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Noch mehr Jahre strichen ins Land aber der Erzengel traf auf keinen Gefallen Engel mehr und Hoseok war froh darüber. Manchmal, wenn er an jene Nacht zurückdachte, bereitete ihm die Erinnerung an den kalten Zorn in den Augen des Erzengels noch immer schweres Unbehagen, aber seit damals kam dieser angsteinflößende Ausdruck niemals wieder.

Sie begegneten ein paar weiteren Verlorenen Seelen, die der Engel allesamt in den Himmel schickte und Hoseok lernte auch was es mit Dunkeln Auren auf sich hat.

„Sie stäken die Dunkelheit in Menschen?", hakte Hoseok nach. Aus der Ferne beobachteten sie eine Dunkle Aura, die sich gerade an einem Menschen zu schaffen machte. Die Dunkle Aura war nicht mehr als ein dunkler Rauch – eine dunkle Materie – ohne Gliedmaßen aber etwa in der Größe eines ausgewachsenen Mannes.

„Sie existieren davon", bestätigte der Erzengel. „Sieh zu was die Dunkle Aura mit dem Menschen macht. Wenn er sich an ihn heftet wird seine Dunkelheit größer und gefährlicher. Wenn zu viel Dunkelheit in dem Menschen vorhanden ist und wenn die Dunkle Aura sie ins unermessliche treibt, dann könnte dieser Mensch seiner Dunkelheit erlegen und zu grausamen Taten übergehen."

„Das ist es also? Das macht manche Menschen zu solchen...Unwesen?"

„Richtig", bestätigte der Erzengel.

„Wäre es dann nicht viel einfacher die Dunklen Auren einfach auszulöschen? Wenn es sie nicht gäbe wäre es doch viel unwahrscheinlicher dass Menschen einander Schaden zufügen wollten, nicht wahr?"

„Dunkelheit existiert ja bereits in den Menschen, die Dunklen Auren stärken sie nur. Natürlich hast du Recht und es würde bei vielen Menschen viel länger dauern, bis sie ihre Grenze an Dunkelheit erreicht haben wenn es die Dunklen Auren nicht gäbe, aber ich darf trotzdem nicht handeln."

„Wieso nicht?"

Er lächelte auf Hoseok hinunter. „Es ist nicht mein Recht das Leben eines Menschen der Existenz einer Dunklen Aura vorzuziehen. Der Oberste Schöpfer hat entschieden dass sie existieren und so soll es sein."

Hoseok beobachtete wie die Dunkle Aura sich weiter an sein Opfer schmiegte und fragte sich was wohl mit diesem Menschen geschehen würde. War vielleicht nicht genug Dunkelheit in ihm vorhanden, so dass die Dunkle Aura ihn nicht weiter beeinflussen konnte? Oder war bereits so viel Dunkelheit in ihm, dass die Dunkle Aura ihn an sein Limit führen würde? Was würde er tun wenn dieses Limit überschritten war? Würde er nachhause kehren und seine Frau und Kinder verprügeln? Würde er zum Mörder oder Dieb werden? So viele düstere Vorstellungen.

Hoseok und der Erzengel beobachteten die Dunkle Aura noch für einen Moment, bevor sie sich abwandten und weitergingen.

~*~

Nur wenige Monate nach dieser Beobachtung sollte sich Hoseoks Schicksal komplett verändern.

Der Erzengel hatte ihm viel von den Dunklen Auren erzählt und sobald er wusste nach was er Ausschau halten musste, sah er sie auch immer wieder auf ihrem Weg durch Dörfer und Städte schweifen – immer dort, wo viele Menschen zugegen waren.

Was er nicht erwartet hatte, war dass es eine Dunkle Aura gab, die so dunkel war, dass selbst Hoseok ihren Zorn spürte.

Sie kamen durch ein verlassenes Dorf, dessen Einwohner auf den Straßen lagen, schon lange ausgeblutet, mit Pfeilen und Schwertern in Brust und Rücken. Der Anblick war grauenhaft.

„Was ist hier passiert?", fragte Hoseok schockiert, während sein Blick über Leichen, totes Vieh, und ausgebrannte Häuser strich.

„Ein Massaker", antwortete der Erzengel mit einem Stirnrunzeln. „Aber wieso sollte jemand dieses winzige Dorf überfallen?"

FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt