Kapitel 6

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Kritisch betrachte ich mein Aussehen im Spiegel. Meine dunkelbraunen Haare fallen mir bereits bis auf die Schultern, so dass ich locker mit Kellin Quinn mithalten könnte. Der Umstand, dass meine Haare dazu auch noch gelockt sind, verstärkt diesen Effekt nur noch mehr.

Innerlich verfluche ich Cassandra, dass sie mir diese «Emo-Bands» gezeigt hat. Wobei ich Sleeping with Sirens gar nicht mal so übel finde. Doch ich bin und bleibe ein The Cure Fan.

Ich beende den angefangenen Eyeliner um mein linkes Auge und blicke dann zufrieden in den Spiegel. Ich zupfe noch ein letztes Mal meinen Sleeping with Sirens Pullover zurecht (erwischt, vielleicht bin ich doch ein grösserer Fan, als ich zugebe) ehe ich dann das Badezimmer verlasse.

Ich freue mich schon auf das Basketballspiel, obwohl ich nicht wirklich ein Sportfreak bin. Trotzdem gibt es mehrere Vorteile. Erstens wird Mikey da sein und...

Der zweite Grund ist mir entfallen.

Ich durchquere pfeifend den Flur. Meine Hände habe ich tief in der Tasche meines Pullovers vergraben. Taschen sind das Geschenk einer höheren Macht, denn die Hälfte der Zeit weiss ich nicht, was ich mit meinen Händen machen soll und so kommen mir Taschen mehr als gelegen.

Ich hüpfe förmlich die Treppe hinunter, stolpere dabei aber über den letzten Tritt und falle mit einem Aufschrei auf den harten Parkettboden. War ja klar...

Ich winsle, während ich mich wiederaufrichte. «Frankie!», ruft meine Mutter aus der Küche. «Ja Mama?», frage ich, während ich mir das rechte Knie reibe. Als sie ein paar Sekunden später nicht antwortet, verdrehe ich die Augen. Was habe ich schon anderes erwartet?

Kurzerhand betrete ich die Küche. Meine Mutter ist gerade dabei einen Kuchen in den Ofen zu schieben. Ich warte höflich bis sie damit fertig ist. Die Schwarzhaarige dreht an den Rädern des Backofens herum, bis sie die richtigen Einstellungen gemacht hat, dann dreht sie sich zu mir um.

Sie lächelt mich an. In den grünen Augen meiner Mutter liegt stets ein Funkeln. Als hätte sie immer ein Ziel vor Augen und wüsste was zu tun ist. Darum beneide ich sie.

Ich hingegen fühle mich wie ein Astronaut, der die Verbindung zur Bodenstation verloren hat. Verzweifelt, ohne eine Ahnung, was er tun soll.

«Gehst du noch weg?», fragt sie, während sie meinen Aufzug betrachtet. Ich nicke. «Machst du morgen mit Oliver wieder einen Filmeabend?», meint sie dann. Es ist eine Tradition zwischen Oli und mir, dass wir uns jeden Freitagabend Filme ansehen. Meistens bis 22.00 Uhr, dann essen wir ein Dessert und sehen uns noch einen Film an. «Natürlich», grinse ich.

Ihr Lächeln verblasst leicht und ihr Gesichtsausdruck wird ernster. «Wie heisst er?», horcht sie mich aus. Verwirrt hebe ich eine Augenbraue. «Wer?», frage ich und lehne mich gegen die Wand. «Der Junge, mit dem du heute Abend noch weggehst», erklärt mir meine Mutter. Sie streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Ich zucke zusammen. «Woher?», ist das einzige, was ich herausbringe.

«Ich bin deine Mutter, Frankie. Natürlich fällt es mir auf, wenn du plötzlich fröhlicher wirkst», meint sie dann. «Sein Name ist Mikey», rücke ich heraus, «und wir sind erst seit einer Woche zusammen.»

«Dass ich das noch erleben darf», seufzt meine Mutter und wischt sich eine imaginäre Träne aus dem Gesicht.

Und die Leute wundern sich warum ich so seltsam bin.

«Danke Mama, durch dich fühle ich mich immer so geliebt», gifte ich, wenn auch nicht ernst gemeint.

«Apropos vorstellen», füge ich dann noch hinzu. «Wann stellst du mir eigentlich deinen Freund vor? Und bevor du fragst, ich bin dein Sohn, natürlich fällt mir sowas auf», meine ich, während ich gespielt desinteressiert meine Fingernägel betrachte. Warum blättert dieser schwarze Nagellack immer so verdammt schnell ab?

Geschockt sieht meine Mutter mich an.

«Nächsten Monat vielleicht?»

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Ich lasse mich neben Mikey auf die Zuschauerbänke fallen. «Hey», begrüsst er mich lächelnd. Ich küsse ihn auf die Lippen und meine dann: «Danke, dass du hergekommen bist.»

«Alles für meinen Lieblingsnerd», erwidert Mikey und greift nach meiner rechten Hand. «Ich bin kein Nerd», protestiere ich schwach. Mein Freund grinst nur. Ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue zum Spielfeld. Die Spieler, darunter auch Troy, wärmen sich gerade auf.

Obwohl das Spiel heute Abend eines der unwichtigeren ist, ist die Turnhalle trotzdem schon fast vollbesetzt. Hat keiner von denen was Besseres zu tun, als sich an einem Donnerstagabend ein Basketballspiel anzusehen?

Dann bemerkt Troy Mikey und mich. Mit schnellen Schritten kommt er auf uns zu. Besser gesagt klettert er über die ersten paar Zuschauerbänke, bis er zu uns gelangt. «Frankie, schön dass du hier bist», begrüsst mich der Grössere mit einem Grinsen. Dann wendet er sich an Mikey. «Brichst du ihm das Herz, brech ich dir sämtliche Knochen. Verstanden?», knurrt Troy. Er wirft mir noch ein letztes Lächeln zu und verschwindet dann wieder aufs Spielfeld.

Entsetzt starrt Mikey ihm hinterher. «Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich nicht mag», spricht mein Freund schliesslich. Ich lege ihm einen Arm um die Schulter und ziehe ihn näher zu mir. «Das ist nur Troy, der tut keiner Fliege was zuleide», stelle ich klar, während ich mich an Mikey lehne.

«Da bin ich mir nicht so sicher», presst der Andere hervor. Ich lache auf.

Dann fällt mein Blick auf Jona, der neben Troy auf dem Spielfeld steht. Stimmt, er ist auch in der Mannschaft.


Deine Liebe. (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt