Die Wächter - BEGABT (Bd 1)

#12

Es war bereits halb sieben, als Allie, Norah und Sidney wieder an der Schule ankamen und die Drei eilten mit ihren Taschen zum Mädchentrakt, um diese noch schnell loszuwerden, bevor sie zurück in den Speisesaal hechteten, wo das Abendessen schon seit über einer halben Stunde im Gange war. Zum Glück waren die Zeiten am Wochenende etwas lockerer gehandhabt und so gab es auch kurz vor sieben noch allerlei leckere Speisen. Norah häufte sich Nudelsalat auf ihren Teller und schnappte sich mehrere Sandwiches. Es war erstaunlich, wie hungrig Shopping machte.

Sie folgte gerade Allie und Sidney zu deren Stammtisch, an dem auch Nick, Katy und Peeta schon saßen und ihren Nachtisch genossen (Mann, dieser Kirschquark sah echt lecker aus), als Norah Cameron entdeckte. Er saß an einem Tisch an der gegenüberliegenden Seite des Saals und unterhielt sich angeregt mit einem Mädchen, das Norah als Mila erkannte. Einen kurzen Augenblick blieb ihr das Herz stehen, als sie an Carter und Mila in dem Flur denken musste und zudem versetzte ihr die Eifersucht einen schmerzenden Stich. Musste Cameron für das Gespräch so eng an Mila heranrutschen?

Norah fiel ein, dass sie selbst noch kein Wort mit Cameron gewechselt hatte, seit sie heute Morgen ganz leise aus ihrem Zimmer geschlüpft war und beschloss, ihn nach dem Essen abzufangen.

Während Katy und Peeta wieder einmal in ihrer eigenen Welt versunken waren, schwärmte Sidney von ihrem erworbenen Ballkleid und Nick und Allie wechselten sich damit ab, mit den Augen zu rollen, hörten aber trotzdem höflich zu. Norah stocherte in ihrem Essen herum. Der Anblick von Cameron und Mila hatte ihr irgendwie den Appetit verdorben.

"Darf ich?", fragte eine tiefe Stimme hinter ihr und Norah fuhr erschrocken zusammen. Sie war so in Gedanken verloren gewesen, dass sie ihn gar nicht kommen bemerkt hatte.

"Ähm", stammelte sie und blickte zu ihm auf. Carter stand dort mit einem Teller Suppe und schaute sie fragend und abwartend an.

"Vielen Dank", sagte Carter und pflanzte sich auf die Bank neben Norah, wo er seine Suppe zu löffeln begann. Die Anderen am Tisch waren mit einem Schlag ruhig geworden und starrten Norah und Carter abwechselnd an. Allie warf Norah einen amüsierten Blick zu, futterte aber als einzige am Tisch gelassen weiter ihr Abendbrot.

"Und was habt ihr an eurem freien Tag so gemacht?", fragte Carter, als hätte er das plötzliche Schweigen und Starren überhaupt nicht bemerkt, und schaute dabei Norah direkt an.

"Ähm", stotterte sie verlegen und ärgerte sich zu Tode, dass sie in seiner Gegenwart immer zu einem kleinen, schüchternen Teenagermädchen mutierte.

"Wir waren shoppen", unterbrach Allie das unangenehme Schweigen, "und du, Carter?"

"Ich hatte eine Strafarbeit", Carter klang gleichgültig, doch sein Blick durchbohrte Norah.

"Ja aber nicht den ganzen Tag", zwinkerte Allie und schob sich ein weiteres Stück Sandwich in den Mund.

"Nein. Aber ich musste dafür so früh aufstehen, dass ich danach den halben Tag noch verschlafen habe", endlich wandte Carter sich von Norah ab und schenkte auch den anderen am Tisch etwas Aufmerksamkeit.

"Das schöne Wetter", tadelte ihn Allie und schüttelte den Kopf. Norah war ihrer Freundin dankbar, dass sie nicht wie alle anderen am Tisch in erstauntes Schweigen gefallen war.

"Ja ich weiß", lachte Carter und hob die Hände, als würde er sich ergeben wollen.

"Was verschafft uns eigentlich die Ehre?", meldete sich nun auch Sidney mit scharfer Stimme zu Wort.

Carter warf ihr einen kurzen, kühlen Blick zu, bevor sich seine Mundwinkel zu einem harten Lächeln verzogen. "Muss ich einen Grund haben, um mich zu meiner Freundin zu setzen?", fragte er und legte dabei eine Hand auf Norahs Bein.