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Sie hatten eine Menge auf dem Schlachtfeld gelernt. Das man Macht und Überlegenheit an dem Blut messen konnte, dass man auf gegnerischen Seiten vergossen hatte zum Beispiel oder dass man im Zuge der erlangten Beute gierig und eitel werden konnte.

Es war ihr sechstes Jahr in der Schlacht. Seit sechs Jahren saß Jongin im Sattel eines Pferdes und regierte von dort aus. Sein Vater erfreute sich indes bester Gesundheit, Jongins Sohn wuchs gesund und stark heran und hatte seinen Vater, den Prinzen, nicht einmal zu Gesicht bekommen. Jongin liebte dieses Leben als Eroberer über Länder und Menschen. Er war mächtig und angesehen, hatte die Ländereien seines Vaters bisher verdreifacht und die Schätze verzehnfacht.

Sechs Jahre im Sattel, ungeschlagen in jeder Schlacht und niemand wagte es auch nur noch ein Wort der Kritik über Jongin zu sprechen. Er hatte sich mehr als bewiesen.

Natürlich ahnte Chanyeol dass sich etwas verändert hatte. Manchmal sah er die müden Gesichter der Soldaten und wusste dass sie sich nach ihrem Zuhause sehnten, dass sie zu ihren Frauen und Kindern zurückkehren wollten und das stimmte Chanyeol vorsichtig. Er bemerkte auch die scharfen Blicke, die sich Jongins Berater hinter seinem Rücken zuwarfen und die falschen Lächeln, die sie ihm schenkten sobald er sich zu ihnen umwandte.

Chanyeol wusste also das ein Komplott bevorstand. Die Frage war, wer es wagen würde sich zuerst aufzulehnen. Jongins Berater oder die Soldaten. Beides waren starke Mächte, die Jongin auf ihre spezielle Art und Weise schaden könnten.

Das Zelt war leer als sich Chanyeol an diesem Abend zurückzog. Jongins Gemächer pulsierten für gewöhnlich vor Leben, weil immerzu Leute ein Anliegen an den Prinzen hatten oder neue Strategien besprochen wurden. Diese neue Ruhe fühlte sich an wie ein Atemzug, der lange in Chanyeols Lungen festgesessen war und den er nun endlich loswerden konnte.

Er streifte seine Kleidung ab und ging zu der Wanne hinüber, die ein Diener vorhin mit frischem Flusswasser gefüllt und erwärmt hatte. Seine Gedanken waren bei Jongin, während er seine Haut mit Wasser abschrubbte und anschließend mit Öl einrieb. Es war immerzu, zu jedem Augenblick, jemand an Jongins Seite, doch mittlerweile vertraute er nur noch Semachites und sich selbst genug um diese Aufgabe zu verrichten.

Semachites hatte im Laufe der Schlacht vor zwei Jahren einen Arm verloren, sich aber geweigert das Schlachtfeld und damit Jongin und Chanyeol zurückzulassen. Er blieb als ihr Berater und auch wenn ihm sein guter Arm abhandengekommen war, konnte sich Chanyeol darauf verlassen dass er auch mit der linken Hand ein unglaublicher Schwertkämpfer blieb.

Chanyeol hörte wie die Soldaten vor den Zelten die Hacken klirrend zusammenstießen, bevor die Zeltplanen am Eingang zur Seite geschoben wurden. Auf den vielen Fellen und dem ganzen Leder, die den Boden bedeckten, waren Jongins Schritte so gut wie lautlos aber Chanyeol wusste natürlich dass er zu ihm kommen würde.

Jongins Finger waren rau als sie ihm die Haare aus dem Nacken strichen. „Brauchst du Hilfe?"

„Ich bin gerade fertig geworden", erwiderte Chanyeol ohne sich umzudrehen.

„Hm? Wie langweilig." Seine Rüstung klirrte als er sich bewegte. „Soll ich einen Diener rufen oder hilfst du mir mit der Rüstung?"

Chanyeol stand auf, unbekleidet und noch ein wenig feucht, und half Jongin mit den Schnallen seines Burstpanzers. „Ist alles in Ordnung da draußen?"

„Alles ruhig", bestätigte Jongin. „Auf deiner Seite?"

„Nichts Ungewöhnliches."

Jongin lachte leise. „Möchtest du wissen, was Semachites vorhin zu mir gesagt hat während wir über die Felder geritten sind?"

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