Gesegnet sei der, der nichts erwartet.

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Den Gang langsam zum Esssaal schreitend, lauschte ich den Geräuschen im Gebäude und musste mit missgunst veststellen, dass sich all hier Wohnenden im Esssaal befanden. Schlecht gelaunt ging ich dennoch weiter, denn ich wusste, ewig aus dem Weg gehen könnte ich ihnen nicht. Es würde komisch werden, wieder mit denen zusammenzuleben, die mich damals aufgaben oder mir nie eine Chance gaben, doch eins hatte ich mir geschworen. Niemals würde ich ihnen wieder vertrauen, denn ich wusste zu was dieses führen konnte, wenn es missbraucht wurde. Vor dem Saal stehen bleibend, atmete ich noch ein aller letztes Mal tief durch, bevor ich mich erneut in die Schatten meiner Vergangenheit warf. Die Seitentüren öffnend, trat ich nun in den etwas größeren angelegten Raum ein und spürte zeitgleich den gesamten Hass der vergangenen letzten drei Jahre in mir aufwallen. Dieser Ort tat mir nicht gut, doch was hatte ich schon großartig zu sagen? Das Gefühl der Einsamkeit nagte an mir und fraß sich tief in mich. Die dabei aufkommenden Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen machten es nicht unbedingt besser. Die vielen neugierigen Blicke der Anderen ignorierend, setzte ich mich auf einen der leeren Stühle und somit direkt neben Shin. Gelangweilt und Desinteressiert starrte ich stur auf den gedeckten Frühstückstisch, wobei die zuvor herrschende Stille noch immer anhielt. Schritte einer etwas älteren Dame waren zu hören und prompt stand sie auch schon im Saal. „Meine Güte! Was ist den hier los? Warum zieht ihr denn alle so lange Gesichter, Kinderchen?" fragte sie sichtlich verwirrt und stirnrunzelnd drehte ich meinen Kopf fragend zu meinem Sitznachbarn. Sie ist viel zu freundlich und naiv! Nicht das Beste, das dieses Schloss bekommen hätte können. Ich nehme an sie weiß nicht, dass ich die Anderen nicht ausstehen kann, oder?" sprach ich in Gedanken und wusste dabei ganz genau er würde mir dabei zuhören, sein tadelnder Blick dabei war mir Antwort genug und ein leichtes Lächeln zierte meinen Mund. Ein unangenehmer Schauer lief mir den Rücken hinab, als er sich in meinen Kopf drängte, somit ich gezwungen war mir seine Antwort anzuhören. Leise seuftzend sprach er Komm wir gehen. Es ist noch Besuch für dich gekommen und dieser kann es kaum erwarten dich wieder zu sehen." „Besuch?" Neugierig zog ich die Augenbrauen nach oben, während er aufstand und seinen Stuhl wieder an den Tisch schob. Ohne auf mich zu warten verschwand er aus dem Raum und ich blickte ihm nur verdattert hinterher. Was war den jetzt schon wieder los? Hatte ich schon wieder irgendetwas Falsches gemacht? Seuftzend ihm hinterher eilend, ließ ich alles stehn und liegen, ohne die Anderen auch nur einmal zu beachten, welche das stille Gespräch zwischen mir und Shin interessiert beobachtet hatten. Seinen Geruch folgend, lief ich den langen Flur entlang und mit jedem Schritt wurde mein Verdacht mehr und mehr bestättigt, wer sich hinter diesem Besuch verbergen würde. Die Art wie dieser jemand atmete, wie er sich bewegte und dieser Geruch, doch ab da hielt ich inne. Etwas war anders! Etwas stimmte hier nicht! Ich roch....Rosen? Stirnrunzelnd sah ich in den Raum, dessen Türe weit offen stand und riss meine Augen verwundert auf. Die Augen mehrmals schließend und wieder öffnend betrachtete ich das Geschehen vor mir. Mein Bruder stand entspannt an einem Tisch gelehnt, während er eine Asiatin in den Armen hielt und sie lächelnd betrachtete. Shin welcher nur daneben stand, mussterte die beiden und warf ihnen einen kritischen Blick zu. Ein kurzer Stich ins Herz lähmte mich und ließ mich für einen kurzen Augenblick inne halten. Er hatte es sich offensichtlich die letzten drei Jahre gut gehen lassen, während ich unter Victors Bann stand. Er hatte sich die Haare kürzer geschnitten, welche ihm leider ausgesprochen gut standen und seinen Klamottenstil geändert. Er trug nun eine normal blaue Jeans und dazu ein graues T-shirt, welches seine Muskeln betonte, die nun auch stärker ausgeprägt waren als früher. Alles in allem, er hatte sich stark verändert, wärhrend ich immer noch in dieses tiefe schwarze Loch fiel, welches sich aufgetan hatte, seit meiner Verwandlung. Mit steigender Wut löste ich mich aus meiner Starre und lief auf die Drei zu. Direkt vor ihnen blieb ich stehen und erst da bemerkte mich Manuel, der bis vor kurzem noch voll fokusiert auf das Mädchen in seinen Armen gewesen war, doch nun sah auch sie mich an und wirkte beinahe etwas ehrfürchtig vor mir. „Manuel." sprach ich seinen Namen leicht abwertend aus und sah ihn mit kalten herablassenden Blick entgegen. „Lydia, ich..." setzte er an und löste sich von dem Mädchen, damit er mich umarmen konnte, doch schnell schob ich ihn von mir weg. „Bleib bloß von mir fern!" knurrte ich mit dunkler Stimme wütend und konnte spüren, wie die altbekannte Hitze durch mich floß. Verwirrt blinzelte er mich an und dann das Mädchen neben ihm, welche nur die Schultern ratlos hob, bis er sich wieder zu mir wand. „Lydia,..." setzte er erneut an, doch ich schnitt ihm dazwischen. „Wagt es euch noch einmal dieses Schloss zu betreten oder mit mir sprechen zu wollen und ich werde euch beide umbringen!" schrie ich wütend und machte auf dem Absatz kehrt, als ich den Ring an ihrer Hand erkannte. Er hatte mich all die Jahre allein gelassen! Ich konnte verstehen, dass er nicht viel gegen Victor ausrichten konnte, doch ich hatte wenigstens gehofft auch er würde nach mir suchen, mich nicht kampflos diesem Monster ausliefern, doch ich hatte mich geirrt. Selbst auf ihn war kein Verlass! Ohne es verhindern zu können liefen nun doch die Tränen und wieder einmal hasste ich mich selbst dafür. Ich hätte es wissen müssen! Doch wieder einmal war ich zu naiv! Wie konnte ich nur glaube, dass irgendwann mal jemand für mich da sein würde? Warum konnte ich es nicht einfach akzeptieren, dass ein Monster, wie ich, sich soetwas nicht erlauben konnte? Warum... wollte ich meinen nächsten Gedanken weiter fortsetzen, doch da lief ich auch schon im nächsten Moment gegen etwas oder eher jemanden. Verwirrt blickte ich in das Gesicht desjenigen und musste üblerweise feststellen, dass es sich bei dieser Person um Amalia handelte, die mir nun geschockt ins Gesicht sah. Weshalb dies so war, wurde mir erst nach ein paar Sekunden klar. Mein Gesicht musste total verheult aussehen. Na toll, als hätte ich nicht schon genügend Probleme! Plötzlich ergriff mich eine so gewaltige Wut, die den Hass und Zorn in mir weiter am brennen hielt, dass mir beinahe selber die Luft wegblieb. „Lydia, ich... es tut uns leid." Dieser eine Satz brachte alles zum Überlaufen, nun war ich bereit zu töten. Mich hielt nichts mehr. „Unser Verhalten war falsch, mein Verhalten war falsch. Ich bin ehrlich, ich war damals überfordert. Ich hatte nie Geschwister und auch sonst niemanden, den ich wirklich liebte." sprach sie und ich stand einfach daneben, zeigte so gut es eben ging keine Reaktion, hörte ihr einfach zu, doch alles was sie sagen möge, würde nichts mehr ändern können. „Ich kannte so etwas nicht und erst als ich Kai kennen lernte, verstand ich was es bedeutet, wenn einem jemand wichtig wird. Jetzt wo ich die Anderen kennen gelernt habe, möchte ich sie nie wieder missen. Sie sind zu einem Teil von mir geworden und ich möchte, dass auch du einer meines Lebens wirst. Glaub mir ich hasse mich dafür, dass ich so grob zu dir war, gerade in der Zeit, in der für dich eh schon alles auf Kopf stand. Ich wünsch..." „Halt die Klappe!" unterbrach ich sie ohne jeglische Gefühle in der Stimme. „Denkst du wirklich, dass würde reichen?" lachte ich leicht verspottend. Nach ihre kleinen Rede, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt hatte, war mir eine Sicherungdurchgebrannt. Was bildetete sich diese kleine Hure ein? Der Drang ihr zu zeigen mit wem sie sich angelegt hatte, war groß. Ich wollte ihr das Fürchten lehren, damit sie es nie wieder wagen würde, auch nur irgendwen in solch einer Form zu behandeln. Ich war nicht mehr ich selbst, ich verlor die Kontrolle. Langsam hob sich meine Hand und gleichzeitig spürte ich, wie sich die Hitze in meinem Arm sammelte. Doch noch bevor ich auch nur irgendetwas tun konnte wurde ich jeh unterbrochen. „Lydia!" seine tiefe Stimme ließ mich zittern vor Wut, doch auch bemerkte ich zu meinem Leidwesen, wie sich meine Muskeln wieder entspannten und ich langsam wieder zur Vernunft kam.

Geschockt sah Manuel ihr hinterher, doch ich hatte ihn noch gewarnt, er solle Mika, seine Verlobte, lieber erst einmal nicht mitbringen. Ich hatte geahnt, dass soetwas passieren könnte und doch hatte er nicht auf mich gehört. So schön wie es für ihn sein mag seine Gefährtin gefunden zu haben, so musste Lydia dennoch Höllenqualen erleiden und sich ihre Freiheit hart erkämpfen. Langsam ging ich ihr hinterher, drehte mich aber bei der Tür angekommen noch einmal zu ihm rum. „Du hast sie gehört! Wenn du das Schloss nicht verlassen solltest, dann werden sich dir acht Personenwächter entgegen stellen , also entscheide weise, Manuel. Ich hatte dich gewarnt, du hast es nicht ernst genommen, also lebe nun mit den Folgen deines Handelns." gab ich ihm zu verstehen und verschwand dann aus dem Zimmer. Doch nun musste ich mich beeilen, denn ich spürte ihre tiefe Unruhe und auch den Zorn, der sich wie ein Lauffeuer in ihr verbreitete. Um schlimmeres zu vermeinden und um sie zu schützen, rannte ich den Flur entlang, bis ich sie endlich fand und erleichternd ausatmete, doch noch war es nicht vorbei. Ihre Wut richtete sich nun gegen Amalia und ich wusste genau, wenn ich nicht einschreiten täte, würde sie sie umbringen und so ungern ich es auch zugeben möchte, wusste ich sie würde dies auch ohne Probleme schaffen. „Lydia!" sprach ich ihren Namen sanft und lächelte leicht, als ich sah, dass die gewünschte Reaktion eintrat. Sie entspannte sich langsam, doch noch war ihr Arm auf Amalia gerichtet, die Lydia nur traurig und reuevoll entgegen blickte. Etwas tat sie mir ja schon leid und ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass irgendwann doch noch alles wieder gut zwischen den Geschwistern wird, doch im Moment war nicht daran zu denken. „Amalia geh jetzt bitte." befahl ich der Blondhaarigen und ging langsam auf Lydia zu, die jede meiner Bewegungen genaustens beobachtete. „Aber..." wollte sie wiedersprechen, doch ich unterbrach sie barsch. „Du wirst zurück zu Kai und den Anderen gehen verstanden? Wenn du mit ihr reden möchtest, dann erst in den nächsten Wochen, heute nicht mehr." machte ich ihr eindringlich klar und sah im Augenwinkel, wie sie ergeben nickte. „Okay." flüsterte sie heiser und verschwand nach kurzer Zeit. Erleichtert mich wieder vollkommen Lydia zuwenden zu können, stand ich nun direkt hinter ihr und umfasste ihren Arm. Geschockt musste ich feststellen, dass dieser nur so vor Hitze glühte und genau wie damals schien diese sie wieder einzunehmen. Stirnrunzelnd betrachtete ich sie mir genau. Sie wirkte teilnahmslos und verwirrt. Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr hecktiger Atem durchschnitt die Stille. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht, doch nun musste ich mich erst mal um sie kümmern. Vorsichtig schob ich meine Arme unter ihre Kniekehlen um sie mit einmal hoch heben zu können. Während der gesamten Zeit, in der ich sie bis ins Zimmer trug, sprachen wir kein Wort miteinander und allein dies war ein Indiz dafür, dass etwas nicht stimmte. Die Lydia, die ich kannte, hätte sich vehement dagegen gewehrt, als ich sie hochgehoben hatte, doch es kam nichts. Vorsichtig legte ich sie aufs Bett und deckte sie zu. Ein letztes Mal strich ich ihr beruhigend über die Stirn und drückte ihr einen leichten Kuss auf, bevor sie ganz einschlief und mich unwissend auf dem Bett sitzend zurückließ.

Schwarzes Blut - Das Erwachen vor dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt