●Murat Boz - Yana Döne●
1. März 2017
{Heute, 4 Jahre später}Man sagte, die Zeit sei eine wundersame Salbe. Sie heile die Wunden, reinigt sie und mache erneut einen starken Menschen aus einem, rief sich Kian Barroso in Erinnerung, als er in Gedanken versunken, seine Lesebrille abnahm, sie vorsichtig auf dem Pult, wo er sich während der Konferenz angelehnt hatte, abstellte und die Stirn in Falten gelegt über diese Worte nachdachte.
Als er dabei kaum merklich den Kopf schüttelte und die vielen Exemplare seines Werkes übereinanderstapelte, seufzte er resigniert auf. Nein, er war keineswegs der Ansicht, dass Wunden komplett heilen konnten, für ihn war das schier unmöglich.
Denn wäre es so gewesen, dann hätte er auf die Frage dieser jungen Dame gerade eben während der Konferenz nicht so entrüstet reagiert und er wäre die letzten 15 Minuten nicht so abwesend gewesen, hätte nicht in den schmerzhaften Erinnerungen der Vergangenheit gewelkt, sondern hätte sich auf die letzten folgenden Fragen der Reporter konzentriert. Er hätte ihnen freundlich zugelächelt und hätte ihnen höflich geantwortet, so, wie er es immer tat. Doch gerade eben war er in einem Nebelzustand gefangen gewesen und hatte demzufolge rein gar nichts mehr mitbekommen. Weder von seinen verbalen, als auch nonverbalen Gestiken und Mimiken. Er war weg. Vollkommen weg, als er sie vor Augen gesehen und sich vollkommen dieser Erinnerung hingegeben hatte.
Kian hatte es schon vor Jahren aufgegeben, seine große Liebe, Amira Jaramago, zu vergessen. Er hatte es aufgegeben gegen den stechenden Schmerz anzukämpfen, der sich immer wieder beim Nennen ihres Namens in ihm breit machte, hatte aufgegeben sie aus seinen Gedanken zu verbannen, sie nicht mehr zu vermissen, sich nicht zu zwingen sie zu vergessen. Denn er wusste, dass dies nie passieren würde. Er würde sie niemals vergessen können. Nie im Leben. Selbst bei seinem letzten Atemzug waren es ihre kirschroten Lippen, an die er denken würde, bevor er die Augen schließen und der Welt den Rücken zukehren würde. Und eins stand ebenfalls fest: er konnte sie zwar nicht vergessen, aber er wollte es gleichermaßen auch gar nicht. Amira Jaramago war das Beste was ihm im Leben passieren konnte, seine ehemalige Ehefrau war alles für ihn gewesen und der Kian Barroso, der er heute war, den gab es nur durch sie.
Nein, niemals würde er sie verleugnen.
Wütend schlug Kian mit der Handfläche auf den Pult und stützte sich dort ab. Sein Auftreten war dennoch nicht professionell gewesen, dachte er sich, riss sich jedoch schnell wieder zusammen, da er von der Seite aus einer der Kameramitglieder seiner Crew, die ihm durch ganz Amerika zu den verschiedensten Reportagen, Interviews und Meetings begleiteten hatten, auf ihn zugeschritten kommen sah, die große Kamera, die er bei sich trug, fest um seinen Griff geschlungen, sodass Kian seine Anspannung zu verbergen bestrebt, sich aufrichtete und ihm freundlich lächelnd entgegenblickte. Der etwa fast so große Kerl namens Theo blieb kurz vor Kians Pult stehen und neigte respektvoll den Kopf, als er zu sprechen begann.
»Sir, wir sind für heute fertig mit der Arbeit und werden die Aufnahmen gleich im Hotel zusammenschneiden, um diese dann zu veröffentlichen. Morgen geht es dann um 15 Uhr weiter und übermorgen geht der Flug nach England und dann nach Paris. In den europäischen Städten verlangen die verschiedenen Sender jedoch live Übertragungen. Ist das in Ordnung für Sie, Sir ?«
»Natürlich Theo, ich vertraue da eurem Gespür. Jedoch möchte ich, dass sie beim Zusammenscheiden der Aufnahmen, die eine Frage über meine ehemalige Ehefrau rausschneiden. Ich dulde es nicht, dass ihr Name in die Öffentlichkeit gerät. Das würde sie nicht wollen.«
DU LIEST GERADE
La mauvaise foi | ✓
Romance»Du siehst es nicht, Kian. Du hast es auch damals nie sehen wollen, wenn eine Scheibe Risse vorwies und sie kurz davor war auseinanderzufallen. Du hast die daraus resultierenden Scherben nie gesehen, die die sich überallhin verstreuten, in kleine St...