1.Kapitel

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Meine Hand glitt über den harten Stein der Brücke. Das Wasser unter mir gurgelte munter vor sich hin und hatte eine ungemein beruhigende Wirkung auf mich. Auch, wenn man das vielleicht nicht glauben wollte: In der kleinen Stadt Killin fand ich so gut wie nie Ruhe. Entweder redete mein Vater auf mich ein, einer der Hotelgäste verlangte nach etwas oder ich war mit lernen beschäftigt. In meinem Zimmer den Kopf frei zu kriegen war schlicht unmöglich. Wenn ich mich mit meinen Freunden traf, dann wurden meine Gedanken überlagert von Lachen und Witzen und guter Stimmung. Aber wirklich Ruhe finden, das konnte ich nur, wenn ich ein wenig außerhalb der Stadt spazieren ging.

Manchmal blieb ich bei dieser Brücke hängen. Aber meistens reichte es, über eines der weiten Felder zu gehen und die Landschaft zu betrachten.

So sehr ich eine der Großstädte besuchen wollte- New York, London, Paris...-, so sehr liebte ich doch Schottland. Viele der Hotelgäste, die aus beruflichen Gründen hierherkamen, fragten mich, wie ich es aushielt, in der kleinen Stadt mit den immer selben Leuten und dieser öden Umgebung.

Ich denke, diese Menschen begreifen nicht, wie wunderschön es hier ist. Außerdem war ich ein echter Gewohnheitsmensch. Veränderungen gefielen mir nicht. Und zu meinem Glück veränderte sich hier nicht viel. Allerhöchstens noch die Beziehungen der Menschen untereinander, aber das war es eigentlich schon.

Ich blieb noch eine Weile auf der Brücke sitzen, dann machte ich mich auf den Weg zu Xenia. Ihr Haus befand sich genau neben meinem, was wir besonders mit neun, in unserer Wir-sind-Detektiv-Phase ausgenutzt hatten. Damals war ich oft zu ihr in den Garten geschlichen, mitten in der Nacht, wenn außer uns jeder in seinen Betten lag. Dumm wie wir waren, hatten wir dann versucht, mit unseren Lupen Spuren im Gras zu finden. In der Nacht!

Diese Phase wurde abgelöst von der, in der wir unsere Zeit hauptsächlich mit Pferden und Tischtennis verbrachten. Und nun, mit mittlerweile achtzehn Jahren, machten wir uns nichts mehr aus körperlicher Betätigung. Das Wetter war jetzt, Anfang Juni, unglaublich schlecht. Zwar hatte es seit bestimmt einem Monat keinen Tropfen mehr geregnet, aber es war bitterkalt.

Die Klingel der Jacksons schrillte und nach ein paar Minuten strahlte mich Xenia  glücklich an.

"Komm, Liv, auf nach oben!"

Wir nutzten die Eiseskälte, um  in Xenias oder meinem Zimmer ein Meer aus Kissen und Decken aufzubauen, uns kitschige Filme anzuschauen und die fantastischen Schauspieler-die männlichen,  die weiblichen interessierten uns meist nicht wirklich- anzuschmachten. Meist endeten wir aber damit, die Anlage bis zum Anschlag aufzudrehen und zu unserer Lieblingsmusik zu tanzen. Besser gesagt, abzuspacken. Denn Tanzen konnte man das nun wirklich nicht nennen.

Auch heute verzichteten wir auf Mr.Darcy und Xenia zückte stattdessen ihren I-Pod.

"Ich würd sagen, heute ist mal wieder One Direction angesagt, oder?", meinte sie grinsend.

"Oh ja!", erwiderte ich begeistert. "Nur nenn mir ein Lied von ihnen, das wir nicht mindestens 100 mal gehört haben!"

Noch so etwas. Wie es die 1D-Mania genau in unser kleines Dorf geschafft hatte, wusste ich nicht mehr. Ich erinnere mich dunkel an ein Mädchen mit einem Niall-Sticker auf dem Federmäppchen.

Die Jungs in unserer Schule waren von dem Hype nicht sehr begeistert. Und dachten, es wäre nur eine vorübergehende Phase. Aber fast alle Mädchen in Killin kannten seit einem halben Jahr nur noch ein Thema. Und ich musste mich zu diesen Mädchen dazuzählen.

Xenia suchte verbissen nach einem Lied und steckte schließlich selbstzufrieden den I-Pod in die Anlage.

Die ersten Töne von Na na na erklangen und ich lachte.

"Sind wir wieder beim ersten Album angekommen, hmm?"

"Ja, sind wir wohl!", gab Xenia lachend zu. Und schon ein paar Sekunden später spielten wir verrückt und sangen in unsere Haarbürsten. Ja, ich liebte diese Nachmittage.

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"Guten Morgen, Mr.Derren, wie kann ich Ihnen behilflich sein?", begrüßte ich den grimmigen Schnurrbartträger vor mir. Ich war ja so etwas wie eine Daueraushilfe im Hotel Lomond und wurde von meinem Vater dafür auch gut bezahlt, aber wenn mich eins wirklich ankotzte, dann war es die Schicht als Concierge. Immer lächeln, egal wie unfair, miesepetrig oder unhöflich die Gäste waren.

Denn oft kamen sie- wie Mr.Derren jetzt- mit einer Beschwerde an die Rezeption.

"Ich weiß ja nicht, wie Sie das normalerweise handhaben, aber ich würde doch gerne mein Zimmer betreten können, nachdem ich gefrühstückt habe und nicht erst eine halbe Stunde warten müssen, bis die Putzfrau verschwindet!" Mr.Derrens Stirnader drohte, vor Wut zu platzen und ich musste stark an mich halten, ihm für seine unmögliche Beschwerde nicht eine zu scheuern.

"Das tut uns wirklich sehr leid, aber ja, so wird das bei uns nunmal gehandhabt. Unsere Putzfrau kommt genau einmal am Tag in Ihr Zimmer und das ist zur Frühstückszeit. Sollten Sie jedoch schon wieder aufs Zimmer müssen, wenn unsere Putzfrau sich noch darin aufhält, machen Sie es sich doch einfach in unserer Lobby in einer der Sitzecken gemütlich. Sollten trotzdem noch Unannehmlichkeiten bestehen, werde ich mir eine Lösung überlegen. Schönen Tag noch!"

Ich hatte wirklich nicht die geringste Lust, mit Mr.Derren zu diskutieren. Und dem Himmel sei Dank, er zog tatsächlich ab. Unsere Putzfrau, Asida, war einer der nettesten und herzlichsten Menschen, die ich kannte und sie bemühte sich immer, so schnell wie möglich mit den Zimmern fertig zu sein. Die Zeit während dem Frühstück war einfach die günstigste, auch wenn das Mr.Derren nicht so sah.

Er war einer dieser Gäste, die mit dem Ziel eincheckten, sich über so viel wie möglich beschweren zu können. Wir hatten nicht oft solche Gäste, aber er war einer der Schlimmsten. Schon ein paar Mal hatte ich gedacht, jetzt kann ich nicht mehr. Zu unserem Pech war Mr.Derren weder ein Geschäftsmann, der sich kaum im Hotel aufhalten würde, noch ein begeisterter Tourist, der immer auf der Jagd nach neuen Fotos und Orten fürs Sightseeing war. Nein, er war hier, um seine Schwester Donna zu besuchen.

Und diese Donna kannten wir auch. Nicht, das sie nicht genauso wäre wie er. Ehrlich, ich wollte nie die Eltern der beiden treffen, die mussten doch der blanke Horror sein!

Da Donna altersschwach und nicht mehr sehr bewegungsfähig war, verbrachten die beiden die meiste Zeit hier, was mich wirklich meinen letzten Nerv kostete.

Ich beobachtete, wie Mr.Derren sich langsam auf eines der Sofas sinken ließ und mich gleichzeitig mit Blicken erdolchte.

Keine Ahnung, wie oft er mir schon gesagt hatte, ich sei ein "dummes, freches und verzogenes Gör". Aber das wollte ich auch gar nicht wissen.

Ich war drauf und dran, ihm in kindischer Manier die Zunge rauszustrecken, da vibrierte mein Handy in der Hosentasche.

Schnell nahm ich an, nur um gleich einen größtmöglichen Abstand zwischen Hörer und Ohr zu bringen. Xenias Quietschstimme war trotzdem deutlich zu verstehen.

"OLIVIA, DASS MUSST DU SEHEN!!!"

Vorsichtig hielt ich mir das Handy wieder ans Ohr und meinte:"Wenn du mir versprichst, nicht nochmal so zu schreien, werde ich nachfragen, was du meinst."

Immer noch unglaublich laut, aber dennoch leiser als vorher, flötete Xenia:" Es geht um 1D. Du errätst nie, was passiert ist!"

Welcome to nowhere (Harry Styles ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt