Kapitel 60

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„Mit wem gehst du denn jetzt eigentlich zum Abschlussball?", fragte Michelle. Sie, die anderen und ich lagen verteilt an dem Pool des Hauses meiner Eltern. Wir hatten uns mit dem „langweiligen" Teil des Pools zufriedengegeben, da meine Brüder mit ihren Freunden den „besseren" Teil besetzten. Ich cremte gerade meine Beine mit Sonnencreme ein: „Keine Ahnung...habt ihr alle schon jemanden?" „Sascha und ich werden zusammen hingehen.", erklärte May stolz. „Ich habe Lisa gefragt.", sagte Fabian mit einem unbewusst glücklichen Lächeln. „Ich werde mit Jordan hingehen. Danke dafür übrigens. Schon eine Idee wer für dich in Frage kommen könnte?", fragte Michelle. „Ian meinte, er habe einen Kumpel der schon eine Weile ein Auge auf mich geworfen hat. Bisher war er aber zu schüchtern mich anzusprechen.", erklärte ich. „Ein Kumpel von Ian?", fragte Michelle ungläubig. „Der schüchtern ist?", hackte May skeptisch nach. Ich muss zugeben, der Teil der Sache kam mir selbst etwas suspekt vor. „Notfalls hat Clara bestimmt auch noch jemanden für mich im Petto.", seufzte ich.„Wie war eigentlich dein Date mit diesem Henry?", hackte Michelle weiter nach. Sie beobachtete mich neugierig: „War er genauso ein Reinfall wie die anderen?"Ich biss mir auf die Lippe. Rot wurde ich sicherlich auch. „Er ist schwul.", erklärte ich beschämt. Die anderen brachen in Gelächter aus. Ich erklärte: „Er hat sich nur mit mir getroffen, als Alibi vor seinen Freunden." „Und Clara hat es nicht bemerkt?", fragte May lachend. „Wie gesagt, ich war sein Alibi. Er gibt sich sehr viel Mühe es geheim zu halten. Er hat auch nicht vor sich demnächst zu outen. Er...", ich schluckte, „wollte sogar mit mir zu dem Ball." Jetzt prusteten meine Freunde erst richtig los. Ich wäre am liebsten im Erdboden verschwunden. Ich war nicht mal in der Lage einen Jungen zu finden, der im

Entferntesten an mir interessiert war und wurde stattdessen als Alibi missbraucht. Nicht dass ich ein Problem damit hätte jemandem zu helfen, aber ausgenutzt wurde ich auch nicht gerne. Zudem würde mich ein Junge, der wirklich auf mich stand und mich meinetwegen mochte, sehr freuen. In letzter Zeit ging es im Thema Liebe bei allen bergauf: Louis war glücklich mit Lana liiert. Ja, es war mittlerweile offiziell. May und Sascha hatten sich scheinbar endlich gefunden. Fabian hatte niemand anderes mehr als Lisa im Kopf und Michelle und Jordan schienen wie für einander geschaffen. Ich hingegen blieb einsam und verlassen zurück.

Ich schüttelte mich. Ich musste das ganze endlich vergessen. Man findet die Liebe nicht, die Liebe findet einen. Oder so ähnlich... „Ich geh jetzt eine Runde schwimmen. Hat jemand Lust mich zu begleiten?", fragte ich die anderen. Sie verneinten. Aus verschiedenen Gründen. Sascha und May spielten UNO, Fabian war mit seinem Handy beschäftigt, wahrscheinlich Lisa, und Michelle meinte sie müsse für Deutsch noch ein Buch lesen. Also sprang ich alleine in das angenehm kühle Wasser. Ich sags ja, verlassen und alleine. Forever alone begann ich meine Bahnen zu schwimmen.

Am Ende des Beckens tauchte ich auf und beendete die sechste Bahn. Die Wendung hatte ich noch nicht so drauf, weshalb ich am Beckenrand immer ins Stocken kam und auftauchen musste. Zusätzlich erhielt ich dadurch eine kurze Verschnaufpause. Ich warf einen Blick in Richtung meiner Freunde. Sie befanden sich am anderen Ende des Beckens und machten noch immer keine Anstalten mir Gesellschaft zu leisten. Auf der anderen Seite des Pools und deutlich näher bei mir waren meine Brüder plus Kumpels. Auch die machten keine Anstalten das kühle Wasser zu genießen. Bei ihnen war ich allerdings auch nicht sonderlich unglücklich darüber. Auf die Gesellschaft Testosteron gesteuerter Jugendlicher konnte ich gut verzichten. Lucas würde mich sicherlich unterhalten. Wahrscheinlich würde er mich tunken oder ein Wettrennen vorschlagen. Irgendwie würde er verhindern, dass ich mich weiter langweilte oder einsam fühlte. Mit einem Seufzen wollte ich meine Bahnen fortsetzen. Eine nicht annähernd so raue und tiefe Stimme wie Lucas, aber doch recht maskuline Stimme hielt mich zurück: „Suchst du Gesellschaft?" Ja, suchte ich. Neugierig wer da gesprochen hatte drehte ich mich um. Am Beckenrand hockte einer von Ians Freunden. Wie ich darauf komme, dass er einer seiner Freunde ist? Anders kommen Models, wie er, nicht hier rein. Zumindest nicht wenn Mom und Dad auf einem anderen Kontinent sind. Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf dem Beckenrand ab: „Kommt ganz darauf an." Interessiert musterte ich ihn. Seit den Blind Dates hatte ich ein besseres Gefühl für den Umgang mit Jungs bekommen. Er sah gut aus. Seine Haut war, ähnlich wie die von Lucas, sonnengebräunt, seine Haare waren von einem dunklen blond und seine Augen haselnussbraun, nicht annähernd so faszinierend wie die von Lucas, aber doch irgendwie süß. Sein Gesicht war markant und seine Augenbrauen dicht. Ein kesses Lächeln zierte sein Gesicht: „Worauf kommt es denn an?" Ich erwiderte sein Lächeln: „Stehst du nur da draußen rum oder kommst du zu mir ins Wasser damit ich nicht so alleine bin?" „Sicher doch Mara Hamilton.", mit einem sportlichen Köpfer sprang er ins Wasser, nur um im nächsten Moment wieder direkt neben mir auf zu tauchen: „Fühlst du dich jetzt etwas weniger einsam?" Ich schmunzelte: „Zumindest habe ich jetzt weniger das Gefühl als einzige den Zweck des Swimming Pools an heißen Tagen zu kennen. Du kennst meinen Namen, darf ich auch den deinen erfahren?" „Klar, wenn ich dich auf ein Date ausführen darf.", selbstbewusst grinste er. Ich musterte ihn skeptisch: „Ich bin mir nicht sicher ob mir diese Information so viel wert ist. Zudem hatte ich in letzter Zeit eine Menge gescheiterter Dates und kann gut auf ein weiteres Scheitern verzichten." Sein Selbstbewusstsein schien für einen kurzen Moment angeknackst und er wusste nicht was er antworten sollte, dann fing er sich aber wieder: „Ein Date mit mir würdest du auf keinen Fall verpassen wollen." „Warum? Was würde mich erwarten?", ich wollte ihn auf die Probe stellen, sehen wie schlagfertig, beziehungsweise nicht hohl in der Birne, er war. „Du warst sogar mit Lucas Grey aus. Warum nicht mit mir? Nach ihm gibt es doch nichts mehr zu riskieren oder?", entgegnete der Junge. Er stellte sich selbst über Lucas? Ging strikt davon aus, dass Lucas keine Ahnung von Dates hatte? Nicht ganz die Taktik die ich erwartet hatte, aber ziemlich typisch für einen Freund meiner Brüder. Ich blieb höflich: „Woher möchtest du wissen, dass ich mit Lucas aus war? Und selbst wenn ich mit ihm aus war, heißt das nicht das er keine Ahnung hat wie ein gutes Date auszusehen hat. Es wäre unhöflich davon auszugehen oder warst du schon mal mit ihm auf einem Date?" „Gutes Argument. Ich habe jetzt aber nicht meine Chance bei dir vertan, weil ich Greys Date-Fähigkeit in Frage gestellt habe oder?", er seufzte. Ganz hohl schien er doch nicht zu sein: „Du bekommst eine weitere Chance. Was würde mich also erwarten?" „Beim ersten Date würde ich mit dir auf eine Rollschuhbahn gehen." „Eine Rollschuhbahn?", ich hasste alles was auch nur Eislaufen ähnelte. Schlichtweg, weil ich es nicht konnte. „Ist doch romantisch oder? Danach würde ich natürlich eine Pizza ausgeben.", zwinkerte er mir zu. „Hmmmm... Pizza klingt gut. Über die Rollschuhe müssen wir jedoch nochmal reden." „Wann darf ich dich zu dem Date entführen?" „Hast du nachher schon etwas vor?", erwiderte ich seine Frage. Ich freute mich etwas Neues auszuprobieren, die fehlende Aufmerksamkeit von Lucas durch einen Jungen, der mich vielleicht wirklich mögen konnte, zu ersetzen. Falls es mit diesem Jungen klappte, würde das auch der Beziehung zu meinen Brüdern helfen. Er lächelte entschuldigend: „Ich befürchte, dass ich dann doch nicht so spontan bin." „Passt schon. Also morgen?" „Morgen wäre perfekt. Ich hole dich um drei ab." „Ich fahre aber keine Rollschuhe!" „Ein gemeinsames Essen wir es wohl auch tun.", er lächelte. „Danke. Pizza ist übrigens trotzdem erwünscht.", ich zwinkerte ihm zu. „Ich schau was sich da machen lässt.", lachte er. „Darf ich jetzt deinen Namen erfahren?", hackte ich nach. „Joey.", mit einem Grinsen zog ich sich am Beckenrand hoch und kletterte aus dem Pool, „wir sehen uns morgen Mara Hamilton."

I'm your Robin HoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt