Kapitel 20

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Lina

Nach dem wir uns ein wenig beruhigt hatten frage ich Nick, wie lange er bleiben will. Er zuckt mit den Schultern. "Ich glaube einen Eintrag können wir noch lesen, bevor ich Nachhause fahre." "Ok,dann fang an.", sage. Nick blättert die Seite um, räuspert sich und beginnt wiedervorzulesen:

23.-24. Januar 2016

Liebes Tagebuch,

heute morgen früh geht es los! Meine Eltern haben zwar versucht mich zu überreden, nicht dahin zugehen aber ich will! Wenn mir etwas passiert, meinten sie. Na dann würden Nick und Li es halt erfahren. Es darf einfach nichts passieren!

Also mit nem Tramper und etwas Kochzeug ausgestattet brachte mich meine Mutter zum See. Sie gab mir noch ein Kuss und lächelte traurig. Es macht mich traurig sie so zu sehen. Ich weiß, dass sie und Papa sich Sorgen machen und ich kann sie auch verstehen. Aber ich will nicht die letzte Zeit meines Lebens im Krankenhaus verbringen, sondern ich will etwas erleben. Leben!

Der See ist von einem zugewuchertem Wald umgeben. Überall sind Brenneseln und Farn. Um diese Jahreszeit liegt eine leichte Frostschicht auf den Blättern und Bäumen.

Allerdings war es sehr kalt. Gut, dass wir Tee dabei hatten, so konnten wir uns relativ gut aufwärmen. Später ging Nick im Wald Holz holen, während ich mit Li am Wasser saß.

Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und dachte an den Tod. Ich wollte es Li erzählen, aber ich konnte nicht. Es war/ ist für mich eine große Sachenmund man kann es nicht in den Worten: "Sorry Li, aber ich habe einen Tumor und werde wahrscheinlich demnächst sterben" hinrotzen. Aber vielleicht würde sie es verstehen, wenn ich es andeute. also sagte ich stattdessen: "Kennst du das Gefühl, wenn du weißt, dass du etwas verlieren wirst, von dem du weißt, dass du es nie wieder haben wirst? Und jeden verdammten Tag fragst du dich, ob du es je wieder sehen wirst."
Sie antwortete mit Nein! Wie sollte sei es denn auch verstehen? Ich hätte bis vor ein paar Tagen auch nicht gedaccht, dass ich einen Tumor habe. Ich dachte an meine Zukunft, an mein Abi und an meine erste eigene Wohnung. Alles war so ungewiss aber trotzdem geplant.

Ich fuhr also mit meinem Monolog fort und sagte:"Lina vergiss nie, wirklich nie wer du bist und woher du kommst. Bleib wer du bist und lass dir von Niemandem sagen was du zu tun hast denn es ist dein Leben! Denn das Leben ist kurz... also brich alle Regeln, vergib schnell, küsse bedächtig, liebe ehrlich und lebe! Lass niemals zu, dass du das Lachen verlernst! Denn auch wenn ich mal von dir gehe werde ich dich immer im Herzen behalten... denn so einen Menschen wie dich vergisst man nie!"

"Das ist... ich meine Danke! Das war sehr süß. Aber dich wird auch niemand vergessen. Da bin ich mir Sicher. Wenn wir einmal alt und schrumpelig sind und uns kaum noch verstehen können, dann gibt es soo viel, dass wir erlebt haben und unsere Schulzeit ist dann nur noch eine blasse Errinerung in unseren Senilen alten Köpfen. Und an die Tollen Sachen werden wir uns immer errinern!"

Li sprach weiter, doch ich hörte nicht mehr zu. Wenn wir alt sind! Wenn ich daran denke, zieht mein Herz sich zusammen. Soweit wird es doch sowieso nicht kommen.

Ich hörte Nick im Hintergrund irgendetwas fluchen. Lächelnt drehte ich mich um und sah, dass er sich an einem Stock gekratzt hat. "Das tut voll weh!", quengelt er und schiebte kindisch seine Unterlippe raus. Grinsend laufe ich auf ihn zu und verwuschelte ihm das Haar.

Während wir versuchen das Feuer anzuzünden holte Li schon einmal ihre Boxen aus ihrerTaschen. Nick und ich scheiterten mehrmals an dem Versuch. Das Holz war scheinbar zu nass. Mir wurde nach und nach kühler und ich konnte meine Finger nicht mehr so gut bewegen.

Was, wenn das ein Vorzeichen war? Was, wenn ich nicht mehr so lange lebe? Wenn ich jetzt gleich umkippe und tot bin?

Lina half uns, und mit ihrer Hilfe ging es plötzlich. "Ich bin ein Feuerbändiger! Passt auf was ihr sagt, sonst verbrenne ich euch.", rief sie darauf hin belustigt und machte "This girl is on fire" von Alicia Keys an.

Das Feuer wird etwas größer und ich kuschelte mich mit Li und Nick in eine Decke. Das taube Gefühl in meinen Fingern verblasste und ich entspannte mich wieder. Ich genoss die Wärme von Nick und Li. Sie geben mir Sicherheit. Sie sind mein Zuhause und meine eigene Familie. Würde jemals die Welt untergehen und ich könnte jemanden retten, dann wären es die beiden, die mit mir überleben würden.

Es war stockduster, als das Feuer endlich erlosch. Li war mit den Kopf auf meinem Schoß eingedöst. Nick sagte, dass wir ins Zelt gehen sollten, was wir dann auch taten.

Ich weiß noch, dass ich in dieser Nacht kaum ein Auge zubekommen hatte. Es war die erste Nacht seit langem, die ich nicht im Krakenhaus verbrachte. Außer dem war der Boden hart und ich bekam leichte Rückenschmerzen.

Als es schon wieder dämmerte döste ich leicht ein, wurde aber dann von einer Bewegung von Nick geweckt. Er sah mich verschlafen an und meinte, dass er mich nicht wecken wollte. Ich solle weiter schlafen, aber ich konnte nicht. Ich war nun vollständig wach. Leise standen wir auf und unterhielten uns draußen ein wenig. Irgendwann kam Nick auf die Idee, das wir einmal um den See gehen könnten. Li würde wahrscheinlich eh noch schlafen, wenn wir wieder da wären, aber ich schreib ich trotzdem eine Nachricht. Sicher ist Sicher!

Wir redeten kaum, aber es war schön einfach so nebeneinander herzugehen. Ich hörte dem Wind zu und dem Atem von Nick. Leichte Nebelschwaden lagen im Wald und der Anblick war einfach nur Atemberaubend! Ich blieb stehen und das Kunstwerk der Natur noch ein wenig zu betrachten. Nick stellte sich neben mich und rückte noch ein wenig näher. Langsam spürte ich seine Hand an meiner. Jetzt wäre der perfekte Moment mich zu küssen, dachte ich lautstark. Seine Hand war wieder weg. Die stelle, wo seine Haut meine berührte wurde kalt und ich steckte meine Hand in meine Jackentasche.

Ich sehe Nick an. Röte steigt ihm ins Gesicht

"Nick?"

"Lina?"

"Nick?"

"Lina?"

"Nick!"

"Lina?"

"Warum hast du nicht ihre Hand genommen?"

Betretenes Schweigen.

Ich schlage mir verzweifelt mit der Hand gegen die Stirn. Ausversehen treffe ich dabei meine Nase. Autsch! Um vom Thema abzulenken liest Nick weiter. Leider wird es nicht besser.

Warum hatte er mich nicht geküsst? War ich in seinen Augen nur ein normales Mädchen. Wurde ihm das bewusst, als er seine Hand wieder wegzog?

Als wir wieder in der Nähe unsers Lagers waren, sah ich Li, wie sie hin und her lief und uns freundlich zuwinkt, als sie uns endekte. Nick hob seine Hand, aber senkte sie sofort wieder als er bemerkte, das Li nicht mehr hinsah.

"Breakfast", trällerte sie uns fröhlich zu und hob Teller hoch, die sie schon mit Rührei gefüllt hatte. Wie immer Rührei á la Steff. Nick hatte wie so oft schon das Gummibärchen und durfte damit abwaschen... also es gab zwar nichts zum Abwaschen, weil wir das Zuhause taten, aber der Gedanke zählt.

Gegen Mittag begannen wir das Zelt abzubauen und räumten unseren Plazt auf. Mir wurde immer mulmiger, als ich daran dachte, dass ich Nick und Li bald nicht mehr sehen könnte. Es ist traurig, aber ich kann nichts dran ändern.

Später holte mich dann meine Mutter wieder ab und brachte mich ins Krankenhaus. Nach all der Ruhe in der Natur fühlt sich das Krankenhaus voll und laut an. Ich wurde wieder an Maschienen angeschlossen und ich wurde wieder gefragt, wie ich mich fühle.

Um ehrlich zu sein, mir geht es beschissen. Ich möchte doch nur ein normaler Jugendlicher in einer heilen Welt sein! Warum muss es denn mich denn treffen? Ich hab doch nie etwas getan und warum trifft mich denn jetzt die ganze Schuld?

In Liebe

Steffanie

15 WishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt