Die Augen der Verlorenen.

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Distrikt 12 war nur noch wenige Stunden entfernt. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Seit ihrem gemeinsamen Gespräch war zwischen Clove und Cato wieder die Stille eingekehrt. Dennoch war Clove beinahe bei jeder Mahlzeit erschienen und hatte sogar einige Male freiwillig Zeit im Wohnzimmer verbracht, selbst wenn sie kaum ein Wort gesprochen hatte. 
"Ich hoffe dein Kleid gefällt dir", sagte Sylvia begeistert und hielt ihr den braunen Haufen Stoff vors Gesicht. Das Kleid war lang, aber nicht zu lang. Es hatte kleine Kohlsteine eingenäht, die aussahen als ob sie gerade erst erloschen worden waren. Eine nicht sehr passende Ironie wie Clove fand.
Cloves Haare waren zu einem Zopf geflochten, so wie ihn Katniss getragen hatte. Ebenfalls etwas, dass Clove weniger als einfühlsam empfand.
Cato wurde in einen Anzug in der gleichen Farbe mit den selben Steinen gesteckt.
Und dann warteten sie bis der Zug im Bahnhof von Distrikt 12 ankam.
Ihre Ankunft war wenig festlich. Sie wurden von einem Wagen zum Haus des Bürgermeisters gebracht, wo sie im innern darauf warteten bis sie Anfangen durften. Die Leute, die sie bis dahin sahen, waren weder erfreut noch besonders höflich gewesen. Doch etwas anderes hatte man kaum erwarten können.
"Hier, eure Reden" Cessica hielt beiden eine Karte entgegen und kurz darauf öffneten sich die Tore.
Das Publikum war gross. Aber das war es nicht weil jeder Bewohner aus 12 Lust hatte, zu hören was Clove und Cato sagten. Sie alle waren hier weil sie es mussten.
Der Bürgermeister stellte die beiden kurz vor und übergab ihnen dann das Wort. Dabei hatte er sie nicht einmal angesehen. 
Clove war unsicher geworden. Sie suchte im Publikum irgendwo nach jemandem der sie besonders wütend ansah, jemand der weinte oder leise vor sich hin fluchte. Selbst wenn sie eigentlich als letztes wissen wollte wem sie das Kind oder die Schwester genommen hatte, musst sie es.
Cato bemerkte ihr seltsames Verhalten und ergriff das Wort.
"Liebe Bewohner aus Distrikt 12. Mir ist es eine grosse Ehre euer Gast sein zu dürfen. Der Tod euerer Tribute hat uns den Sieg geschenkt. Sie starben nicht umsonst. Sie starben für das Wohl aller Distrikte und für das Kapitol", Cato schämte sich beinahe so etwas vor Peetas Familie zu sagen, "Ich möchte mein herzlichstes Beileid an die Familien aussprechen."
Gerade als Clove bereit war ihre Karte vorzulesen erblickte sie es. Die blauen Augen, rot und geschwollen. Tränen die auf beiden Wangen hinunterliefen. Wut und trauer mischten sich im Gesicht des Mädchens. Primrose Everdeen, die Schwester für die Katniss starb.  Sie erkannte sie aus der Aufnahme, in der sich Katniss damals gemeldet hatte, für eben diese.

"Auch ich möchte mich bedanken das eure Tribute uns...", ein Junge hinter dem kleinen Mädchen hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt und hielt sie tröstend und weinte. Und sie merkte, dass dieses Mädchen das für sie starb, durch ihre Hand starb, mehr geliebt wurde als Clove es sich hätte für sich selbst wünschen können, "Ich habe etwas furchtbares getan, dass ich niemals entschuldigen kann. Nichts wird meine Schuld jemals begleichen können. Ich erwarte nicht das man mir verzeiht, aber bis vor kurzem war auch ich nur eine Marionette in diesem Spiel. Für den Fehler den ich begangen habe bezahle ich täglich mit Albträumen. Und das ist nicht Ansatzweise das was die Familie durchmacht. Aber es ist ein Anfang, der Strafe die ich ein Leben lange absitzen werde."
Keines der Worte stand so auf der Karte. Aber diese blauen Augen, in denen sich Cloves Angst widerspiegelte, liessen sie glauben das Falsche zu tun wenn sie Dinge sagte die sie nicht einmal denken würde. 
Die Menge schwieg. Catos Blick ging nicht ein einziges Mal von Clove ab. Zu gross war seine Faszination für den Mut der in dieser kleinen Frau war. Und trotz ihrem eigenen Schmerz, der sie täglich innerlich immer weiter auffrass, versuchte sie das Leid anderer zu verringern. Seit den Spielen hatte sich eine Sache an Clove besonders verändert. Sie hatte angefangen alles und jeden über sich selbst zu stellen.
Und vermutlich war es genau das was sie gebrochen hatte.
Sie hatte Recht gehabt damit, das sie den Angehörigen nicht einen winzigen Teil des Verlustes nehmen konnte. Aber sie hatte es geschafft, den Hass zu verringern.

"Was sollte das?!", rief Cessica aus, als sie wieder den Zug betraten.
"Was?", sagte Clove.
"Ihr hattet die eine Aufgabe die Karten zu lesen", zischte sie empört.
"Ich habe diesen Leuten einen geliebten Menschen genommen. Aus Gier. Du könntest dir nicht im Traum vorstellen in die Augen dieses verlorenen Mädchens zu sehen. Sie hat das Leben ihrer Schwester gerettet und es sich verdient eine Siegerin zu sein. Und ich habe sie getötet!" Die Tränen schossen in Cloves Augen. Aber sie hatte wieder diese dichte Mauer um sich erbaut, die diese Schwäche in ihr nicht zuliess.
"Ihr solltet Snow überzeugen, dass ihr euch liebt. Um die Aufstän...", aprupt hielt Cessica inne und schlug sich die Hand vor den Mund.
Brutus und Enobaria stöhnten auf.
Cato war hellhörig geworden.
"Was wolltest du da eben sagen?", fragte er.
"Nichts", log Cessica offensichtlich.
Dann stürmte sie aus dem Raum.
In diesem Momenten fuhr der Zug unter lautem Quietschen los.
"Sagt uns sofort was hier los ist", sagte Clove, die nun noch mehr verwirrt als eben schon war.
"Es ist nichts. Sie hat sich in ihrer Wut eben versprochen", meinte Brutus.
"Was spielt ihr hier für ein Spiel?", wisperte Clove.
"Es scheint als wäre Zeit ihnen bescheid zu sagen.", sagte Enobaria.

Clove und Cato - Rache ist weissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt