Kapitel 15

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Als es an der Haustüre klingelt, bin ich gerade dabei mir den linken Schuh zuzubinden. In der halben Stunde, die mir geblieben ist, habe ich geduscht und darauf geachtet, dass ich wieder halbwegs lebendig wirke.

Ich richte mich auf und öffne die Tür. Jona starrt mir mit ernster Miene entgegen. Er hat seine Haare geschnitten, fällt mir auf. Jona wirkt verändert. Er trägt blaue Jeans und ein graues T-Shirt. Kein bisschen schwarz. Was ist mit dem Metalhead passiert?

Er hat tiefe Augenringe und ist blass. Der Blondhaarige scheint meinen fragenden Blick zu bemerken, denn er sagt: «Ich möchte nicht darüber reden.» Ich nicke nur und trete dann nach draussen. Wenn er darüber reden will, dann tut er das. Ich schliesse die Haustüre.

Wir machen uns schweigend zum Park auf. Auch jetzt im Oktober ist es warm genug, um in einem T-Shirt rumzulaufen. Hin und wieder hüpfe ich über einen Haufen Laub. Jona beobachtet mich mit einem leichten Grinsen, ansonsten bleibt sein Gesicht unbeweglich.

Irgendwann dann kommen wir im Park an. Ein paar Kinder und ihre Eltern tummeln sich beim Spielplatz herum. Jona steuert die entgegengesetzte Richtung an. Schliesslich bleiben wir vor einer Bank stehen. Ich setze mich. Er tut es mir gleich. Ich lehne meinen Kopf zurück und starre nach oben. Der Himmel ist bewölkt. Trotzdem kann man noch den Himmel sehen. Ich nehme ein bekanntes Klickgeräsuch wahr.

Verwirrt sehe ich zu Jona. Dieser hält ein Feuerzeug in der Hand und ist gerade im Begriff eine Zigarette anzuzünden. Ich werfe ihm einen sehnsüchtigen Blick zu. Wie gerne hätte ich jetzt auch eine Zigarette.

Vor ein paar Monaten habe ich mit dem Rauchen aufgehört.

«Teilen wir sie uns? Es ist meine letzte...», fragt mich Jona leise. Ich nicke wie in Trance. Er nimmt einen ersten Zug und reicht mir dann die Zigarette. Auch ich nehme einen Zug. Der Rauch kratzt in meinem Hals. Ich schliesse meine Augen und atme dann den Rauch aus. Danach halte ich Jona die Zigarette hin.

Wir machen weiter, bis wir ein kleines Stück über dem Filter angekommen sind. Jona wirft die Zigarette auf den Kiesplatz und tritt sie mit dem linken Fuss aus. Ein paar Eltern werfen uns einen vorwurfsvollen Blick zu, doch wir ignorieren sie.

«Warum sind wir hier?», frage ich schliesslich. Der neben mir Sitzende schaut zu mir. «Ich weiss nicht», antwortet er simpel und lehnt sich ein Stück nach vorne. Frustriert atme ich aus. «Wollen wir weiterhin so tun als wäre alles in Ordnung?», frage ich wütend. Der Andere zuckt zusammen.

Wir beide wissen ganz genau, dass es keinem von uns beiden gut geht. Er seufzt auf. «Okay, ich zuerst», meint er, während er unruhig an dem Saum seines T-Shirts herumnestelt. Ich kann deutlich erkennen, wie unwohl er sich in diesen Kleidern fühlt.

Warum trägt er sie dann?

«Ich habe vor zwei Wochen an einer Party viel zu viel getrunken. Während ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt habe, ist mir eine Erkenntnis gekommen...», beginnt er. Jona räuspert sich und senkt seine Stimme.

Er erzählt weiter: «Ich habe es satt. Ich habe es sowas von satt, dass zu tun was man von mir erwartet. Meine Mutter will, dass ich Basketball spiele und im Theaterklub bin. Mir gefällt Basketball und auch der Theaterklub ist cool. Aber ich will einfach nicht mehr so sein, wie alle es von mir verlangen. Sie interessiert sich nicht für mich, sie will bloss, dass ich der perfekte Sohn bin. Ich weiss einfach nicht was ich tun soll. Ich möchte sie nicht enttäuschen, aber ich möchte auch nicht so weitermachen wie zuvor. Deshalb auch diese Klamotten. Ich will nicht mehr der sein, der ich war.»

Gegen Ende hat er angefangen zu schluchzen, weshalb ich ihn nicht mehr richtig verstanden habe.

Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter. Jona weint still vor sich hin. «Du bist dran», schluchzt er nach mehreren Minuten.

Ich atme tief ein.

«Es ist eine längere Geschichte», erkläre ich ihm, während ich in die Ferne sehe.

Dann erzähle ich ihm wie mein Vater mich im Stich gelassen hat. Ich erzähle ihm von meinem Bruder, den ich vor Jahren das letzte Mal gesehen habe. Und ich erzähle ihm, wie schlecht es mir deswegen geht.

Doch das schlimmste habe ich noch nicht erzählt...

Eine Weile schweigen wir beide, bis ich dann murmle: «Zwischen Mikey und mir läuft es nicht mehr so gut.» Überrascht sieht mich Jona an. «Aber ihr seid ein Traumpaar...», meint er und senkt seinen Kopf. Ich seufze.

Die Eltern und ihre Kinder sind lange schon gegangen. Es dunkelt. Ein kühler Wind zieht auf.

«Wir waren es...», beginne ich, «aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass er kein Interesse mehr an mir hat.»

Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. «Kein Interesse? Wie meinst du das?», fragt der neben mir Sitzende vorsichtig. «Er hat mich mit Oliver betrogen...», offenbare ich bitter.

«Er hat was?!»


Deine Liebe. (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt