten hätte ich mein Gesicht in seinen Haaren vergraben und seinen süßlichen Duft eingeatmet, entschied mich dann aber letzten Endes doch dagegen, da Yoongis Reaktion darauf nicht unbedingt positiv ausfallen könnte.
Es war nicht leicht, es zuzugeben, aber ich hatte Yoongis Nähe vermisst. Seine Stimme, seine Art, alles an ihm. Wenn dieser Junge nur wüsste, wie er mich um den Verstand brachte..es war ein Wunder, dass ich mich in einem Gespräch mit ihm überhaupt richtig artikulieren konnte, denn er brachte wirklich alles in mir durcheinander. Selbst, wenn er es niemals hören wollen würde, war er so süß wie Zucker und brachte mich regelmäßig zum Schmelzen mit seinem Verhalten. Ein Lächeln umspielte meine Lippen und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn küssen zu können, aber da das noch ein größeres Risiko darstelle, als an seinen Haaren zu riechen, kam das sowieso nicht infrage.
Aber meine verliebten Gedanken fanden jäh ihr Ende, als mir sein Beiname wieder einfiel. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Yoongi etwas schreckliches getan haben sollte. Es wollte einfach nicht in meinen Kopf gehen. Ich war dem 'Monster' so nah wie nie zuvor, und was ich dabei verspürte, war keine Angst, keine Furcht und auch kein Unwohlsein. Nein,ich mochte es.
Wenn ich etwas in der Zeit, die ich mit Yoongi verbracht, gelernt hatte, dann, dass er seinen Beinamen nicht verdiente, dass er kein Monster war, so wie ihn alle titulierten und darstellen.
Zu diesem Zeitpunkt fasste ich einen Entschluss: Ich würde in Erfahrung bringen, was vorgefallen war und was hinter dieser ganzen Sache mit dem 'Monster' steckte. Mit allen Mitteln.

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