Die Wächter - BEGABT (Bd 1)

#6

Hey liebe Leser :) Hier nun also das nächste Kapitel - sorry, dass es etwas länger gedauert hat :) Ich würde mich wirklich über Feedback per Vote oder Comment freuen, damit ich weiß, ob euch meine Kapitel gefallen :P ;)

Als erstes sollte Sidney ihre Gabe demonstrieren und stellte sich in die Mitte des Raumes, die Augen geschlossen und ein konzentrierter Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht. Ihre Hände hatte sie vor ihrem Oberkörper zu einer Schale geformt, als würde sie damit Wassertropfen auffangen wollen. Norah beobachtete gespannt das Geschehen. Lange Zeit passierte nichts. Mr Gibson dimmte das Licht, so dass es in dem Trainingsraum sehr viel dunkler wurde. Gebannt hielt Norah den Atem an und starrte auf die kleine Flamme, die sich in Sidneys Handflächen bildete. Sie leuchtete orangerot in der Dunkelheit und flackerte, wodurch Sids Gesicht auf unheimliche Art und Weise erhellt wurde. Ein stolzes Lächeln umspielte Sids Lippen, als sie die Augen öffnete und in die Runde blickte. Abgesehen von Norah schien niemand übermäßig beeindruckend. Vermutlich hatten sie diese Vorführung schon sehr viel öfter genießen dürfen.

"Nicht wieder die alte Leier, Miss Herondale.", meldete sich Mr Gibson aus der Ecke des Raumes zu Wort, in die er sich zurückgezogen hatte. "Wir wissen, dass sie das Element Feuer perfekt beherrschen. Zeigen sie uns etwas neues!"

Sidney grinste, als hätte sie geradezu auf diese Aufforderung gewartet und vollführte eine schwungvolle Bewegung mit ihrem rechten Arm. Mit einem Mal erhob sich ein enormer Wind in dem Saal, der die Papierbögen von Mr Gibsons Lehrerpult wischte und den anwesenden Mädchen die langen Haare aus dem Gesicht fegte.

"Mr Dorsan!", rief Mr Gibson gegen das Brausen des Sturms an, zu dem der Wind inzwischen angeschwollen war. Ein brünetter Junge, den Norah etwas älter als sich selbst einschätze, erhob sich und breitete seine Arme aus. Der Wind verschwand ebenso schnell wie er gekommen war. Stattdessen begann nun, der Boden zu beben und Norahs Stuhl begann so sehr unter ihrem Hintern herumzuzappeln, dass sie abgeschüttelt wurde und unsanft auf dem Boden landete.

"Mr Hollins!"

Ein schlacksiger Bursche mit Brille und fast weißem Haar trat hervor und starrte konzentriert auf einen Punkt im Raum, den Norah nicht klar ausmachen konnte. Das Beben verstummte. Sonst passierte nichts. Einige Schüler lachten und warfen abwertende Blicke in Richtung des blonden Jungen, dessen Gesicht immer röter wurde vor Konzentration und aus Scham. Norah sah ihn voll Migefühl an. Du kannst es, wenn du es nur willst! dachte sie. Zeig es denen!

Mr Hollins blickte irritiert umher, als hätte er ihre Gedanken gehört und würde nun nach demjenigen suchen, der gerade aufmunternd zu ihm gesprochen hatte. Er bemerkte Norahs warmen Blick, nickte unauffällig und schloss die Augen. Es war gigantisch! Aus dem Nichts erschien eine riesige Welle, die die eben noch kichernden und lästernden Schüler unter sich begrub und dann, als wäre nichts geschehen, im Holzboden versiegte.

Der Junge öffnete die Augen und starrte Norah an. Was zur Hölle, sagte er. Nein. Norah starrte ihn ungläubig an. Er hatte die Lippen gar nicht bewegt!Sie wollte zu ihm rübereilen, ihn fragen, was da gerade passiert war. Ihre Gabe war die Zeit und nichts mit Gedanken. Damit hatte sie nichts zu tun! Aber er auch nicht. Er beherrschte die Elemente.

Mr Gibson räusperte sich und ließ Norah innehalten. "Schöne kleine Vorstellung, was?", sie hatte Anerkennung erwartet, Begeisterung, Erstaunen, Stolz. Aber seine Stimme war emotionslos, gelassen.

"Die Elemente zu beherrschen", setzte Mr Gibson mit klarer, lehrender Stimme an, "ist eine ganz besondere Gabe. Nur wenige von denen, die diese Macht haben, können alle vier Elemente kontrollieren. Miss Herondale ist eine unserer besten Schülerinnen in diesem Bereich. Erst dieses Jahr hat sie gelernt, zusätzlich zum Feuer auch die Luft zu beherrschen." Ein paar Schüler schenkten Sidney anerkennende Blicke.