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Marcie nahm mich in die Shopping Mall mit. Sie sagte, dass ich dringend neue Kleider bräuchte und ich konnte nichts dagegen erwidern, da sie recht hatte.

Ich fühlte mich ein wenig schuldig, da sie alles bezahlte, aber ich konnte damals kein Geld mitnehmen und somit war ich nun offiziell pleite.

Danach fuhr Marcie mich zum Frisör. Ich konnte mich im Spiegel nicht mehr ansehen. Ich brauchte etwas Neues. Dass mich das weniger leicht erkennbar machen würde, schadete auch nicht.

Als ich meine sanften blonden Locken fallen sah, spürte ich zum ersten Mal, wie mein altes Leben nun endgültig vorbei war. Und ich wusste nicht, ob ich todtraurig oder erleichtert sein sollte.

Die Hölle der letzten Monate war vorbei.

Das Paradies der letzten Jahre war vorbei.

Sie waren vorbei.

Als ich nach der zweistündigen Sitzung in den Spiegel starrte, erkannte ich mich selbst nicht wieder. Meine linke Gesichtshälfte war noch immer dunkel und geschwollen, aber abgesehen davon, sah ich nun vollkommen anders aus.
Ich hatte jetzt schulterlange, dunkelbraune Haare in einem Stufenschnitt. Dazu noch eine grosse Brille, obwohl ich eigentlich noch gut sehen konnte. Aber die Veränderung war nun komplett.

Ich sah Marcie im Spiegel, sie hatte wieder eine Hand an den Hals gelegt und ihr Lächeln wirkte gezwungen: „Das sieht gut aus. Wirklich. Anders, aber...", sie schien nach den richtigen Worten zu suchen, ,,gut."

Ich nickte leicht, mein Aussehen kümmerte mich nicht mehr. Aber die Veränderung gefiel mir.

Ich schwieg im Auto. Schaute aus dem Fenster und nahm mein neues Zuhause in mich auf. Farmfelder und sanfte Hügel. Ich vermisste die Wildnis, die endlosen Weiten, die einzigartige Schönheit der Kargheit. Aber ich dachte nicht zurück, ich durfte nicht, ich konnte nicht.

Als wir ins Wohnzimmer traten, kam Aspen auch gerade nach Hause.
Als er mich sah, stuzte er:,, Scheisse, was ist denn mit dir passiert? Komplette Typveränderung oder was?"

„Aspen!", rief Marcie empört auf aber ich winkte ab:,, Ist schon gut, Marcie", ich wandte mich augenverdrehend an Mister Charming:„Ich wollte einmal was anderes ausprobieren."

Er musterte mich nochmals - nicht überzeugt - von oben bis unten, zuckte dann aber nur mit den Schultern: „Alles klar, Nerd."

„In einer halben Stunde gibt es Abendessen, Liebling!", rief Marcie ihm nach, als er nach oben ging. Er grunzte nur.

Das Abendessen verlief angespannt. Aspen durchbohrte mich mit Blicken, Marcie versuchte krampfhaft Konversation zu betreiben und ich stocherte lustlos in meinem Essen herum. Ich hatte Probleme zu essen, seit er...

In den letzten Monaten war ich richtiggehend abgemagert. Ich wusste, ich sollte, musste essen, aber ich hatte einfach keinen Hunger.

„Schmeckt es dir nicht?", fragte mich Marcie und riss mich damit aus meinen düsteren Gedanken.

„Doch, ich bin nur nicht sehr hungrig." Ich schaute hoch und begegnete wieder Mister Charmings hellen Augen, sie hatten eine wirklich aussergewöhnliche Farbe.

Ich klinkte mich wieder aus dem Gespräch aus. Mein Kopf fühlte sich so leicht an, seit ich meine langen Locken abgeschnitten hatte.

Er hatte meine langen Haare geliebt, er hatte immer gesagt, das ich damit wie ein Engel aussehen würde. Er würde mich aber nie wieder sehen.

Der Tag war überraschend gut gelaufen. Dank der starken Schmerzmittel, hatte ich für einmal keine so schlimmen Schmerzen. Ich war zwar die ganze Zeit müde, doch damit konnte ich umgehen.

love haunts - hate tooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt