Ich zitterte. Nie hätte ich gedacht, dass dieses Gespräch eine solche Richtung nehmen würde. Als wäre es nicht schon schlimm genug, setzte Vetim noch eins drauf.
„Lindi ist nicht da. Lindi wird auch nicht kommen. Sieh es endlich ein, Lira!"
Noch bevor die Leitung tot war, sackte ich zu Boden und schluchzte verzweifelt auf. Ich weinte hemmungslos vor mich hin, sodass ich Schmerzen im Brustbereich bekam. Mitten in meinem Wimmern, klingelte erneut mein Handy. Ich griff danach, wollte Vetim sagen, er solle sich zum Teufel scheren, doch die Nummer war unterdrückt.
„Wer ist da?", schniefte ich.
Bis auf ein gleichmäßiges Atmen, war es still am anderen Ende der Leitung. Und dann ...
„Lang ist es her ...", ertönte eine leise, aber klare Stimme.
Ich war wie betäubt. Die Welt schien still zu stehen.
„Wer ... wer ist da?"
„Ich habe dich vermisst, Rona", antwortete die Stimme.
Kaum waren die Worte ausgesprochen, schon war die Leitung tot. Ich starrte ungläubig auf mein Handy, das wie verrückt in meiner Hand zitterte. Gänsehaut jagte durch meinen Körper.
Das war Vetim. Das musste Vetim gewesen sein. Das konnte nur er gewesen sein. Sicher hat er einen seiner Freunde dazu angestiftet, mich mit unterdrückter Nummer anzurufen. Er wollte mir eins auswischen. Natürlich wollte er das, schließlich hatte ich ihn abserviert!
Obwohl meine Denkweise mehr als logisch zu sein schien, schaffte ich es einfach nicht das beklemmende Gefühl in meiner Brust loszuwerden. Selbst als ich Stunden später schon längst im Bett lag, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Die Stimme spukte unaufhörlich in meinem Kopf herum. Es war, als würde ich automatisch auf Wiederholung klicken.
„Ich hab dich vermisst, Rona. Ich hab dich vermisst, Rona. Ich hab dich vermisst, Rona."
Und mitten im Halbschlaf wünschte ich mir plötzlich, dass es wirklich so wäre ...
Schweißgebadet schreckte ich aus dem Schlaf auf. Der Wecker zeigte erst kurz nach Mitternacht an. Ich setzte mich auf, knipste die Nachttischlampe ein und fuhr mir mit zittrigen Händen über das Gesicht. Mein Top war durchnässt, ich fror.
Die Situation mit Vetim schien mich mehr mitgenommen zu haben, als ich es mir eingestehen wollte. Ich war vollkommen aufgewühlt! Stöhnend quälte ich mich aus dem Bett und streifte mir ein frisches Top über. Da ich das Gefühl hatte zu ersticken, öffnete ich das Fenster und blieb dann wie festgefroren dort stehen.
Papa stand am Brunnen und unterhielt sich mit jemanden. Als ob es nicht schon komisch genug wäre, dass er das mitten in der Nacht tat, schien es da unten recht hitzig umherzugehen. Papa hob drohend den Finger, er konnte nicht still stehen. Das sah mir nach einem Streit aus. Und als ich dann bemerkte, dass es sich bei der anderen Person um eine Frau handelte, bekam ich ein ungutes Gefühl. Eine Affäre, die ihn erpresst? Oh Gott, bitte nicht!
Ich legte mich zurück ins Bett, kniff die Augen zusammen und wünschte mir, ich würde mich irren.
Die Nacht war unruhig geblieben, weshalb ich froh war, als ich nach unten zum Frühstücken ging. Meine Eltern saßen wie immer schon am Tisch. Ich begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange und setzte mich dazu.
„Geht es dir gut, Liebling?", fragte Papa mich.
„Mhm? Ja, alles in Ordnung."
„Du siehst so blass aus."
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Zwei Seiten der Wahrheit
General FictionLironas Leben könnte besser nicht sein: Sie ist 20, hat wundervolle Adoptiveltern und eine scheinbar sichere Zukunft vor sich. Bis sie etwas erfährt, das sie eigentlich niemals hätte erfahren dürfen. Mit Hilfe eines alten Freundes macht sie sich auf...