14. Kriminalinspektor Ich

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Wir landeten nachmittags in Dublin. Der Flug war etwas lästig, da mich alle nach meinen plötzlichen Veränderungen fragten. Ich antwortete immer mit „kein Plan, plötzlicher Wachstumsschub?“, aber alles an was ich denken konnte war Isa. Sie schaffte es alle paar Sekunden sich in meine Gedanken zu schleichen. Wie sollte ich die Woche nur überstehen?

Nachdem wir beim Hotel waren, machten wir eine Tour durch Dublin. Es war eine schöne Stadt, allerdings hatte ich immer das Gefühl verfolgt zu werden. Gegen späten Nachmittags hatten wir noch ein paar Stunden Freizeit, bevor wir zum Hotel zurück mussten. Ich ging alleine los, besorgte mir eine Karte und lokalisierte Haggard. Busverbindungen gab es keine dorthin, also würde ich entweder ein Taxi benutzen müssen oder… Fliegen. Ich entschied mich für letzteres, da das wahrscheinlich unauffälliger war. Nach einer halben Stunde war ich dort angekommen und fragte im Ort ein bisschen nach den Edgleys. Eine anscheinend nette Familie, zwei Töchter, eine Siebzehn, die andere zwei. Der Vater angeblich ein wenig konfus, die Mutter normal. Alles in allem, eine Durchschnittsfamilie. Nach einigen Fragen mehr hatte ich die Adresse dann auch raus, und ich ging hin und klingelte. Die Tür ging auf, und Stephanie Edgley schaute heraus. Sie war, wie gesagt, siebzehn, hatte dunkle Haare und Augen und sah ziemlich durchtrainiert aus. „Ja?“, fragte sie in einer seltsamen Stimmlage. Ich wurde sofort skeptisch und entdeckte, dass sie keine Aura besaß. In den sechs Monaten im Raum von Zeit und Geist hatte ich beschlossen, den farbigen Kranz die Aura zu nennen.

„Wo ist Stephanie?“, fragte ich. Das Wesen vor mir sah verwirrt aus. „ICH bin Stephanie.“  „Wenn du die bist, dann kennst du doch bestimmt auch einen Skulduggerry, oder?“, entgegnete ich direkt. Ihre Augen weiteten sich, und sie flüsterte mir ins Ohr: „Sie arbeiten gerade in Roarhaven. Dort musst du einfach nur lang genug irgendwo rumstehen, und die Leute werden versuchen dich rauszuschmeißen. Verlange ins Sanktuarium gebracht zu werden. Wenn du extrem viel Glück hast, lassen sie dich vielleicht rein. Geh jetzt. Und viel Glück, Toter.“ Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu. Roarhaven? Auf der Karte war es einer der neueren Einträge. Mit dem Taxi würde es zu lange dauern dahinzufahren, also entschied ich mich zu fliegen. Ich ging an den Rand des Ortes und breitete die Flügel aus. In dem Moment, in dem ich losfliegen wollte, bemerkte ich etwas Grelles aus dem Augenwinkel und sprang. Unter mir entstand eine gewaltige Energie, deren Druckwelle mich wegschleuderte. Etwas benommen rappelte ich mich auf und sah aus dem Rauch eine Person treten. Sie schien einen Kopf kleiner als ich zu sein, und trug eine Art Mundschutz. Sie war komplett in gold und weiß gekleidet, und trug zwei Kurzschwerter, die sie angriffsbereit hielt. Ich griff in meinem Schatten nach Kamatayon und zog sie komplett heraus, mit Klinge schon bereit. In einem großen Kreis führte ich die Sense vor meinen Körper und wartete auf einen Angriff. Der Angreifer kam langsam näher und hob die Schwerter, ebenfalls bereit auf einen Angriff. Jetzt, da mein Gegenüber so nah war, konnte ich ein bisschen mehr erkennen, zum Beispiel das blonde gelockte Haar, oder das eine blaue Auge, das ganz normal war, und das eine goldene Auge, das so aussah als hätte ein Zielraster in der Iris. In dem Moment sprang sie auf mich zu und versuchte, eine Art Scherenbewegung mit den Klingen auszuführen. Sie war viel zu langsam. Ich hob Kamatayon und schlug ihr den Stab genau ins Gesicht.

Vielleicht war sie doch nicht so langsam wie ich angenommen hatte. Der Schlag ging durch sie hindurch und sie erschien direkt hinter der Erscheinung wieder, traf mich diesmal aber mit der Faust im Gesicht. Das hätte wehgetan, hätte ich mich nicht sofort zurückgelehnt, sodass ihre Hand über mir hinwegsauste. Ich packte ihr Handgelenk und brach es in drei Teile. Sie atmete zischend ein vor Schmerz, und ich genoss diesen Klang. Ich wollte mehr davon hören. Ich hob sie hoch und schmetterte sie mit aller Kraft in den Boden. Das Loch, welches in der Straße entstand, war locker einen Meter tief. Ich sah ihr Blut und leckte mir über die Lippen. Die Schatten entlassend sprang ich auf sie runter und brach ihr ein paar Rippen bei meiner Landung. Sie schrie auf. Der Schrei echote in meinem Kopf wie die schönste Melodie aller Zeiten. Ich steckte einen Finger in ihr Blut. Es war noch warm, etwas dickflüssig und weiß. Seltsam. Sie sah mich mit purer Wut an. Ich interessierte mich nicht dafür. In meiner Tasche erfühlte ich ein Reagenzglas und füllte es mit ihrem Blut. Anschließend trat ich ihr in die Kehle und fesselte sie. Sollte die Polizei sich mit ihr rumschlagen. Ich hatte alles, was ich wollte. Ich ging in die Hocke und sprang. Mit großem Tempo stieg ich höher und befand mich bald direkt unter den Wolken. Ich machte mich auf nach Roarhaven.

Nach einer guten halben Stunde war ich in Roarhaven. Ich landete am Stadtrand und machte mich auf den Weg, irgendwelche Leute zu treffen. Das stellte sich schwerer heraus als angenommen. Nirgends war eine Menschenseele, und alle Läden waren geschlossen. Ich wollte schon die Karte wieder herausholen, als das Mädchen von vorhin aus einer Gasse trat. Sie hob die Hand, an welcher die Haut anfing, Blasen zu schlagen. In allerletzter Sekunde sprang ich zur Seite als eine Welle aus gleißendem Licht aus ihrer Hand trat und eine Schneise in die Straße schlug. Aus dem Schatten einer Häuserwand griff ich Kamatayon heraus und stürzte mich auf sie. Ihre rechte Hand war noch offen, weshalb sie ihr linkes Schwert griff und in Angriffsbereitschaft trat. Sie schien definitiv geschwächt, weswegen ich mit der Sense so schnelle Schläge ausführte, dass sie nicht kontern konnte. Ein Schnitt nach dem anderen zog sich durch ihren Körper, und sie fiel auf die Knie. Ich hob Kamatayon zum letzten Schlag, als ich merkte, wie ihr Auge plötzlich Blasen schlug. Ich schlug die Augen weit auf und wurde geblendet. Dann durchzuckte mich eine riesige Energie, und ich wurde durch das nächste Haus geschleudert. Total benommen lag ich auf dem Boden, und sie kam zu mir rüber gehumpelt. Als sie halb bei mir war, hörte ich Pistolenschüsse. Als nächstes einen Schrei und dann eine Explosion. Ein Mann kam zu mir, legte den Kopf schief und hob mich auf.

Ich wachte in einem Verhörzimmer auf. Die Tür öffnete sich, und ein Mann trat ein. Er hatte braune, gelockte Haare, graue Augen und hohe Wangenknochen. Er trug einen schwarzen Nadelstreifenanzug. Mit einem Lächeln setzte er sich mir gegenüber und sagte: „Hallo, ich bin Kriminalinspektor Ich.“

„Ich?“ „Du?“ „Nein, Sie!“ „Ich?“ „Ja!“ „Was ist mit mir?“

 

Verwundert sah ich ihn an. Was machte er da? Ich versuchte, seine Aura zu erkennen, aber sie war schwarz, ganz anders als alle anderen bisher. Seine Stimme war samtig, genau wie die des Rektors. „Warum bin ich hier?“, fragte ich. Er legte den Kopf schief. „Nun ja, du wurdest gerade angegriffen, allerdings war das nicht wirklich ein alltäglicher Angriff, nicht wahr? Ich möchte wissen, ob dir ein Grund einfallen könnte. Achja, und deinen Namen wüsste ich gerne.“ „Mein Name ist Calem und warum ich angegriffen wurde… keine Ahnung.“, antwortete ich. Ich wollte noch etwas sagen, aber er wurde unterbrochen als die Tür nochmal aufging. Und diesmal kam Stephanie herein. Ich sprang auf. „Stephanie Edgley?!“ „Ähm, nein, mein Name ist Walküre Unruh…“, stammelte sie. Der Kriminalinspektor war plötzlich komplett ernst. „Woher kennst du diesen Namen?“, fragte er in einem Ton, der mich an den Tod erinnerte. Ich wand mich an Stephanie. „Mein Meister hat mir den Auftrag gegeben, dich zu suchen. Ich soll dich nach einem Skulduggery fragen, ich habe eine Nachricht für ihn.“ Sie sah den Inspektor an, und der berührte sein Schlüsselbein, und sein Gesicht, seine Haare, seine Augen, alles floss von seinem Gesicht, sodass nur noch sein Schädel übrig blieb. Er stand auf und hielt mir seine behandschuhte Hand hin. „Es tut mir leid dass ich dich angelogen habe. Mein Name ist Skulduggerry Pleasant. Es freut mich, den neuen Vollstrecker kennen zu lernen.                                                                                                                

Der Tod in mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt