Einige Sekunden lang passierte gar nichts. Mein Herz pumpte laut in meiner Brust und übertönte jedes andere Geräusch. Doch dann öffnete Herr Mehmeti auf einmal seine Tür.
„Bleiben Sie im Wagen", wies er mich an.
„Nein, stopp. Warten Sie, lassen Sie mich nicht allein!"
Meine Panik war wohl schwer zu überhören, denn er drehte sich zu mir um. Unsere Blicke trafen sich, und für eine klitzekleine Sekunde verschwand seine gefühlslose Maske.
„Bleiben Sie im Wagen", wiederholte er sanft, „Ihnen wird nichts passieren."
Ich weiß nicht, wieso, aber ich glaubte ihm. Er würde nicht zulassen, dass mir etwas passierte, ich spürte es. Erst als ich nickte, wandte er sich ab und stieg aus dem Auto. Er hatte kaum zwei Schritte gemacht, als der Wagen vor uns plötzlich aufs Gas trat und davonfuhr. Was zum? Ich folgte Herrn Mehmeti nach draußen und sah verwirrt dem Auto hinterher.
„Komisch", hörte ich ihn vor sich hinmurmeln.
„Ich ... ich glaube, das war mein Ex", gab ich überraschenderweise zu, senkte jedoch meinen Blick, als Mr. Roboter mich ansah. „Er hat die Trennung nicht gerade ... gut aufgenommen. Ich denke, er will mir Angst machen und mich aus der Fassung bringen."
„Was ihm wohl gelungen ist."
Ich öffnete meinen Mund, um zu protestieren, schloss ihn dann jedoch wieder, als ich realisierte, dass er Recht hatte. Schließlich stand ich hier, zitternd und mit klopfendem Herzen. Ängstlich und verwirrt. Alles wegen Vetim. Mieser Idiot! fluchte ich stumm. Als ich neugierige Augen auf mir spürte, zuckte ich mit den Schultern und stieg wieder in den Wagen.
Es dauerte nicht lange, bis wir letztendlich vor Maidas Wohnung hielten. Die ganze Fahrt über hatte Schweigen geherrscht, selbst über den Vorfall verlor keiner von uns Beiden ein Wort.
„Soll ich warten, oder ... ich meine ...", er räusperte sich, wie um sein Zögern zu überspielen.
Zum ersten Mal schien er wirklich über seine Worte zu stolpern, was ihn automatisch etwas menschlicher und sympathischer erscheinen ließ. Nicht dass ich ihn sympathetisch fand. Nope, auf keinen Fall. Er schien nur nicht so perfekt und fehlerlos zu schein, wie er vorgab.
„Das wird nicht nötig sein. Ich werde heute Nacht hier bleiben", antwortete ich schließlich.
Ich war drauf und dran ihm zu erklären, dass ich vor der Wohnung meiner besten Freundin stand, hielt mich im letzten Augenblick jedoch zurück. Genauso gut könnte ich die Nacht bei meinem neuen Macker verbringen, es würde ihn sowieso nicht interessieren. Oder? Gottverdammt! Wieso zur Hölle war es mir plötzlich so wichtig, was er von mir dachte?
„Es wäre aber gut, wenn Sie mich morgen früh um 8 abholen könnten", fügte ich hinzu.
Er nickte wortlos, seine professionelle Miene längst wieder da, bevor er ausstieg. Ich war kurz verwirrt und blieb reglos sitzen, als mir plötzlich die Tür aufgehalten wurde. Fehlte nur noch, dass er mir die Hand hinhielt, um mir beim Aussteigen zu helfen. Was er natürlich nicht tat; Gott sei Dank. Die Situation war mir so schon unglaublich unangenehm.
„Ich ... also, Sie brauchen mir nicht die Tür aufzuhalten. Zwar fahre ich aktuell nicht selbst, aber ich bin weder Prinzessin Diana, noch ein Invalid", sagte ich scherzhaft, versagte aber dabei ihn (und mich) zum Lachen zu bringen. Immer weiter so, Lirona, mach dich ruhig zum Affen, dachte ich.
„Wie Sie wünschen", antwortete er nüchtern.
Ich wollte fast schon hinzufügen, er solle mich Duzen, doch bevor ich überhaupt die Chance hatte, ernsthaft darüber nachzudenken, nickte er kurz angebunden und saß schon wieder im Auto. Einen Atemzug später fuhr er davon und ließ mich einfach stehen. Ich zuckte mit den Schultern und stieg kurz darauf die Treppen in den 3. Stock nach oben. Ich schrieb Maida eine Nachricht als ich vor ihrer Tür stand und es dauerte nur wenige Sekunden bevor sie mich rein ließ.
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Zwei Seiten der Wahrheit
General FictionLironas Leben könnte besser nicht sein: Sie ist 20, hat wundervolle Adoptiveltern und eine scheinbar sichere Zukunft vor sich. Bis sie etwas erfährt, das sie eigentlich niemals hätte erfahren dürfen. Mit Hilfe eines alten Freundes macht sie sich auf...