2. Der alte Meister

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Unten angekommen, erwartete mich ein grausamer Anblick. An den Wänden hingen Leichen von Jungen in meinem Alter. Alle hatten den rechten Arm aufgeschlitzt, das getrocknete Blut hatte ihre Arme braun gefärbt. Mir wurde nich mal ansatzweise übel, wobei ich sonst kein Blut sehen kann. Es roch gut hier unten, irgendwie gewohnt. Es roch nach… Energydrinks, und angenehm nach Moschus, und nach etwas anderem…

„Adrenalin. Wir pumpen in die Lüftung hier unten das Adrenalin aus dem Blut der Testobjekte rein, dann werden alle viel munterer.“

Der Rektor befahl mir, mich auszuziehen, bis auf die Unterwäsche. Ich entledigte mich meiner Kleidung und er führte mich zu einem Spiegel. Dort sah ich einen relativ großen Jungen mit strahlend Blauen Augen, ein recht breites Kreuz und die Muskulatur war definiert. Dunkelblonde Haare, die hochgegelt waren. Das war ich, Calem. 16 Jahre alt, vergeben.

Der Rektor kam mit einer Robe zu mir. Er befahl mir mich anzuziehen. Die Robe war aus einem feinen schwarzen Stoff, der leicht war, aber doch die Kälte abhielt. Als nächstes sagte der Rektor: „Also, Calem. Du bist der erste seit 300 Jahren der die Operation überlebt hat. Vergangene Nacht habe ich dich umgebracht. Ich habe dir dein Blut ausgesaugt. Ohne das ist alles einfacher. Dein Herz schlägt noch, aber nur als Vorwand. Das tut er bei uns allen. Du, Calem, bist das jüngste Mitglied der Bruderschaft des lebendigen Todes.“

Seine Worte halten in mir nach.

Tot.

Ich war tot.

Mein Kopf tat weh, ich verstand nichts. Ich wollte fragen, aber er unterbrach mich und antwortete: „Später, aber nun folge mir.“ Wir gingen in einen großen weißen Raum, der komplett leer war.

„Nun ist es an der Zeit deinen Gefährten auszusuchen“, sagte der Direktor und klatschte in die Hände. Es fuhren hohe Regale aus dem Boden, die mit Waffen gespickt waren. Er deutete mir zu wählen. Als erstes nahm ich eine Lanze. Diese lag mir nicht gut in der Hand, wäre also ziemlich sinnlos. Ich stellte sie weg und probierte das Katana daneben. Das war schon besser aber auch nich so mein Fall. Ein Morgenstern hätte mir beinahe den Fuß zertrümmert, mit Pfeil und Bogen konnte ich sowieso nich umgehen. Es hingen noch hunderte Waffen an den Wänden, eine prunkvoller als die andere, doch mein Blick streifte etwas Unspektakuläres. Ein Stab? Ich zog ihn heraus, doch es war keiner. Es war eine Sense. Unspektakulär. Genauso wie ich. Ich ging zum Rektor und sagte: „Was ist mit der Sense?“ Er sah mich streng an. „Jungchen, es gab in der gesamten Laufbahn der Bruderschaft nur einen, der die Sense beherrschte. Und das war ihr Gründer, der Gevatter Tod persönlich. Das dort ist seine erste Sense gewesen. Sie ist launisch. Sie erwählt ihren Meister selbst. Aber wenn du meinst.“ Er klatschte erneut und Stoffpuppen schossen aus dem Boden. „Versuch es. Aber sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt.“

Ich griff die Sense. Nahm sie hoch. Sie lag gut in meiner Hand, das Gewicht passte. Ich umschloss den Griff fester und führte einen weiten Hieb gegen eine der Puppen aus. Sie fiel in zwei Stücken auf den Boden. Die Sense schien die Luft zu durchschneiden. Ich musste lachen. Keine der Puppen überlebte. Je mehr ich zerteilte, desto mehr Spaß machte es. Ich merkte gar nich dass alle Puppen schon in Einzelteilen auf dem Boden lagen. Diese Waffe passte zu mir. Verdammt gut sogar.

Ich sah zum Rektor rüber. Dieser war auf die Knie gesunken und hatte Tränen in den Augen. „Das war… Wunderschön. Nicht einmal ich konnte die Sense auch nur anheben, genauso wenig wie Tausende vor mir. Und dann… nach 300 langen Jahren… kommst du daher, als wärst du der Gevatter Tod persönlich.“ Er rappelte sich auf und kam zu mir rüber. „ Der Name der Sense ist Kamatayon. Behandle sie gut.“

Der Tod in mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt