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Kraft war in seine Arme und Beine zurückgekehrt und die Wunden in seiner Haut verheilt. Baekhyun konnte es nicht sehen, aber er spürte ein neues Gewicht von seinem Rücken ausgehend, dass sich deutlich von dem unterschied, was er eigentlich gewöhnt war. Seine Flügel waren gewachsen, der linke wieder verheilt und zu seiner vollen Größe aufgeklappt. Sie waren stahlgrau und ihr Glanz nur schwach zu erahnen, aber es würde ausreichen. Das müsste es.

Baekhyun spürte die Erzengelmacht in seinem inneren pulsieren, wie ein Feuerball der in seiner Brust saß, ein Stern so hell und mächtig wie eine kleine Sonne. Befehle, Worte, Anweisungen, all das schwirrte in seinem Kopf wie eine Melodie, die er einmal gehört hatte und nun nicht mehr vergessen konnte. Die ‚Erzengelschriften' wenn man sie denn so nennen kann – waren immerzu in seinem Inneren gewesen, so wie ihre Macht immerzu in seinen Flügel geschlummert hatte. Ein Gefühl unsagbarer Macht durchströmte ihn, obwohl er wusste das Feuer und Eis sich in seinem Inneren bekämpften. Zwei Mächte lagen ihm nun inne – zwei unterschiedliche Mächte, die einander nicht verstanden. Eine würde bald die Oberhand gewinnen und es war unausweichlich, dass die Gute, die reine Macht, kehrt vor dem Schlechten machen würde.

Baekhyun wandte sich zu Jongin um, der ihn mit geöffnetem Mund anstarrte. Sehun war vor Schreck zu Boden gefallen und blickte nicht weniger überrascht zu ihm auf.

Baekhyhun blickte über seine Schultern, drehte sich von links nach rechts und schenkte den beiden dann ein Grinsen. „Was sagt ihr jetzt?"

„KYUNGSOO!"

Kyungsoo schoss auf ihn los, aber seine Bewegungen schienen vor Baekhyuns Augen in Zeitlupe abzulaufen. Er duckte sich gemächlich unter seiner strahlenden Hand fort und überlegte, wie er ihn außer Gefecht setzen sollte, ohne ihn zu verletzen.

Kyungsoo war ebenfalls ein Erzengel, aber er war geschwächt, weil er bereits mit Baekhyuns anderer Macht zu tun gehabt hatte und...Baekhyun beschlich die Ahnung, dass er vielleicht gar kein so übler Erzengel war. Er gab Kyungsoo einen sanften Schubs, als er seinen Flügeln gefährlich nahe kam (es würde wohl dauern, bis er sich an die neue Länge gewöhnen würde), woraufhin Kyungsoo durch den gesamten Raum und anschließend durch eine der Säulen des Palodiums krachte. Sein Körper zuckte noch kurz, bevor er völlig erschlaffte.

Baekhyun verzog das Gesicht. „Oh Himmel, das tut mir so leid, Kyungsoo." Er blickte auf seine Hände hinunter und bildete Fäuste. „Erstaunlich." Er wandte sich noch einmal an Sehun und Jongin. „Wer will zuerst?"

Jongins Lippen zitterten, bevor er sie zu einem spöttischen Lächeln verzog. „Bilde dir nichts auf das bisschen Kraft ein, du Möchtegern Engel." Jongin trat ihm entgegen, mit dunklem Feuer in den Augen. „Ich, ein Vertreter der Palodiums Schriften, berufe eine Verhandlung gegen diesen Erzengel ein." Seine Stimme wurde weit in den Raum getragen, seine Verkündung echote in Baekhyuns Kopf wie Donner wieder. Die Regeln wiederholten sich in seinem Kopf. Eine Verhandlung wurde gegen ihn einberufen...der Himmel würde ihm seine Erzengelfähigkeiten nehmen, wenn er Baekhyun für schuldig befand...

Baekhyun wartete einen Moment...und anschließend noch einen, aber es fühlte sich nicht so an, als wäre etwas geschehen. Es erschienen auch keine Ketten.

Er blickte Jongin mit zur Seite gelegtem Kopf an. „Ist das alles?"

„Was? Aber...jeder kann sehen, dass du schuldig bist! Du KANNST gar kein Erzengel sein!"

„So wie es aussieht, ist der Himmel nicht deiner Meinung." Ein warmes Gefühl ließ sich in seiner Brust nieder, als Baekhyun verstand, dass es tatsächlich so war. Der Himmel hatte ihm diese Macht gegeben.

„A-aber..." Jongin wich vor Baekhyun zurück. „D-das...das kann doch nicht wahr sein!" Ein klein wenig tat Jongin Baekhyun auch leid. Er sah so verzweifelt aus, seine Augen flogen umher auf der Suche nach einem Ausweg, aus dem Loch, dass er sich letztlich selbst gegraben hatte.

FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt