1. Spieler

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„...und immer, wenn es Zeit wird zu gehen, verpasse ich den Moment und bleibe stehen."

Ja, das könnte mein Motto sein. Aber nicht, wenn ich meinen Job mache, denn dann würde ich nicht mehr hier sein. Sondern tot oder im Knast. Gibt es eigentlich eine Rente für Leute wie mich? Doch an Ruhestand ist noch lange nicht zu denken, Niko, mein Kontaktmann, hatte mich heute Morgen um ein Treffen gebeten. Dabei ist mein letzter Auftrag erst einen Monat her und ich sollte eigentlich noch im Untergrund bleiben. Ich vermute, dass ich wohl die passende Frau für den Job bin! Frage mich, warum, während ich mir die Wimpern tusche und Mark Foster mich noch einmal flasht. Meine Playlist erinnert mich an ruhige, schöne Zeiten in Deutschland, bevor sie mich vor drei Jahren aus heiterem Himmel  rekrutiert hatten. Direkt aus dem Gefängnis. Da war es eigentlich ziemlich gemütlich, bis auf ein paar zu vernachlässigende Vorfälle. Denn ich halte mich aus Streitigkeiten raus und bin grundsätzlich ein friedfertiger Typ. Jetzt fragt ihr euch sicher, was so jemanden in den Knast bringt, oder? Versuchter Mord. Nein, Totschlag. Ja, das war ein Moment in meinem Leben gewesen, der mich komplett aus der Bahn geworfen hatte. Damals war es mir nicht mehr möglich gewesen, mich zu beherrschen. Nun ja, der Kerl, den ich versucht habe, zu töten, hat überlebt. Irgendwann, wenn ich mal wieder Zeit habe, werde ich diesen kleinen, privaten Auftrag zu ende bringen...

Wer ich bin?

Angelina Jolie. Oder Noomi Rapace in „Vergeltung", ja so stellt man sich Frauen vor, die als Berufskiller arbeiten. Schlank, beweglich, wunderschön. Speziell, einzigartig. Und ich bin sowas von 08/15! Aber das ist doch genau der Trick, Leute! Stellt euch vor, Angelina Jolie würde euch mitten auf der Straße ansprechen, ihr würdet doch sofort denken, dass was faul ist, oder? Und ich bin ein Chamäleon. Ich kann die punkige Noomi sein, oder die elegante Angelina, aber falle gerade mal so weit auf, dass man kurz Notiz von mir nimmt und sich dann wieder um seine eigenen Geschäfte kümmert. Mein Körper ist wohlgenährt, nahezu üppig, und jeder denkt sofort, ich sei völlig unsportlich. Bin ich auch, Extremsport- Aufträge wie bei James Bond lehne ich grundsätzlich ab. Aber ich mache täglich Yoga und kann mich ziemlich gut verbiegen. Das hat mir schon oft den Kopf gerettet! Natürlich wurde ich auch im Nahkampf und Schießen ausgebildet, und Zweiteres liegt mir einfach besser. Deshalb liebe ich Jobs, bei denen ich dem Zielobjekt nicht näher kommen muss, als fünf Meter. Hoffentlich wird es so einer!

Da es ziemlich kalt in Prag ist, setze ich mir eine dicke Mütze auf mein dunkles Haar und ziehe den grauen Wollmantel an

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Da es ziemlich kalt in Prag ist, setze ich mir eine dicke Mütze auf mein dunkles Haar und ziehe den grauen Wollmantel an. Ich bin nur eine von vielen Touristinnen, gehe in der Menge unter und das ist gut so. Ich bin spät dran, denn ich habe mal wieder den Moment verpasst. Diese Stadt ist wunderschön und ich wünschte mir, ich könnte noch ein paar Tage länger hier bleiben. Nach großen Aufträgen sollen wir uns nicht allzuoft im Freien aufhalten, also habe ich noch nicht viel von Prag gesehen. Nun, ich hatte einen bekannten deutschen Politiker getötet. Kein großer Verlust, der Typ. Aber ich urteile sowieso nicht, dann dürfte ich diesen Job nicht machen. Ich kassiere und bin froh, nicht im Knast in Rente gehen zu müssen, oder von Hartz IV zu leben, falls sie mich irgendwann wieder raus gelassen hätten. Und „resozialisiert" hätten. Das bin ich ja jetzt irgendwie, oder?

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