Kapitel 15 - Püppchen
Mein Brustkorb hebt und senkt sich schnell, pumpt gierig die stickige Luft, die durch den Raum schwirrt und meine Gedanken benebelt, in meine Lunge. Sie brennt, schreit bei jedem Atemzug – sie möchte ihre Arbeit einstellen, aufhören zu existieren, sich aus meinem Körper reißen und mich verlassen.
Meine Knie scheuern über den feuchten, harten Steinboden, die Haut an ihnen hat offene Stellen und ich glaube, warmes Blut an meinen Beinen herunterlaufen zu spüren. In meiner Nase kitzelt der strenge Duft von Schweiß, Blut und Ausscheidungen, die um mich herum verteilt sind.
Das eiskalte Metall der Handschellen schneidet sich in meine Handgelenke, reibt auf meiner Haut, hinterlässt nichts als Leid und wunde Stellen dort, wo sie sich in mein Fleisch schneiden. Mein Haar klebt mir schweißnass am Kopf, es ist verknotet und mit Blut verkrustet, mein Kleid ist zerrissen und hängt farblos von meinem Körper herab. Nichts erinnert mehr an das strahlende Silber, das es einst darstellte.
Stumme Tränen rinnen meine Wangen entlang, verlieren sich in dem See aus Blut und Exkrementen auf dem Boden.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier bin. Seit wann ich in diesem Raum sitze und von Tag zu Tag etwas mehr sterbe. Ich weiß nur, dass ich es nicht mehr lange aushalte – nicht mehr lange aushalten will.
Mein schwacher Blick gleitet zur schweren Eisentür, die er magisch verriegelt hat. Sie wird bloß einmal am Tag geöffnet. Dann, wenn er mir lieblos ein halbes Leib Brot entgegen wirft. Meistens kann ich es nicht auffangen, es landet dann – wenn ich Glück habe – in einer Regenpfütze vor mir. Wenn ich weniger Glück habe und es neben mir in der Lache aus Blut und Fäkalien landet, ist es nicht mehr genießbar für mich und ich muss einen weiteren Tag darauf warten – mich quälen --, bis ich etwas neues bekomme.
„Fang, kleines Püppchen", höhnt er jedes Mal, wenn er mit dem Brot vor mir herumwedelt und dann dreckig lacht.
Ein eiskalter Schauer läuft bei der Erinnerung meinen Rücken herunter, ich zucke unwillkürlich zusammen und schluchze lautlos.
„Du musst durchhalten!" Severus' Stimme flüstert in mein Ohr, als wäre er genau hinter mir und würde mich jede Sekunde in seine Arme nehmen. Immer wieder schließe ich meine Augen und lasse meinen Kopf nach hinten fallen, in der surrealen Hoffnung, sein Körper wäre da und würde mich halten.
Doch da ist niemand. Nie. Ich seufze – es schmerzt – und schließe meine Augen, möchte mich vor der Situation verstecken, möchte mein eigenes Leid nicht mit ansehen.
Immer und immer wieder gehe ich im Kopf den Abend durch, der mein ganzes Leben zerstört hat. Ich habe Severus verloren, danach habe ich mein Leben verloren. Verloren in die Hand eines Wahnsinnigen und ich weiß nicht einmal, wer mein Peiniger ist. Ich glaube, seine Stimme zu erkennen, aber ich kann sie nicht zuordnen. Meine Haare bedecken oft meine Ohren, bilden eine nahezu undurchdringliche Wand aus Schweiß und Blut und ich höre bloß permanentes Rauschen, das seine widerlichen Worte übertönt.
Doch ich bereue es, Severus hinterher gegangen zu sein. Nicht, dass ich es bereue, um ihn gekämpft zu haben. Nein, ich bereue es, dass ich meine Emotionen nicht unter Kontrolle hatte. Dass ich kopflos durch Hogwarts geirrt bin. Dass ich nicht einmal meinen Zauberstab bei mir hatte. Dass ich der Falle direkt in die Arme gelaufen bin.Als ich den lauten Knall hörte und mich umdrehte, sah ich nichts, als grünes Licht. Meine Augen waren von ihrem Tränenschleier verhangen und ich erkannte nichts, was um mich herum passierte.
Ich hörte meinen Schrei, ehe alles um mich herum in Dunkelheit fiel und ich mit ihr. Wie mein Körper zu Boden fiel, spürte ich bereits nicht mehr.
Als ich zu mir kam und aufwachte, fand ich mich in diesem Raum wieder. Er sah aus wie ein Keller, alles war unordentlich gemauert, einzelne Steine ragten hie und da in den Raum hinein. Der Boden war ebenfalls aus Naturstein und er rieb an meinen nackten Knien, mein Kleid war an meinen Oberschenkeln hochgerutscht.
Meine Sicht war verschwommen, mein Herz raste. Ich wollte mir meine Haare aus dem Gesicht streifen, doch als ich meine Hand hob, rasselten Ketten und Metall schnitt sich in meine Haut überm Handgelenk. Schmerzhaft stöhnte ich auf, als Panik in mir aufstieg. Wo war ich? Wer hatte mich hergebracht? Und wieso in Merlins Namen war ich gefesselt?
Erschrocken riss ich meine Augen auf und sah mich um. Und da sah ich ihn. Wie er lässig an der gegenüberliegenden Wand stand. Zwei wahnsinnige Augen starrten mich durch eine Maske an und als ich erkannte, um welche Maske es sich handelte, stockte mir der Atem.
„Todesser", flüsterte ich leise, mein Herzschlag übertönte jedes Geräusch. Er lachte zur Antwort nur hämisch, während er auf mich zukam. Instinktiv versuchte ich, nach hinten zu weichen, doch in meinem Rücken befand sich nichts weiter, als eine Wand.
„Na, Püppchen", säuselte er, als er sich hinhockte, um mit mir auf einer Höhe zu sein. Er war nicht mehr als einen halben Meter von mir entfernt. „Endlich wach?"
„Wo bin ich?", rief ich so mutig, wie ich konnte. Meine innere Gryffindor war verschwunden und versteckte sich hinter dem riesigen Kloß, der mir im Hals hing.
„Das wüsstest du wohl gern, hm?" Sein dreckiges Lachen erfüllte den Raum und ließ mich zittern. „Ich hoffe, du hast es hier gemütlich." Seine ausladenden Geste mit den Armen widerte mich an. „Du wirst hier noch einige Zeit verbringen." Und mit einem weiteren dreckigen Lachen stand er auf und ließ mich allein.
Als die Tür ins Schloss fiel, sackte ich in mir zusammen und begann zu weinen.Und seitdem sitze ich nun schon wie viele Tage hier? Ich weiß es nicht. Ich habe aufgehört zu zählen. Ich weiß nicht einmal, ob wir gerade Tag oder Nacht haben.
„Du schaffst das", flüstert Severus mir beruhigend zu und ich spüre beinahe seine langen Finger, die mir über den Rücken streicheln. Ergeben schließe ich meine Augen, versuche, den Schmerz in meinen Knien und den Handgelenken weg zu atmen und lausche den stummen Tränen, die über meine Wangen laufen.
„Ich werde hier sterben, Severus", hauche ich zur Antwort, zu nicht mehr im Stande. Er schnaubt in meinem Kopf.
„Du hast schon so viel durchgemacht, kleine Gryffindor, du wirst das überleben", antwortet er, „Für mich."
Ja, für ihn würde ich alles tun. Aber ich spüre, dass meine Kräfte entschwinden. Ich muss nur wenige Zentimeter von mir entfernt – soweit meine Handfesseln es eben zulassen -- meinen Toilettengang erledigen. Meine Haut ist wund und entzündet und jeder Atemzug schmerzt. Ich glaube nicht, dass ich das überstehen werde.
„Doch, das wirst du." Er knurrt, er ist wütend. Normalerweise wäre ich zusammengezuckt oder hätte versucht, ihm eine schnippische Antwort zu geben. Doch es ist mir gleich. Was soll ich schon tun? Was hat er bisher getan?
Mühsam versuche ich, die aufkeimende Wut in mir zu unterdrücken. Er hat mich bisher nicht gefunden. Vielleicht nicht einmal nach mir gesucht. Vielleicht hat er mich abgeschrieben, vergessen – ich würde es ihm nicht verdenken. Vielleicht sitzt er in unseren – seinen – Gemächern, trinkt einen Wein und verschwendet keinen Gedanken an mich. Vielleicht bin ich ihm egal.
„Sag so etwas nicht!", faucht er in meinem Kopf und ich zucke zusammen, ehe ich vor Schmerzen gepresst stöhne und meinen Kopf auf meine Brust sinken lasse.Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen habe. Still, selbst meine Gedanken haben ihre Arbeit eingestellt. Aber das Knarren der schweren Eisentür kündigt an, dass mein Entführer mir erneut einen Besuch abstattet. Ich habe Hunger und Durst, doch ich bekomme nie etwas zu trinken. Ich muss mich mit den Wasserrinnsalen, die von der Wand auf den Boden tropfen, begnügen. Immer wieder hänge kraftlos an der Wand, presse meinen Mund dagegen und versuche, jeden so wertvollen Tropfen aufzunehmen.
„Na, Püppchen", sagt er und ich muss mich erneut schütteln. „Wie geht's uns denn heute?" Sein widerliches Lachen hallt von den Wänden wider und geht mir durch Mark und Bein. Severus knurrt wie zur Antwort in meinem Kopf, sein tiefes Grollen erfüllt jeden Millimeter meines Hirns.
Ich habe keine Energie, zu antworten, weshalb ich es dabei belasse und den widerlichen Mann vor mir ignoriere. Doch als mein Körper magisch aufgerichtet wird, bereue ich meine Entscheidung.
Die Fesseln zerren an meinen Handgelenken, schneiden sich noch tiefer in mein entzündetes Fleisch. Tiefe Schluchzer entfliehen meiner trockenen Kehle und mein Gesicht ist zu einer schmerzenden Grimasse verzerrt. Mein schwacher Körper schwebt über dem Boden, die Ketten meiner Fesseln sind bis aufs äußerste gestrafft. Noch einen Zentimeter weiter und er würde meine Hände abtrennen.
„Es ist sehr unhöflich, nicht zu antworten, wenn man angesprochen wird, Püppchen!" Ich öffne beschwerlich meine Augen für einen Spalt und sehe, dass er auf mich zu getreten ist. Seine Augen funkeln zornig unter der Maske, während er von oben herab auf mich nieder starrt. „Ich habe nie verstanden, was Severus an den Schlammblütern fand. Erst diese Missgeburt Evans, dann dich. Aber ich muss ja zugeben, dass ihr einen gewissen Reiz ausübt."
Seine dreckigen Finger gleiten meine Wange entlang, fangen meine Tränen auf und hinterlassen nichts als eine heiße Spur aus Ekel und Verachtung. Mein schwacher Blick ist auf ihn gerichtet, während er genüsslich meine Tränen von seinen Fingerspitzen leckt.
„Wir werden noch viel Spaß miteinander haben, Püppchen." Er wirft das Brot wenige Zentimeter von mir entfernt auf den regennassen Boden und dreht sich um. In diesem Moment sackt mein Körper zusammen, der Zug an meinen Handgelenken lässt nach und als er zur Tür hinaus schreitet, lässt er nichts als ein Häufchen Elend zurück.
Ich kauere auf dem Boden, schluchze aus tiefstem Herzen und versuche irgendwie meine gereizten Handgelenke zu beruhigen. Meine salzigen Tränen verschlimmern meinen unerträglichen Durst, als dass sie ihn verringern.
„Severus", schluchze ich, „bitte rette mich."*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
A/N: Ja, ich weiß. Voll fies, dass ich jetzt hier aufhöre. 💁🏼
Aber ich dachte mir, wenn ihr erstmal wisst, dass sie noch lebt, habt ihr auch mehr Geduld auf die letzten Kapitel. 😉
In den nächsten Tagen gibt den letzten Schwung Kapitel und dann haben wir hier auch endlich die Trilogie beendet. :)
Habt ein schönes verlängertes Wochenende. ❤️
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Komm, uns bleibt die Ewigkeit
Fiksi PenggemarSeverus Snape musste mit eigenen Augen sehen, wie die Liebe seines Lebens - seine Seelenverwandte - bei lebendigem Leib verbrennt. Wie kommt er damit zurecht und wird er sie rächen? Feststeht, dass er Hermine mehr als alles andere auf diesem Planete...