Kapitel 13

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Ich ließ meine Augen durch den Flughafenterminal wandern, und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Obwohl es im Gegensatz zu den anderen Flughäfen, die ich schon gesehen hatte, vergleichsweise klein war, war ich doch ziemlich überrascht.

„Wow, das sind aber ganz schön viele Menschen, dafür, dass schon ende August ist."

Lindi hatte unsere Koffer auf einen Gepäckwagen gehievt, führte uns jetzt durch die Menschenmasse und steuerte auf eine Autovermietung zu. Während er sich um einen Mietwagen kümmerte, beobachtete ich die Menschen. Flughäfen hatten für mich schon immer etwas Faszinierendes an sich gehabt. Leute, die sich in die Arme fallen, die sich seit Monaten oder sogar Jahren nicht mehr gesehen hatten, Freudentränen, die dabei die Gesichter nässen. Szenen, die das Herz berührten.

„Rona, wir können los."

Ich war froh, dass Lindi mich aus meinen Gedanken holte, denn diese standen kurz davor zu nicht gerade fröhlichen Dingen zuzusteuern. Als wir durch die Ausgangstür in die frische Luft traten, stand ein Peugeot am Straßenrand. Kurz darauf waren die Koffer verstaut und wir waren startklar. Sobald Lindon den Motor anließ, griff seine Hand nach der meinen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam ich ihm zuvor.

„Tiefe Atemzüge. Musik. Mit dir reden. Und ganz, ganz wichtig; immer daran denken, dass du nicht zulässt, dass mir etwas passiert."

Wir grinsten uns an und fuhren los. In den letzten Wochen hatte meine Angst immer weiter abgenommen. Maida rieb mir immer wieder gerne unter die Nase, dass Lindon mich geheilt hätte, und wenn ich ehrlich sein sollte, gefiel mir der Gedanke. Aber natürlich wusste ich auch, dass meine Fortschritte damit zu tun hatten, dass ich immer seltener an den Unfall damals denken musste.

Nach ein paar Kilometern rutschte mir jedoch das Herz in die Hose, als wir ein Schlagloch erwischten.

„Scheiße!", fluchte Lindi und warf mir einen kurzen Blick zu. „Sorry. Lass dich bitte nicht von den Schlaglöchern irritieren. Wie du siehst hat die Infrastruktur in Prishtina große Fortschritte gemacht, die Straßen aber lassen an manchen Stellen leider noch zu wünschen übrig."

Ich atmete tief aus und zuckte mit den Schultern. Die Freude und die Aufregung, die meinen Körper eingenommen hatten, würde ich mir ganz bestimmt nicht von ein paar Schlaglöchern ruinieren lassen.

Gute 90 Minuten später kamen wir in unserer Heimatstadt an – Pejë. Obwohl ich damals erst 10 Jahre alt gewesen bin und seitdem nicht mehr hier war, fiel mir direkt auf, wie sehr sich die Stadt verändert hatte. Cafés und Geschäfte und volle Gehwege soweit das Auge reichte. Während Lindi den Wagen durch das Verkehrschaos in der Innenstadt lenkte, legte sich ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Mein Herz war so ... voll. Es fühlte sich unglaublich gut an wieder hier zu sein, ganz gleich, dass diese Reise in erster Linie dazu dienen sollte, meine liebliche Mutter zu finden.

„Alles okay bei dir?", fragte Lindon mich auf einmal.

Ich neigte meinen Kopf ein wenig zur Seite und sah ihn fragend an.

„Du weinst, Rona."

„Oh." Meine Hand griff instinktiv nach meiner Wange, wo ich in der Tat Tränen fand. „Alles okay, versprochen", versicherte ich ihm. Seufzend wischte ich mir die Tränen weg, lehnte mich im Sitz zurück und schloss die Augen. „Es ist alles nur ein wenig ... emotional und überwältigend."

Lindi sagte nichts mehr darauf, sondern drückte nur kurz meine Schulter.

Gott sei Dank gab es beim Check-in im Hotel keine Probleme, denn als ich kurz darauf ins Zimmer trat begannen meinen Bauchschmerzen. Die Krämpfe kamen urplötzlich, Schmerzgrad von null auf 100.

Zwei Seiten der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt