Kapitel 38 - Unangenehmer Besuch

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Kapitel 38 - Unangenehmer Besuch

Die Zeit ist ins Land gezogen und noch immer habe ich keine Fortschritte mit Hermine gemacht. Unsere einzige Konversation bezieht sich darauf, dass ich ihr Essen und Trinken und ein paar Bücher, falls sie lesen möchte, ins Schlafzimmer bringe, nur um dann mit einem kurzen, scheuen Blick bedenkt zu werden, ehe ich mich wieder zurückziehe.
Es ist mittlerweile Mitte April, seit zwei Wochen ist sie nun zurück in den Gemächern und noch immer wacht sie jede Nacht schreiend auf. Und ich renne noch immer jede Nacht zu ihr ins Schlafzimmer, um ihr vollkommen außer Atem zu verstehen zu geben, dass ich da bin und sie beschütze. Dass ich nie wieder zulassen werde, dass ihr jemand etwas antut.
Poppy kommt jeden Tag in unsere Gemächer und verschwindet hinter der Schlafzimmertür. Jedes Mal bleibe ich im Wohnzimmer zurück und starre mit tief zusammengezogen Augenbrauen die Tür an, ehe sie sich wieder öffnet und ich beinahe verzweifelt darauf hoffe, dass sie mir gute Nachrichten überbringen kann.
Doch jedes Mal schließt sie sorgsam hinter sich die Tür, schenkt mir einen mitleidigen Blick und schüttelt nur leicht den Kopf, ehe sie aus unseren Gemächern verschwindet. Und jedes Mal lässt sie mich etwas zerstörter zurück.
Ich gebe mir alle Mühe, für Hermine da zu sein. Stark für sie zu sein. Ich stelle keine Forderungen und ich warte geduldig darauf, bis sie dazu bereit ist, mit mir zu reden. Aber auch ich kann nicht leugnen, dass mit jedem Tag die Hoffnung in mir ein kleines Bisschen stirbt.
Ich seufze leise und massiere meine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger. Natürlich unterrichte ich nicht wieder. Ich sitze – wie jeden merlinverdammten Tag – in meinem Wohnzimmer und warte darauf, dass sich etwas hinter der Tür tut. Vergeblich bisher.
Ein bestimmtes Klopfen an der Eingangstür lässt mich aufhorchen. Ich atme tief durch, ehe ich auf die Uhr schaue. Poppy kann es noch nicht sein.
Mit meinem Zauberstab bewaffnet, erhebe ich mich vom Sofa und durchschreite das Wohnzimmer mir schnellen Schritten.
Ich öffne die Tür, meinen Zauberstab erhoben und spähe hinaus. Ich atme geräuschvoll aus und lasse meinen Zauberstab sinken, als ich erkenne, wer dort vor meiner Tür steht.
„Potter", knurre ich, mache einen Schritt zurück und öffne die Tür ganz, damit er eintreten kann. Mit einem Nicken begrüße ich O'Donnel und schließe die Tür hinter den Beiden, ehe ich ihnen zum Sofa folge. Ich mache eine ausladene Geste mit meinem Arm, um ihnen zu bedeuten, dass sie sich setzen können.
„Etwas zu Trinken?", frage ich in die Runde, doch beide lehnen dankend ab, sodass auch ich mich in den Sessel fallen lasse. Ich verschränke meine Beine übereinander, lege meine Fingerspitzen aneinander und bette sie auf meinen Lippen.
„Was verschafft mir die zweifelhafte Ehre?", schnarre ich leise, während ich Potter durchdringend ansehe. Er tauscht einen bedeutungsvollen Blick mit O'Donnel, ehe er sich räuspert.
„Severus, es ist jetzt einige Zeit vergangen und so langsam kann ich es nicht länger aufschieben." Er fährt sich durch sein ungebändigtes Haar und ich unterdrücke den Drang, meine Zähne zu fletschen. „Ich kann Kingsley einfach nicht noch länger Ausreden auftischen. Ich muss endlich handeln. Deshalb kommt es zu diesem äußerst unangenehmen Besuch."
Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und antworte nicht. Noch immer bedenke ich ihn mit einem stechenden Blick und warte darauf, dass er weiterspricht.
„Nun", sagt er und räuspert sich erneut, ehe er seinen Rücken durchdrückt und mir genau in die Augen blickt. „Du wirst dich vor Gericht für den Mord an Rodolphus verantworten müssen."
Ich spüre, wie mir alles aus dem Gesicht gleitet. Meine sorgsam trainierte Maske bekommt Risse und droht, zu zerbersten.
„Wie bitte?", knurre ich bedrohlich, während meine Augenbrauen tiefer in mein Gesicht wandern. Potter fährt sich erneut durch seine Haare, schiebt seine Brille auf der Nase zurecht und rutscht unwohl auf dem Sofa hin und her.
„Ich weiß, es ist lächerlich und im Grunde ist es bloß eine formelle Sache", plappert er drauf los, ohne mir in die Augen zu sehen. „Es ist einfach... Du hast jemanden umgebracht. Natürlich vollkommen berechtigt, das ist mir klar. Aber es muss untersucht werden." Er blickt mich an und ein entschuldigender Ausdruck liegt in seinen Augen.
„Das kann nicht dein Ernst sein", knurre ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich spüre erneut die wohlbekannte Wut in mir aufsteigen und gebiete Potter augenblicklich Einhalt, als er erneut zu sprechen beginnen will. „Ich habe mein Leben verteidigt und das meiner Verlobten gerettet! Und dafür soll ich mich nun vor Gericht verantworten?!" Meine Hände haben sich mittlerweile zu Fäusten geballt und liegen rechts und links von mir auf den Armlehnen. Ungebändigte Wut brennt in mir, lässt mich erbeben.
„Ich weiß, dass es Schwachsinn ist", seufzt Potter.
„Gut!", gebe ich zurück. Mein tiefes Grollen hallt von den Wänden wider.
„Severus, es ist wichtig, dass wir dem auf den Grund gehen. Ich denke nicht, dass du verurteilt wirst. Wozu auch? Du hast vollkommen legitim gehandelt. Aber es muss dennoch abgeschlossen werden", antwortet er kleinlaut. „Immerhin haben wir eine ziemlich übel zugerichtete Leiche im Ministerium liegen."
„Er. Hat. Meine. Verlobte. Entführt!", presse ich hervor.
„Ich weiß", seufzt er und schaut zu Boden. „Aber es sind Vorschriften, Severus. Ich kann nichts dagegen tun."
„Das ist doch alles ein schlechter Witz!", brülle ich aufgebracht und stehe aus meinem Sessel auf, um zu meinem Regal zu gehen, um mir eine Flasche Whiskey zu holen. „Ich sitze seit zwei Wochen in diesen Räumen und muss mit ansehen, was dieser Bastard aus meiner Verlobten gemacht hat! Und dann soll ich mich dafür verantworten, dass ich ihm das gegen habe, um das er förmlich gebettelt hat, als er sich meiner Verlobten angeeignet hat?!" Meine Hand zittert, als ich mir ein Glas einschenke, das tiefe Knurren, das stetig aus meiner Brust dringt, erfüllt den Raum.
„Severus, ich kann nichts dagegen tun", antwortet Potter entschuldigend.
„Schön!", rufe ich resigniert, ehe ich mich wieder in meinen Sessel setze und das Glas an meine Lippen hebe. Die tiefe Furche, die zwischen meinen Augenbrauen prangt, wird mit jedem Schluck etwas tiefer.
„Gut", seufzt Potter erleichtert. O'Donnel steht bereits auf. „Ich komme gleich nach, Michael", sagt Potter leise an seinen Kollegen gewandt. Mit einem kurzen Nicken geht er an mir vorbei. Mein Blick folgt ihm über meine Schulter und ihm Augenwinkel erkenne ich, wie er zur Tür hinaus geht und sie hinter sich schließt.
„Wie-wie geht es ihr?", fragt Potter leise und richtet meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihm und blicke ihn eindringlich an, ehe ich mein Glas auf den kleinen Tisch neben mir abstelle.
„Sie hat jede Nacht Alpträume und schreit sich die Seele aus dem Leib", antworte ich flüsternd. „Sie isst kaum etwas und redet kein Wort." Erschöpft fahre ich mit meinen Händen über mein Gesicht.
„Kann ich zu ihr?" In seiner Stimme schwingt Sehnsucht und Sorge mit. Ich schüttle den Kopf.
„Sie will niemanden sehen. Madame Pomfrey ist die Einzige, die sie länger als fünf Minuten um sich haben will. Sie hat ihr gesagt, dass sie keinen Besuch wünscht."
Enttäuscht seufzt er auf und ich kann ihn nur zu gut verstehen. Ich bin froh, dass sie meine Anwesenheit duldet, wenn ich ihr Nahrung bringe oder nachts beistehe, wenn sie wiedereinmal einen Alptraum hat.
„Wann soll die Verhandlung sein?", frage ich, darum bemüht, dass es beiläufig klingt. So gut meine Maske auch trainiert ist, ich kann nicht leugnen, dass ich Angst habe. Was ist, wenn sie mich verurteilen? Aus welchem Grund auch immer. Ich habe mir geschworen, nie wieder zurück nach Askaban zu gehen. Und schon gar nicht, wenn Hermine wieder bei mir ist. Ich werde sie nicht verlassen.
„In zwei Wochen", antwortet Potter und wirkt plötzlich fürchterlich müde. „Aber du wirst noch eine offizielle Vorladung bekommen." Ich schnaube und nehme mein Glas in die Hand, um es an meine Lippen zu setzen.
„Ich freue mich", antworte ich süffisant mit einem kräuselnden Lächeln auf den Lippen.
„Wir stehen auch das irgendwie durch", gibt er zurück und schenkt mir ein halbherziges Lächeln. „Ich werde dir einen Anwalt besorgen." Ich nicke kurz – ein stummes Bekenntnis meiner Dankbarkeit. Seufzend erhebt er sich, ehe er an mir vorbei geht. „Bis dann, Severus."
Ich antworte nichts, sondern lausche lediglich der ins Schloss fallenden Tür in meinem Rücken.
Erschöpft lasse ich meinen Kopf in den Nacken fallen und schließe die Augen. Das hat mir gerade noch gefehlt.
Als ob es nicht schon genug wäre, dass ich tagein tagaus mit ansehen muss, wie die Liebe meines Lebens unter den Nachwirkungen der Folter dieses Bastards zu leiden hat. Ich muss über mich ergehen lassen, dass sie Angst vor mir hat und mich jedes Mal wie ein geschlagenes Tier voller Panik anblickt, wenn sie Gefahr läuft, dass ich ihr auch nur etwas zu nahe kommen könnte.
Ich muss damit zurecht kommen, dass sie jede Nacht schweißgebadet aufwacht, weil ihre Gedanken sie quälen.
Und jetzt soll ich mich auch noch dafür verantworten, dass ich sie aus den Fängen dieses kranken Irren gerettet habe.
Meine Kiefer mahlen hart aufeinander, meine Finger verkrampfen sich um das Glas in meiner Hand. Und ehe ich mich versehe, habe ich ausgeholt und das Kristallglas ist scheppernd an der gegenüberliegenden Wand zerschellt und in tausend Einzelteile zersprungen. Die Scherben fliegen wild durcheinander und rieseln in winzigen Stückchen auf den Boden. Ganz so, wie all meine Hoffnung, auf ein besseres Leben.

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