Kapitel 14 - Zurück
Mein Herz rast, meine Pulsadern schwellen mit jeder weiteren Sekunde an, in der mein Puls darunter rebelliert. Ich zittere am ganzen Körper, meine Hände verkrampfen sich. Seit gefühlten Stunden stehe ich bereits vor dieser Tür und starre sie an. Sie wirkt bedrohlich, wie der Eingang zur Hölle – zu meiner ganz persönlichen Hölle.
Mit zittriger Hand hebe ich meinen Zauberstab und klopfe sachte gegen das Holz, ehe ich das Passwort, das Minerva provisorisch eingerichtet hat, flüstere.
Augenblicklich schwingt die Tür auf, gibt die Sicht auf meine Räumlichkeiten frei. Der altbekannte Geruch von kühlem Kerker und etlichen Zaubertrankzutaten schlägt mir entgegen und bringt mich für den Bruchteil einer Sekunde ins Schwanken.
Auf wackligen Beinen betrete ich den Raum, bevor die Tür hinter mir zuschlägt und klickend ins Schloss fällt. Mein Blick wandert durch den Raum, es scheint, als hätte sich nichts verändert und doch ist alles anders. Es fühlt sich so an, als wäre ich seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Der Raum wirkt normal und doch kalt; vertraut und doch fremd. Ihr Geruch hängt noch in der Luft, als hätte sie nur vor wenigen Minuten den Raum verlassen.
„Alles wird gut, Severus."
Meine Knie geben nach und ich breche auf dem Boden zusammen. Mein Zauberstab fällt klirrend zu Boden und rollt weg, meine Knie schlagen auf den Steinboden auf.
Dies ist nicht mehr mein Zuhause...Seit einer knappen Woche bin ich nun schon zurück in Hogwarts. Ich habe meine Gemächer seitdem nicht verlassen, habe mit niemandem gesprochen. Schlafen, insofern das überhaupt möglich ist, kann ich nur auf dem Sessel. Das Schlafzimmer habe ich noch kein einziges Mal betreten. Dazu fehlt mir einfach die Kraft.
Halt finde ich in meinem Feuerwhiskey, die Hauselfen sorgen für genug Nachschub. Auch haben sie inzwischen gelernt, dass sie mich auf keinen Fall ansprechen sollen. Das Essen stellen sie meist auf einem Tablett mit Warmhaltezauber vor die Tür. Die meiste Zeit aber vergesse ich es.
Den Unterricht, der von diesem Franzosen nebenan in den Unterrichtsräumen geführt wird, habe ich mit einem Schweigezauber ausgesperrt. Keine lauten Plagen, kein Wort, das durch die Türen in meine Gemächer dringt.
Schwerfällig erhebe ich mich aus dem Sessel und schwanke ins Bad, ihren Schal in meiner rechten Hand fest umklammert. Ich lege ihn nie aus der Hand, aus Angst, er könnte plötzlich verschwinden. Ohne Vorwarnung, so wie sie aus meinem Leben verschwunden ist.
Als ich das Wohnzimmer wieder betrete, stehen drei neue Flaschen Feuerwhiskey auf meinem Tisch. Wenigstens verstehen es die Elfen, mich in Ruhe zu lassen.
Minerva hat anfangs fünfmal täglich bei mir vorbeigeschaut. Ich habe sie natürlich nie reingelassen oder ihr geantwortet. In weiser Voraussicht habe ich meinen Kamin vom Flohnetzwerk genommen. Ich will einfach niemanden sehen. Es ist schlimm genug, dass ich wieder hier eingesperrt bin.
An diesem Ort ist die Sehnsucht nach ihr schlimmer, denn je. Ihr Verlust ist mir hier stärker bewusst, als an anderen Plätzen. Ich zerbreche daran.Ich habe die Hogsmeade Wochenenden immer als angenehm empfunden, als ich noch Professor war. Die meisten Plagen haben das Schloss verlassen, die übriggebliebenen versteckten sich in ihren Gemeinschaftsräumen. Das Schloss war leer und ruhig, ich konnte meinen Gedanken nachhängen und meinen Frieden in den stummen, hohen Wänden der Gänge finden.
Als sie an meiner Seite war, habe ich die Hogsmeade Wochenenden noch mehr genossen, als üblich. Wir konnten das Schlossgelände verlassen, wandern, Zutaten suchen oder einfach die Zeit zu zweit genießen.
Das jetzige Hogsmeade Wochenende hasse ich. Die Mauern des Schlossen wirken kalt und leer, trist und leblos. Die Steine lassen ihre Schultern hängen, möchten die Last nicht mehr tragen. Sind eingesperrt in diesem Käfig der Einsamkeit, ohne eine Perspektive; ohne eine Möglichkeit aus dem Gefängnis herauszukommen. Ebenso wie ich.
Meine Beine tragen mich wahllos durch die kalten, menschenleeren Gänge, haben kein bestimmtes Ziel vor Augen. Der Feuerwhiskey in meiner Hand schwappt bedächtig bei jedem Schritt hin und her – es ist mir egal, ob mir jemand über den Weg läuft. Egal, ob mich jemand verurteilt. Ich musste raus aus diesen Räumen, in denen noch immer ihr Duft hängt.
An jeder Ecke gibt es etwas, das mich an sie erinnert. Ich sehe ihre zarten Finger, die beiläufig über den Beistelltisch streichen, wenn sie daran vorbeigeht. Ihre Augen, die den Raum mehr erhellen, als es der Kamin jemals tun könnte. Höre ihr Lachen, das zwischen den Wänden widerhallt, als wäre es ein Klatscher, der unaufhaltsam von einer zur anderen fliegt.
Ich atme tief die kühle Luft ein und schließe meine Augen, in denen erneut Tränen brennen, lege meinen Kopf in den Nacken.
„Ich schaffe das nicht", hauche ich so leise, dass nicht mal ich es richtig verstehe.
„Doch. Ich weiß das." Ihre Stimme wirkt schwach, als würde sie krank im Bett liegen. Sie hat keine Kraft, aber sie ist da. Sie ist das Einzige, das mich morgens dazu bringt, mich mühsam aus dem Sessel zu erheben. Ich vermisse sie so sehr.
„Severus?" Minervas besorgte, vorsichtige Stimme ertönt hinter mir. Langsam lasse ich meinen Kopf auf meine Brust sacken, atme tief durch und versuche, mich zu sammeln. „Vielleicht... Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn du jemanden zum Reden hast." Sie ist näher an mich herangetreten, ihre Stimme ist lauter als zuvor.
Kraftlos stehe ich stumm da, rege keinen Zentimeter meines Körpers.
„Mein Büro ist jetzt frei." Mit diesen Worten verlässt sie mich, die Absätze ihrer Schuhe klackern lautstark auf dem Boden, das Geräusch fühlt sich fremd und unpassend an.
Ich bleibe einige Sekunden starr stehen, ehe ich meine Flasche an meine Lippen hebe. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit sucht sich ihren Weg durch meine Kehle, kriecht in jede Ecke, füllt meinen Körper mit angenehmer, betäubender Wärme und drängt den Schmerz und die Einsamkeit in einen engen Schrank, als wären sie Irrwichte. Und im Grunde sind sie das. Meine größte Angst, an der ich jedes Mal zu ersticken drohe.
Ich atme tief durch, ehe ich wankend einen Weg einschlage, den ich sonst nie genommen hätte.
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Komm, uns bleibt die Ewigkeit
FanfictionSeverus Snape musste mit eigenen Augen sehen, wie die Liebe seines Lebens - seine Seelenverwandte - bei lebendigem Leib verbrennt. Wie kommt er damit zurecht und wird er sie rächen? Feststeht, dass er Hermine mehr als alles andere auf diesem Planete...