Zwischenkapitel: Perspektivwechsel :)

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- Perspektivenwechsel: Carters Sichtweise -

"Wenn da mal jemand nicht verklemmt ist", neckte Carter sie.

"Ich bin nicht verklemmt", fauchte sie und verschwand hinter dem Regal mit den Biologiebüchern.
Kurze Zeit später kam sie aus dem Naturwissenschaften-Bereich zurück und steuerte auf den Tisch mit den Büchern zu.

"Ich wette doch", sagte Carter, obwohl er sie nicht wirklich für verklemmt hielt. "Ich wette dagegen", erwiderte sie und Carter musste noch breiter grinsen. Er hatte gehofft, dass sie das sagen würde. "Na schön." Langsam kam er auf sie zu. Sie wusste nicht, was er vorhhatte und griff nach einem Stapel Bücher, den sie ihm in die Hände zu drücken versuchte, doch er griff nach ihrer Hand und zog sie an sich heran. Die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben und sie wehrte sich nicht, als er sie küsste. Natürlich war der Schmerz unerträglich stark, aber das war es ihm in diesem Moment Wert. Er wusste nicht, warum sie es ihm so angetan hatte. Vielleicht war es ihre gigantische Kraft, von der sie selbst kaum etwas ahnte oder aber die Tatsache, dass er sie mit Cam gesehen hatte und nun dasselbe wollte. Er wusste es nicht. Vielleicht war es aber auch einfach nur sie, ihre Intelligenz, ihre leichte Naivität, ihre Augen. Er spürte, wie sie sich in seiner Umarmung wand und kurze Zeit später drückte sie ihn weg. "Was zur Hölle?", sie starrte ihn etwas empört an, aber ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen verrieten ihm, dass sie den Kuss ebenso schön gefunden hatte wie er.

"Siehst du, du bist verklemmt." Er versuchte, das Ganze wie einen Scherz aussehen zu lassen. Sie griff nach einem Buch am Boden und warf es nach ihm. "Nein. Ich bin mit Cam zusammen. Er hat heute bei mir übernachtet." Das traf Carter unvorbereitet. Dass er sie immer so besitzergreifend ansah und dass die beiden ab und zu Zeit miteinander verbrachten, hatte er gewusst. Aber dass es was Festes war zwischen ihnen? Nein, das hatte er nicht geahnt. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. "Regelwidrig", sagte er nur und setzte ein Grinsen auf. Sie kaufte es ihm ab.

"Du kannst auch einfach zugeben, dass du scharf auf mich bist!", zischte sie.

"Ohja. Ich spare mich für dich auf und warte sehnsüchtig auf den Moment, in dem du Cameron für mich den Laufpass gibst", hoffentlich merkte sie nicht, dass er sie wirklich mochte.

"Noch etwas", setzte sie an, "was wolltest du mir gestern genau sagen?"

"Ich wollte damit nur sagen", er sprach extra leise, damit sie näher zu ihm herüberkommen musste. "Du musst hier wirklich aufpassen, was du von dem, was sie dir beibringen, was sie dir erzählen, was sie uns vermitteln wirklich glauben kannst. Du solltest immer kritisch an die Dinge herangehen. Einige hier wollen wirklich ihre Gabe zum Schutz der Menschheit nutzen, aber andere", er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie zuckte nicht zurück. "wollen ihre Kraft verstärken, um Macht zu bekommen. Sie scharen mächtige Begabte um sich, um es für sich selbst zu nutzen. Verstehst du? Man muss immer auch Zweifel haben und nicht nur Vertrauen."

Seine Hand lag noch immer auf ihrer Wange und sie sah ihn mit ihren wunderschönen, blauen Augen an

"Du hast Recht", antwortete sie und er ließ seine Hand sinken, auch wenn er sie gerne noch länger berührt hätte.

"Warum hast du mich geküsst?", fragte sie und wurde rot. Er wusste, dass sie ihm die lässige Art komplett abkaufte und nicht wirklich glaubte, dass er etwas für sie empfand, aber so war es, wie er sich selbst eingestehen musste.

"Weil ich das wollte", erwiderte er leise und betete, dass sie ihn nicht doch noch durchschaute.

- Perspektivwechsel: Cams Sichtweise -

Er fand ihren Zettel auf dem Nachttisch liegen und musste lächeln. Er konnte es kaum fassen, dass sie ihn so schnell zu sich ins Bett gelassen hatte. Es war ihm unheimlich schwer gefallen, nur neben ihr zu liegen und nicht mehr zu versuchen, aber so weit war ihre Beziehung noch nicht. Er setzte sich im Bett auf. Es war erst kurz vor acht. Er hatte keine Ahnung, wann sie zurückkommen würde und wollte nicht im Mädchentrakt erwischt werden, also kritzelte er eine Antwort auf das Stück Papier, zog sich an und verließ ihr Zimmer wieder durch das Fenster, damit er im Flur keinem Lehrer begegnete. Wo musste sie ihre Strafarbeit absitzen? Hatte sie ihm das nicht kurz vorm Schlafen noch erzählt? In der Bibliothek, glaubte er sich zu erinnern und beschloss, einen kurzen Umweg am Fenster des Bibliothekssaals entlang zu machen. Weiter unten auf dem Sims vor dem Fenster angekommen, hockte er sich hin und spähte in die spärlich beleuchteten Räumlichkeiten. Von hier aus hatte er eine perfekte Sicht auf einige der Tische und die Geschichtsabteilung. Er erkannte Carter, der an ein Bücherregal gelehnt dastand und von ihm wegschaute. Cam folgte seinem Blick und sah Norah zwischen einigen Regalen hervorkommen, ihre Wangen leicht gerötet und ihr Blick etwas aufgekratzt. Sie hatte ihm gar nicht erzählt, dass Carter mit ihr zusammen zur Strafarbeit antreten musste und ihn überkam der Gedanke, dass diese Bestrafung etwas mit ihrem Gespräch zu tun haben musste, von dem sie ihm erzählt hatte. Dass Carter sie auch hatte warnen wollen. Er verspürte einen leichten Stich von Eifersucht, als er den beiden dabei zusah, wie sie quatschten und sich angrinsten. Norah nahm einen Stapel Bücher und wollte ihn Carter reichen und plötzlich küssten sie sich. Cam starrte die beiden durch das Fenster hindurch an. Norah sah etwas starr aus in Carters Armen, wehrte sich aber nicht. Was war hier los? Dann drückte Norah Carter von sich weg und ihr Ausdruck verriet Cam, dass sie das nicht kommen gesehen hatte und darüber auch nicht unbedingt erfreut war. Erleichtert atmete er auf. Norah betrügte ihn nicht, das war bloß von Carter ausgegangen. Kurze Zeit später unterhielten sie sich wieder und Carter strich Norah über ihr Gesicht, was seltsam vertraut wirkte. Dann war der Moment vorbei und die beiden gingen wieder an die Arbeit. Cameron wusste nicht, was er davon halten sollte. Es wirkte nicht, als ob Norah ihn hintergang, aber dennoch waren die beiden viel zu vertraut miteinander. Das würde er im Auge behalten.

Die Wächter - BEGABT (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt