Kapitel 13 - Gerichtsverhandlung

709 51 3
                                    

Kapitel 13 - Gerichtsverhandlung

Das immer lauter werdende Stimmengewirr um mich herum verschwimmt zu einem monotonen Rauschen. Ich konzentriere mich nicht auf einzelne Stimmen, versuche nicht, bei einem Gespräch zuzuhören. Mein Blick ist starr auf meine Knie gerichtet, meine Haare fallen wie ein Vorhang in mein Gesicht. Ich spüre nichts. Keine Angst, keine Sorge. Ich bin leer.
Severus..." Ihre Stimme nicht mehr als ein Hauch, über all dem Lärm im Saal kaum zu verstehen. Und trotzdem, ich strenge mich an, höre genau hin. Spüre ein winziges Zucken an der Stelle, an der einst mein Herz saß.
Auch wenn ich keine Handschellen trage, die mich an den Stuhl fesseln, habe ich meine Handgelenke ruhig auf dem kalten Holz der Armlehnen abgelegt. Im Grunde, ist es mir egal, ich möchte nur, dass die Verhandlung endlich beginnt und ich meine gerechte Strafe bekomme und endlich Buße tun kann.
Türen werden hinter mir geschlossen, die Wand vor mir füllt sich mit Mitgliedern des Zaubergamots. Ein leises Murmeln erfüllt den Raum, ehe es gänzlich verstummt und drei Hammerschläge den Beginn der Verhandlung ankündigen.
„Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben sich heute, am dreizehnten Februar, hier versammelt, um in dem Fall Miss Granger ein Urteil zu fällen." Kingsleys tiefe Stimme dröhnt durch den Saal, füllt jeden Millimeter mit ihrem Volumen aus. Doch ich spüre nur eine kleine Vibration, dumpf, kaum spürbar.
„Die Verhandlung führen Kingsley Shacklebolt, Zaubereiminister und Gawain Robards, Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung. Dem Angeklagten, Severus Tobias Snape, wohnhaft Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei, wird vorgeworfen, das Opfer, Miss Hermine Jean Granger, am Abend des einunddreißigsten Dezember auf den Ländereien der eben genannten Schule umgebracht zu haben. Sind Sie Severus Tobias Snape?" Zu nicht mehr im Stande, nicke ich einfach.
„Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?"
Der riesige Kloß, der sich in meinem Hals eingenistet hat, erschwert mir das Schlucken. Mein Hals ist staubtrocken und trotzdem schaffe ich es irgendwie, zu sprechen. Krächzend bahnt sich meine Stimme ihren Weg aus meiner Kehle.
„Schuldig." Ein Raunen geht durch die Menge, zwischendrin höre ich ein erschrockenes Japsen.
Severus, nicht!" Hermines Stimme ist lauter, als sie es in den letzten Tagen gewesen ist. Ganz so, als würde sie direkt hinter mir stehen und mir ins Ohr brüllen. Qualvoll schließe ich die Augen, unterdrücke den Drang zu würgen.
„Nun...", setzt Kingsley an. Offenbar scheint er von meiner Antwort aus dem Konzept gebracht worden zu sein. Ist mir gleichgültig. Ich möchte nur noch meine Strafe erhalten, zurück nach Askaban geschickt werden. Oder exekutiert werden. „Der Angeklagte hat sich für schuldig befunden..." Plötzlich herrscht Aufruhr hinter mir, eine Tür wird geöffnet und direkt danach wieder geschlossen.
„Harry James Potter. Zeuge der Verteidigung." Als ich Potters Stimme höre, sacke ich in mich zusammen und schließe meine Augen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Wieso muss er es nur unnötig schwer machen?
„Harry", beginnt Kingsley, räuspert sich jedoch schnell. „Mr Potter, Sie kommen zu spät." Potter tritt neben mich und ich wage es, einen flüchtigen Blick zwischen den fettigen, dünnen Strähnen hindurch zu werfen. Er hat seine Schultern gestrafft, die Arme hinter seinem Rücken verschränkt und starrt Kingsley mit undurchdringlicher Miene an.
„Ja, und ich bitte, diese Verspätung zu entschuldigen, Herr Minister." Er geht einen Schritt auf das hohe Pult, hinter dem Kingsley sitzt, zu, aber ich habe keine Kraft mehr, weshalb ich meinen Kopf einfach erneut hängen lasse. „Denn ich habe im Interesse des Angeklagten gehandelt und bis zur letzten Minute alle, für die Verhandlung relevanten, Informationen zusammengetragen."
„Der Angeklagte hat sich bereits als schuldig bekannt, Mr Potter." Ich meine in Kingsleys Stimme so etwas wie Mitleid oder Sorge zu hören, aber ich kann mich auch täuschen.
Es folgt eine längere Pause, in der niemand etwas sagt. Potters ach so toller Plan scheint wohl nicht aufgegangen zu sein. Aber nicht einmal das freut mich. Dass ich ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht habe und diese Odyssee nicht mehr über mich ergehen lassen muss.
„Sehen Sie sich den Mann an, Minister. Er weiß ja nicht, was er sagt." Für einen kurzen Moment zucken meine Handgelenke, ich möchte mich rechtfertigen und mich von Potter nicht als durchgeknallter Irrer, der an Wahrnehmungsstörungen leidet, abstempeln lassen. Doch ich verliere die Kraft dazu so schnell, wie der Funke Wut gekommen war. Und so sitze ich weiterhin dort in der Mitte des riesigen Gerichtssaals, in mich zusammengesunken, den Kopf tief zwischen den Schultern hängend. „Ich habe einen Zeugen gefunden, der die Geschehnisse des Abends beobachtet hat und bereit ist, auszusagen."
„So?", fragt Kingsley überrascht und auch ich komme nicht drum herum, aufzuhorchen. Auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wen er aufgetrieben haben will, bin ich sogar etwas gespannt, was als nächstes kommt. Potter räuspert sich, ehe er seine Stimme erhebt.
„Ich rufe Draco Lucius Malfoy in den Zeugenstand."
Abrupt fahre ich hoch. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper ist zum Zerreißen gespannt. Zum ersten Mal seit Tagen, Wochen, spüre ich ein Gefühl in mir aufkeimen. Hass. Blanker, brodelnder Hass.
Meine Finger umklammern die Lehnen des Stuhls, meine Nägel fressen sich ins Holz, während ich meinen Kopf so weit nach hinten drehe, dass ich ihn sehen kann. Und dort steht er. Ich sehe seine platinblonden Haare, die in diesem dunklen Raum herausstechen, als wären sie ein Patronus bei Mitternacht. Ich sehe ihn, seine abscheuliche Gestalt, die sich bereit macht, loszulaufen. Meine Adern pochen unter meiner ausgemergelten Haut, meine Augen sind zu Schlitzen verengt, als ich ihn beobachte, wie er an mir vorbei schreitet und schließlich vor dem Podiums des Ministers stehen bleibt. Der Hass schiebt sich wie zähflüssige Lava durch meine Venen.
„Vollständiger Name und Anschrift", verlangt Kingsley professionell. Draco räuspert sich kurz.
„Draco Lucius Malfoy, wohnhaft Herrenhaus der Malfoy in der Grafschaft Wiltshire, England." Als ich seine Stimme höre, stocke ich. Sie klingt dünn, ausgelaugt.
Und erst jetzt bemerke ich seine Haltung. Nichts zeugt davon, dass er ein Malfoy ist. Der stolze Gang und die Erhabenheit sind verschwunden. Sein Kopf hängt herunter, er schaut Kingsley nicht einmal an, während er spricht.
„Was genau haben Sie an dem Abend des einunddreißigsten Dezember beobachtet, Mr Malfoy?" Ich erkenne, dass er schluckt. Sein Körper zittert, ganz so, als wäre er kurz davor zusammenzubrechen.
„Ich... Professor Snape war es nicht", haucht er und ich glaube, mich verhört zu haben. Ungläubig schüttle ich den Kopf, starre auf den Rücken des jungen Mannes.
„Der Angeklagte hat sich aber bereits schuldig bekannt, Mr Malfoy", erwidert Kingsley. „Wie lautet Ihre Version der Geschehnisse dieses Abends?" Erneut schluckt Draco schwer, ehe er zu sprechen beginnt.
„Als Miss Granger und der Professor die Große Halle verlassen hatten, verließ ich sie ebenfalls. Ich ging aber, anders als sie, auf die Ländereien, um etwas Luft zu schnappen. Schließlich war es dort brechend voll." Er lacht ein heiseres Lachen. „Ich lief ziellos über die Ländereien, als ich plötzlich Miss Granger weinend aus dem Schloss laufen sah. Ich folgte ihr mit etwas Abstand, sie machte sich auf den Weg zum Pavillon." Draco macht eine Pause, atmet tief durch und hebt nun endlich seinen Kopf, um Kingsley anzuschauen. „Kurz bevor ich um die Ecke bog, hört ich einen lauten Knall und da stand er plötzlich. Ich habe die Maske erkannt, ich würde sie unter tausenden erkennen. Ein Todesser."
Das aufgeregte Raunen und Schnattern, das nach diesem Satz im Saal auflebte, übertönt alles. Niemand nimmt Kingsleys Hammerschläge wahr.
Erst nach mehrfachen Aufforderungen, ruhig zu sein, erstirbt der Laute Schwall an Gesprächen.
„Ein Todesser, sagen Sie?" Meine Augen hängen an Dracos Rücken, er scheint seine alte Form zu gewinnen. Ein durchgestreckter Rücken, ein hoch erhobener Kopf. „Und Sie sind sich da auch ganz sicher, Mr Malfoy?" Ein dreckiges Grinsen stiehlt sich auf Dracos Lippen.
„Geben Sie mir ein Denkarium und ich zeige es Ihnen, Herr Minister. Oder verabreichen Sie mir Veritaserum. Stellen Sie mich von mir aus unter den Cruciatus, an meiner Aussage wird sich nichts mehr ändern."
Potter, der noch immer neben mir steht, verlagert sein Gewicht von einem Bein aufs andere, während er leise zufrieden grunzt.
„Erzählen Sie weiter", fordert der Zaubereiminister, während sich sein dunkler Blick in Draco bohrt.
„Plötzlich brannte der Pavillon, ich musste meine Augen vor der hellen Flamme abschirmen. Ein Schrei ertönte, dicht gefolgt von einem erneuten Knall und dann war er verschwunden. Ich ..." Draco stockt, seine Stimme ist nur noch ein Hauch. „Ich habe sie leblos auf dem Boden liegen sehen. Sie hat gebrannt. Keine Minute später ist Professor Snape um die gegenüberliegende Ecke gebogen und auf sie zugerannt."
„Nun, wenn das so ist..." Kingsley schaut sich im Saal um, wechselt einen kurzen Blick mit Robards. „Der Angeklagte, Severus Tobias Snape, wird in allen Anklagepunkten freigesprochen." Erleichtertes Aufatmen hinter mir, signalisiert mir, dass Minerva im Publikum sitzt, doch Kingsley scheint mit seiner Ansprache noch nicht fertig zu sein. „Wenn wir es wirklich mit einem Todesser zu tun haben, werden wir alle verfügbaren Kräfte auf diesen Fall ansetzen. Potter, Sie werden noch heute Abend mit den Ermittlungen beginnen. Stellen Sie sich ein Team zusammen, Sie haben die fähigsten Auroren in ihrem Umfeld. Ich will, dass dieser Dreckskerl seine gerechte Strafe bekommt! Die Verhandlung ist damit geschlossen." Mit einem finalen Hammerschlag beendet er die Verhandlung, erhebt sich und eilt – gefolgt von den Mitgliedern des Zaubergamots – aus dem Saal.
Potter atmet neben mir erleichtert aus, lockert seine angespannte Haltung und beugt sich zu mir herunter, während sich Draco auf der Stelle umdreht und an uns vorbei eilt, um den Raum zu verlassen.
„Es ist geschafft, Severus." Doch auch nach all den Ereignissen der letzten Minuten, spüre ich keine Erleichterung, die mich durchflutet. Stattdessen kriechen die Leere und die Einsamkeit zurück an ihren Platz, nehmen mich gefangen und halten mich so fest, als wäre ich ihr rettender Anker auf hoher See.

Komm, uns bleibt die Ewigkeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt