#14.1

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Das Kapitel 14 kommt wieder in mehreren Teilen, da ich heute und morgen nicht so viel Zeit zum Schreiben habe, euch aber trotzdem nicht zu lange warten lassen will :)

Norah stand reglos zwischen den Regalen und starrte auf das klaffende Loch vor sich. Wie viele Bücher fehlten? Es war nicht erlaubt, Bücher aus der Bibliothek mit auf das eigene Zimmer zu nehmen. Wenn man damit lernen oder arbeiten wollte, musste man sich eine ruhige Ecke in der Bibliothek suchen. So wurde garantiert, dass alle Bücher stets für alle Schüler zugänglich waren und niemand welche von ihnen hortete. Was also war hier los? Norah schritt die verschiedenen Abteilungen der Bibliothek ab, in der Hoffnung, die Bücher aufgestapelt in irgendwelchen Nischen oder auf den Tischen wiederzufinden, weil irgendwelche Schüler zu faul gewesen waren, sie zurückzustellen, doch sie fand nichts. Als sie an dem Tisch von dem Bibliothekar vorbeikam, erhaschte sie einen Blick auf ihn, wie er mit einer Tasse Kaffee in der Hand hinter einer Zeitung versteckt dasaß und gedankenverloren vor sich hinsummte. Auf einem kleinen Schild vor ihm auf dem Tisch stand in goldenen Lettern Gordon Sparks.

"Mister Sparks?", Norah faltete die Hände hinter ihrem Rücken und postierte sich in höflichen Abstand vor dem Tisch des Bibliothekars. Vermutlich war der arme Mann schon völlig genervt von ihr. Sollte es so gewesen sein, so ließ er sich zumindest nichts anmerken, als er nun die Zeitung senkte und den Kaffee auf einen runden Untersetzter auf dem Tisch abstellte. SEine Brille war ihm auf die Nasenspitze gerutscht und er schob sie wieder hoch, während er sprach: "Wie kann ich behilflich sein?"

Norah fand diesen weißhaarigen, alten Mann zusehends seltsam. Er hatte so wissend und intelligent gewirkt, als Norah ihn und Carter belauscht hatte, aber heute machte er einen wirklich zerstreuten Eindruck.

"Haben Sie bemerkt, dass in der Lehrbuchabteilung zu den Begabungen eine ganze Menge Bücher fehlen? Ich war gerade dort und..."

Mit einem Schlag war Gordon Sparks hellwach und richtete sich in seinem Stuhl kerzengerade auf.

"Was sagen Sie da?", unterbrach er Norah und musterte sie mit großen Augen.

"Die Bücher...", setzte Norah erneut an, doch der Bibliothekar war bereits aufgesprungen und eilte an Norah vorbei in die Richtung, aus der sie gekommen war. Norah folgte ihm langsam.

Als sie ihn einholte, stand er bereits vor dem Regal, in dem so viele Lehrwerke fehlten und murmelte wirres Zeug vor sich hin. Er begann, die Regalreihen abzuschreiten und dabei alle Signaturen genau unter die Lupe zu nehmen.

"Mister Sparks?", Norah verstand nicht, was hier vor sich ging.

"Du hast Recht", sagte er und blickte hektisch zwischen Norah und den Büchern hin und her. "Aber es fehlen nicht irgendwelche Bücher. Ich muss zu Miss Abignail!" Damit rauschte er an ihr vorbei und verließ schnellen Schrittes die Bibliothek. Norah blickte ihm verwirrt hinterher. Was zur Hölle ging hier vor sich?

Norah stand ratlos zwischen den Bücherregalen und überlegte, was sie jetzt machen sollte. Kurzerhand beschloss sie, Mister Sparks zu folgen und so hoffentlich ein paar Informationen von ihm und der Schulleiterin zu erhalten. Für einen so alten Mann war der Bibliothekar allerdings unheimlich schnell zu Fuß unterwegs und Norah hatte keine Ahnung, wo er hingegangen war. Sie wusste auch nicht, wo sich das Zimmer oder Büro oder was auch immer von Miss Abignail befand. Unschlüssig stand Norah vor der Tür zur Bibliothek und späte die Flure entlang, nicht wissend, in welchen Gordon Sparks verschwunden war.

Da sie keinen anderen Anhaltspunkt hatte, wandte sich Norah in Richtung Foyer. Bei ihrer Ankunft in der Akademie hatte Miss Abignail die Lehrerzimmer und Schlafsäle der Lehrkräfte erwähnt und Norah hatte die leise Hoffnung, dass sie dort auch jetzt Miss Abignail und Mister Sparks finden würde.

So leise wie möglich hastete Norah die Flure entlang, die Steintreppen hinunter und rutschte im Foyer beinahe aus, weil dort gerade erst gewischt worden war. Die gesamte Schule war noch schlaftrunken und gespenstig ruhig. Kein Schüler und kein Lehrer kam ihr auf den Gängen oder im Foyer in die Quere. Natürlich wunderte das Norah nicht. Es war Sonntag und gerade einmal kurz nach sieben.

Norah steuerte auf die Tür zu, die rechts von dem Eingangstor lag, wuchtete sie auf und rannte geradewegs in eine dunkle Gestalt hinein, die sie sogleich an den Schultern packte, ihr eine Hand auf den Mund drückte, damit sie nicht vor Schreck schrie und sie in eine dunkle Nische des Gangs bugsierte. Norah spürte den heißen Schmerz noch bevor sie die Person erkannte und sackte in seinen starken Armen zusammen. Das Stechen in ihrem Kopf, in ihren Adern, in ihrem Herz hatte sie unvorbereitet und heftiger als sonst getroffen, so dass ihr kurz schwarz vor Augen wurde.

"Carter", flüsterte sie zwischen seinen Fingern hindurch, doch er verstärkte bloß seinen Griff und brachte sie zum Schweigen.

"Schhh", zischte er und deutete mit einer Bewegung seines Kopfes in Richtung einer Tür, die einen winzigen Spalt breit geöffnet war. Und dann hörte Norah es auch.

Die Wächter - BEGABT (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt