Kapitel 4

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«Wo sind wir hier?», frage ich Mikey. Ich drehe mich einmal um mich selbst. Das Gebäude, in dem wir uns befinden, ähnelt einer alten Industriehalle. Doch ich kann mich nicht erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben. Obwohl ich schon seit ich fünf bin, in dieser Stadt wohne.

«Das alte Firmengelände eines Kunststoffherstellers», antwortet Mikey, während auch er sich umsieht. Ich nicke. Die Halle steht bis auf ein paar Kisten völlig leer. Abgebröckelter Verputz und Staub bedecken den Boden. «Und was machen wir hier?», frage ich vorsichtig.

Mikey dreht sich zu mir um. «Tanzen», erklärt er, als wäre es offensichtlich. «Ich kann nicht tanzen...», meine ich mit einem Schaudern. Das letzte Mal als Oli mit mir tanzen wollte, habe ich mir den Arm ausgerenkt und er sich die Nase gebrochen. Ein düsterer Tag in meinen sonst unfallfreien Leben.

«Ich doch auch nicht», versichert mir Mikey. Er holt sein Smartphone aus seiner Hosentasche hervor. Dann öffnet er wohl seine Musikapp, denn nur zwei Sekunden später schallt at the library von Green Day aus den Lautsprechern seines Handys. Er verstaut es wieder in der Hosentasche.

«Darf ich um diesen Tanz bitten?», meint er und streckt seine rechte Hand aus. Ich rolle mit den Augen. «Klar doch, aber auf eigene Gefahr», erwidere ich mit einem Grinsen. Auch Mikey lächelt, als ich seine Hand ergreife. Immer wenn er lächelt, dann bilden sich um seine Augen kleine Fältchen, die ihn noch attraktiver machen, als er sonst schon ist. Der Schwarzhaarige zieht mich an sich.

«Und jetzt?», frage ich unsicher. Mikey sieht mich ratlos an. «Ich weiss nicht. Ich habe nicht gedacht, dass du wirklich mit mir tanzen willst», lacht er und legt einen Arm um meinen Nacken.

Da wir beide nicht wirklich wissen wie man tanzt, verharren wir für einen Moment so. Dann lege ich meine Hände an seine Hüften. Wir beginnen uns langsam im Kreis zu drehen.

«Du hast schöne Augen», murmelt er und vergräbt dann seinen Kopf in meinem Nacken. «Ich habe noch nie jemanden mit so ausdrucksstarken grauen Augen gesehen», erzählt er weiter.

Ich spüre seinen warmen Atem an meinem Hals. Er murmelt etwas unverständliches und schlingt dann seine Arme fester um meinen Nacken.

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Ich ziehe mir die Decke über den Kopf. Doch Mikeys Gesang bleibt immer noch gleich laut. «Sei endlich still, oder ich stecke deinen Kopf ins Klo!», drohe ich, während ich unter der Decke hervorkrieche. Der Schwarzhaarige singt weiterhin unbekümmert Lady Gaga Songs und tanzt dazu.

Wie kommt es, dass ich in Mikeys Bett liege und er um 3 Uhr morgens Lady Gaga Songs singt? Das weiss ich selbst nicht...

Eines weiss ich jedoch...

«Mikey, du bist ein Idiot», grummle ich und klettere aus dem Bett, nicht ohne mir vorher ein Kissen zu schnappen. Mit diesem gehe ich auf den immer noch Singenden los. Einen kräftigen Schlag später liegt dieser jammernd am Boden.

«Warum habe ich mich nochmals in dich verliebt?», redet Mikey mit sich selbst. Ich starre ihn sprachlos an. Mikey liebt mich? Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Ich entscheide, dass ich dieses Gefühl mag.

«Frankie», wimmert Mikey, der jetzt so tut, als läge er im Sterben. Er liegt auf dem Rücken, hat sich dramatisch eine Hand auf die Stirn gelegt und starrt an die Decke. «Ich sehe ein Licht...», erzählt er weiter.

«Du klingst, als wärst du high», kläre ich den anderen auf, während ich zurück ins Bett klettere.

«Danke für dein Mitgefühl», wirft er mir vor. Ich zucke bloss mit den Schultern und kuschle mich unter der Decke ein. Nicht einmal zwei Sekunden später liegt Mikey neben mir. Der Junge hat eindeutig zu viel Energie.

«Mir ist langweilig...», beklagt er sich. Ich ignoriere ihn.

Mikeys Zimmer spiegelt seine Persönlichkeit wieder. Die eine Wand ist weiss gestrichen. Dort befindet sich auch sein Schreibtisch. Die Wand gegenüber ist schwarz gestrichen und mit Bildern und Zeitungsartikeln vollgehängt. Die Möbel passen nicht wirklich zusammen. Man hat das Gefühl, dass er sich nicht wirklich entscheiden konnte welchem Stil er folgen will. Punk, Vintage, oder doch eher 80er Jahre?

Jedenfalls wirkt sein Zimmer wie er selbst, unentschlossen und wechselhaft mit einem Hauch von Verrücktheit.

Der grösste Unterscheid zwischen Mikey und mir ist, dass sein Schlafzimmer aufgeräumt ist. Keine CD steht am falschen Ort und kein Stift liegt asymmetrisch herum.

Und ich dachte, ich sei der Typ mit Hang zu Perfektionismus.

«Frankie, du hörst mir gar nicht zu», murrt er. «Kann schon sein», gebe ich offen zu. Dann drehe ich meinen Kopf zu Mikey. Dieser starrt mich empört an. «Wenn das so ist», beginnt der andere ironisch, «dann werde ich mich wohl von dir trennen müssen.»

Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Seine blauen Augen funkeln spielerisch. «Du kannst dich nicht von mir trennen», erkläre ich ihm und setze mich auf. «Warum?», fragt er, während er mir die Decke streitig macht.

«Du kannst dich nicht von mir trennen, weil wir gar nicht zusammen sind...», erläutere ich meine vorherige Aussage. Ich gähne und reibe mir die Augen.

«Da ist eine gewisse Logik dahinter», überlegt Mikey. Er sieht zu mir herüber. Ein unheimliches Lächeln hat sich auf seinen Lippen gebildet. Ich zucke zurück. Doch nicht schnell genug. Denn im Bruchteil einer Sekunde hat sich Mikey auf mich gestürzt.

Bevor ich richtig registriere, was eigentlich passiert ist, liege ich schon unter ihm begraben. Ich keuche auf. «Michael, du zerquetscht gerade meine lebenswichtigen Organe», beklage ich mich bei dem Schwarzhaarigen. Gleichzeitig versuche ich ihn von mir runter zu stossen.

Aber Mikey hält meine Arme fest und bringt mich so unter seine Kontrolle. Seine Lippen streifen meine, doch er küsst mich nicht. Ich spüre seinen warmen Atem in meinem Gesicht. Mein Herz setzt einen Schlag aus. «Frankie? Dürfte ich die Ehre haben, dich als meinen Freund zu bezeichnen?», wispert Mikey. Ein nervöser Ausdruck liegt in seinen Augen.

«Ja», hauche ich. Meine Stimme zittert.

Michael presst seine Lippen auf meine.

Ich gehe dann mal schnell sterben.

Deine Liebe. (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt