I am the smart one

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"Sutton, du solltes langsam zu Bett gehen.", wies Sherlock seine kleine Schwester an. "Noch einen Moment.", sagte sie. "Was machst du eigentlich?", fragte Sherlock aus der Küche und blickte um die Ecke. Seine Schwester saß an Wohnzimmertisch und spielte Schach gegen sich selbst. "Ich will Mycroft irgendwann besiegen.", antwortete sie. Sherlock grinste. "Ganz meine Schwester.", Sutton blickte auf und rollte mit den Augen. "Offensichtlich.", sagte sie und versank wieder in ihr Spiel. "Noch fünf Minuten, klar?", fragte Sherlock. "Du bist doch auch länger wach. Und bei deinen Experimenten sehe ich lieber zu, als im Bett zu liegen und Angst zu haben, dass du die ganze Baker Street sprengst.", antwortete Sutton. "Keine. Diskussion.", sagte Sherlock streng und verschwand wieder in der Küche. Er sah auf die Uhr. 22:58 Uhr. Etwas später als sonst, aber nun musste er sich eben um seine Schwester kümmern. Trotz der späten Stunde wollte er nicht auf einen schönen Tee verzichten. Sherlock stellte die abgetrennten Fingerspitzen in den Kühlschrank und machte sich auf den Weg zu Mrs. Hudson. Am Türrahmen blieb er noch einmal stehen. "Wenn ich wieder oben bis, geht's ins Bett, klar?", fragte er noch einmal, erwartete aber keine Antwort. "Ja, Mycroft.", gab sie zurück und seufzte. Er zog eine Augenbraue hoch. "Ähm...", sie sah ihn an. "Du tust so als wäre ich sieben Jahre alt! Ich bin vierzehn, Sherlock!", er schwieg. Einmal öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn aber direkt wieder. "Sherlock?", fragte sie. "In Ordnung.", sagte er und ging die Treppe hinunter. Bevor er bei Mrs. Hudson klopfte, flüsterte er: "Sieben oder Vierzehn- Diskutieren kannst du!", er lachte einmal auf und klopfte. Mrs. Hudson öffnete. "Sherlock! Ist etwas passiert? Warum kommen Sie so spät zu mir? Warum kommen Sie überhaupt zu mir?", bombadierte diese ihn mit Fragen. "Würden Sie mir einen Tee machen?", fragte Sherlock. Mrs. Hudson atmete einmal aus. "Warum können Sie das nie selber machen? Ich bin nicht Ihre Haushälterin!", mahnte sie ihn mal wieder. "Ich bringe meine Schwester ins Bett.", sagte er. "Das ist allerdings vorbildlich. Na gut, ausnahmsweise!", Sherlock drehte sich um und wollte nach oben gehen. "Einen Moment!", Mrs. Hudson ging noch einmal ein paar Schritte auf Sherlock zu. "Sie kann glücklich sein, Sie als Bruder zu haben. Sie sind ein sehr guter großer Bruder.", als ihre Stimme zu Zittern beginnt, dreht sie sich schnell um und verschwindet in ihrer Wohnung.

Sherlock kam ungefähr zehn MInuten später zurück. "Sutton, jetzt aber ins Bett!", wies er seine Schwester an. Sie stöhnte auf, ging aber zu ihm. "Gute Nacht, Sherlock.", sagte sie und nahm ihn in den Arm. Er erwiderte letztendlich doch die Umarmung. "Schlaf gut, Kleine.", Sutton blickte zu ihrem Bruder hoch. "Ich bin nicht mehr klein.", sagte sie schnell. "Für mich schon. Und das wirst du immer bleiben.", antwortete Sherlock. Sie lächelte ihn an und ging in das Schlafzimmer. Nur einen kurzen Moment später kam Mrs. Hudson mit dem Tee hinauf. "Schläft sie in Ihrem Zimmer?", fragte jene. Sherlock nickte und setzte sich an den Wohnzimmertisch. "Aber Sie arbeiten doch immer so lange, da sollten Sie nicht auf dem Sofa schlafen! Sie können bei mir schlafen, ich würde dann auf dem Sofa schlafen!", legte Mrs. Hudson fest, doch Sherlock hob eine Hand, um sie zu unterbrechen. "Wir schlafen gemeinsam dort, Mrs. Hudson. Ich habe ein Doppelbett, falls sie es vergessen haben sollten. Und früher haben wir uns oft ein Bett geteilt. Wir sind Geschwister, wie so gerne betont wird. Mir scheint das normal. Wenn sie nun gehen würden, ich habe zu tun.", Sherlock griff erst nach der Tasse Tee, dann nach seinem Laptop. "Machen Sie nicht zu lang, Sherlock. Sie sind für sie ein Vorbild!", ermahnte sie ihn und ging zurück nach unten. Sherlock grinste. "Keine Sorge. Nur bis Eins.", sagte er leise.

Als Sutton wach wurde, war es noch dunkel. Ein Blick auf ihr Handy verriet ihr, dass es erst kurz nach zwei Uhr war. Leise ging sie zur Tür und öffnete diese. Vielleicht hatte Sherlock etwas Milch im Kühlschrank? Doch schon im Wohnzimmer blieb sie stehen. Sherlock war auf dem Sofa eingeschlafen, vor dem geöffneten Laptop. Als sie ihn herunterfahren wollte, sah sie das Hintergrundbild: John Watson mit einer Frau. Entweder mochte Sherlock die beiden extrem, was Sutton ausschloss, oder es war gar nicht seiner. Eher letzteres. Sie stellte den Laptop zur Seite. Dann holte sie eine Decke aus dem Schlafzimmer und deckte ihren Bruder damit zu. Sie sah Sherlock an. Er hatte sich kaum verändert, seit er gegangen war. Vielleicht war er jetzt etwas gefühlvoller, was offensichtlich an John Watson lag. Sutton war sich nicht sicher was sie von ihm halten sollte. Diese Freundlichkeit war ihr etwas suspekt. Sonst war niemand von Anfang an freundlich zu ihr, die Meisten konnten sie nicht leiden. Er er schien Sherlock zu verändern, was zwar gut sein könnte, aber nicht gut sein musste. Und diese Molly Hooper war ganz offensichtlich in Sherlock verliebt. Doch glaubte Sutton nicht, dass Sherlock je eine ernsthafte Beziehung führen konnte. Er schaffte es ja nicht einmal mit Mycroft, John oder ihr umzugehen, ohne sie zu beleidigen. In solchen Dingen war sie schon geübter drin. Sutton löste sich vom Anblick ihres schlafenden Bruders und ging in die Küche. Tatsächlich stand- zwischen abgetrennten Fingerspitzen und Augäpfeln- eine Packung Milch. Mycroft hatte ihr immer eine heiße Milch gemacht, wenn sie nicht mehr schlafen konnte und er gerade etwas Zeit hatte. Zeit hatte er zwar selten, aber sie wurde häufig wach. Mycroft meinte, diesen "Schlafrythmus" hatte sie von Sherlock. Gerade als sie eine Tasse gefunden hatte, die nicht noch halb voll oder dreckig war, und sie etwas Milch eingießen wollte ertönte eine Stimme hinter ihr. "Oh, ich würde die nicht trinken!", ruckartig drehte Sutton sich um. Zum Glück ließ sie die Tasse nicht fallen. "Hab ich dich erschreckt, mein Kind?" Das tut mir leid.", Mrs. Hudson nahm ein paar der dreckigen Tassen. "Sie sind noch wach?", fragte Sutton. "Ach, ich habe zu den merkwürdigsten Zeiten aktive Phasen. Muss am Alter liegen. Jedenfalls würde ich nichts davon trinken. Wer weiß, was Sherlock schon damit gemacht hat. Aber warum bist du denn noch wach?", entgegnete Mrs. Hudson. "Nicht noch, wieder.", berichtigte Sutton. "Na dann. Komm mal mit runter, ich mache dir etwas zu trinken. Dann kannst auch gleich wieder besser schlafen!", sie nahm Sutton mit zu sich in die Wohnung. Ihre war viel ordentlicher und sauberer. "Sherlock legt nicht viel wert auf Sauberkeit und Ordnung, nicht wahr?", bemerkte Mrs. Hudson. Sutton lächelte. "Das war schon früher so. Ich bin auch so, nur Mycroft ist ein wenig anders. ", erklärte sie, während Mrs. Hudson ihr eine heiße Milch zubereitete. Als die Tasse vor Sutton stand, fragte Mrs. Hudson: "Möchtest du mir etwas von früher erzählen? Sherlock redet nie wirklich mit mir und John hat auch nie Zeit. Nur Molly Hooper, diese Gerichtsmedizinerin oder so, aber sie ist auch so selten da!". "Ich kenne das. Mycroft ist auch immer beschäftigt, was natürlich verständlich ist. Aber nachdem Sherlock weg war, war ich immer allein. Nicht das mich das stören würde, aber ab und zu möchte man schon ein wenig plaudern.", stellte Sutton fest. "Dein Bruder ist nicht wirklich begabt, was das angeht.", bemerkte Mrs. Hudson. "Und was ist mit deinen Eltern?", Sutton verzog das Gesicht. "Mit denen kann man nicht reden. Klar sie sind echt lieb, aber so...anders. Wissen sie, Mycroft ging zuerst, doch ein großer Unterschied war das nicht. Aber Sherlock...er war immer der einzige Mensch, mit dem ich vernünftig reden konnte. Smalltalk...ich beherrsche ihn zwar, aber ich mag ihn nicht. Deshalb zog ich zu Mycroft, bei meinen Eltern war es einfach nicht das Richtige. Eigentlich waäre ich viel lieber gleich zu Sherlock gegangen, aber ich wusste nicht wo er war. Mycroft erzählte auch nie etwas, was nicht auffällig war, die Beiden haben ja immer Streit. Ich konnte mir zwar denken, dass sie Kontakt hatten, weshalb ich schon etwas verletzt war, aber fragen wollte ich dann auch nicht. Irgendwann folgte ich dann den Nachrichten über ihn immer mehr. Das war der einzige Kontakt, wenn man das überhaupt so nennen kann. Und als es dann hieß er sei tot...da ist eine Welt zusammengebrochen. Die einzige Person auf Erden die mich verstand- einfach tot.", Sutton atmete tief durch. Mitleidig sah Mrs. Hudson sie an. "Nun schauen sie nicht so!", sagte Sutton. "Ach, tut mir leid. Ich wusste ja nicht was du für eine Vergangenheit hast.", Mrs. Hudson legte ihr eine Hand auf die Schulter, die Sutton aber direkt zurückschob. "Die meisten wissen nicht einmal von meiner Existenz.", erklärte sie. "Und was ist mit der Schule?", fragte Mrs. Hudson. "Ich bin nie auf eine Schule gegangen. Mycroft und Sherlock haben mir alles wichtige - und noch mehr- beigebracht, später dann nur noch Mycroft. Ich bin einfach auf einem anderen Niveau als Andere. Ich mag zwar mit Abstand die Normalste von uns sein, aber nur weil ich mir eine Fassade aufgebaut habe. Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen, sie sollten nicht noch so einen...Freak haben, wie so viele sagen. Aber sie sind meine Eltern, natürlich wussten sie genau, dass ich so bin. Könnte ich mich nicht verstellen, dann würde ich sicherlich mit Mycroft zusammen arbeiten. Er hat mich immer vor der "falschen Seite" gewarnt. Scheinbar ist es gefährlich den Namen Holmes zu tragen und intelligent zu sein. Selbst unsere Eltern sagen, dass sie wünschten ich wäre ich "so eine" Holmes. Deshalb wollten sie nicht, dass jemand von mir weiß: Dann wäre sogar ich eine Gefahr für Sherlock und Mycroft, ein Druckpunkt.", Sutton trank den letzten Schluck Milch aus, woraufhin Mrs. Hudson direkt die Tasse wegstellte. "Tut mir leid. Jetzt habe ich so viel geredet.", entschuldigte sich Sutton. Mrs. Hudson unterbrach die Entschuldigung. "Keine Sorge. Aber jetzt solltest du zurück ins Bett gehen. Sonst kriege ich noch Ärger von Sherlock.", Mrs. Hudson lachte auf, doch Sutton blieb noch einmal am Türrahmen stehen. "Sherlock ist die wichtigste Person in meinem Leben. Ich möchte ihn niemals verlieren.", sie schwieg kurz und sah in die Lehre. "Er ist auf dem Sofa eingeschlafen, vor dem Laptop. Das heißt er wird morgen spät aufstehen. Bringen Sie den Tee besser etwas später, sonst wird er kalt.".

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